logo

Thomas Ruhstaller und Isabella Schönenberger

«Der Anstieg der Prämien entspricht nicht den eigentlichen Gesundheitskosten»

Mit dem Tumor- & BrustZentrum mischt ein neuer Player im Ostschweizer Gesundheitsmarkt mit. Wieso man sich nicht als Konkurrenz zu den Spitälern sieht, erklären Thomas Ruhstaller, Partner und CEO, und Isabella Schönenberger, Partnerin und GL-Mitglied.

Marcel Baumgartner am 09. Oktober 2023

Mit dem Tumor- & BrustZentrum Ostschweiz wurde vor rund einem Jahr ein neues Privatunternehmen gegründet, das die Gesundheitsbranche in der Region mitprägt. Was gab den Ausschlag für die Lancierung?

Thomas Ruhstaller: Die drei onkologischen Privatbetriebe ZeTuP, Praxis Vadiana und Brustzentrum Ostschweiz waren schon vor dem Zusammenschluss ansässig in der Stadt St.Gallen und haben eine grössere Region in der Ostschweiz von St.Gallen, Herisau, über Wattwil, Rapperswil und Chur onkologisch mitversorgt.

Alle drei Betriebe waren bereits vorgängig Teil des Brustzentrums der Hirslanden Klinik Stephanshorn und die Ärztinnen und Ärzte trafen sich wöchentlich zur gemeinsamen Fallbesprechung am Tumorboard. Die medizinischen Fortschritte im Bereich der Onkologie sind in den vergangenen Jahren enorm gewachsen, was zu einer zunehmenden Spezialisierung innerhalb des Fachgebietes führte.

Dabei erlauben grössere Teams mehr fachlichen Austausch, zudem sind grössere Teams auch attraktiver für den ärztlichen Nachwuchs. Aus all diesen Gründen war die Idee des Zusammenschlusses naheliegend.

Es ergab sich zudem die Möglichkeit des Aufbaus eines gemeinsamen grösseren Zentrums in St. Gallen im neu erstellten Neudorf-Center, wo wir mit der im gleichen Gebäude situierten Radiotherapie und Radiologie der Hirslanden Klinik Stephanshorn zusätzliche Synergien nutzen können.

Sie beschäftigen heute rund 75 Mitarbeitende an vier Standorten. Können Sie kurz schildern, wie der Versorgungsauftrag in welchen Regionen aussieht?

Isabella Schönenberger: Da wir kein öffentliches Spital sind, haben wir keinen expliziten Versorgungsauftrag des Kantons. Vielmehr hat uns der Kanton eine Betriebsbewilligung zur Führung einer onkologischen Praxis erteilt und alle unsere Fachärzte benötigen zusätzlich eine strenge kantonale Berufsausübungsbewilligung.

Durch den Zusammenschluss sind wir nun im Bereich der Abklärung und Behandlung von Frauen mit Brustkrebs in der Ostschweiz der mit Abstand grösste Anbieter. Bei den übrigen Tumor- und Bluterkrankungen decken wir zusammen mit den öffentlichen Spitälern, v.a. mit dem Kantonsspital St.Gallen, die Versorgung der Region ab.

Nach der Schliessung des Spitals Wattwil haben wir im April 2022 zusätzlich vor Ort einen neuen Praxisstandort eröffnet, damit für die Toggenburger Patienten weiterhin eine wohnortshabe onkologische Versorgung gewährleistet bleibt.

Ebenso bieten wir im Spital Herisau an zwei Tagen eine onkologische Sprechstunde an für das Appenzell. Zudem ist das Spital Herisau Netzwerkpartner unseres Brustzentrums und unsere Brustchirurgen operieren regelmässig mit am Spital.

Daneben betreiben wir seit mehr als zehn Jahren eine onkologische Praxis in Rapperswil und in der Stadt Chur. In Rapperswil unterhalten wir zudem ein wöchentliches Tumorboard für private Spezialärzte, dies in Zusammenarbeit mit der Radioonkologie des Kantonsspitals Winterthur.

Sehen sie sich als klare Konkurrenten zu den bestehenden Spitälern?

Ruhstaller: Früher stellte sich vielleicht diese Frage noch eher. Heutzutage steht jedoch klar im Vordergrund, dass die öffentlichen Spitäler wie auch wir als private Anbieter zusammen die onkologische Versorgung der Bevölkerung in der Ostschweiz sicherstellen müssen. Wir onkologischen Fachärzte der Region Ostschweiz müssen unsere Ressourcen bestmöglich bündeln um nicht bald an unsere Kapazitätsgrenzen zu stossen. Wir sehen uns deshalb weniger als Konkurrenten als mehr als Partner im selben Bereich. Es gibt auch viele Leistungen, die nur ein Zentrumsspital anbieten kann, da sind wir froh um ein fachlich kompetitives Zentrumsspital als Partner wie das KSSG.

Was macht für die Patientinnen und Patienten den grössten Unterschied zwischen ihnen und den Spitälern aus?

Isabella Schönenberger: Verglichen mit einem Grossspital können wir einen sehr schnellen und niederschwelligen Zugang zur onkologischen Fachkompetenz anbieten, auch die ärztlichen Zuweiser schätzen diesen direkten Weg.

Auch ist es für uns einfacher und selbstverständlich die ärztliche und pflegerische Kontinuität über Jahre hinweg für Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Als privates Unternehmen gewichten wir die Serviceleistung für unsere Zuweiser und Patienten sehr hoch und können den Betrieb eher organisatorisch weitgehend um die Bedürfnisse der Patienten organisieren. Zusätzlich legen wir auch grossen Wert auf eine ansprechende und freundliche Atmosphäre in unseren Praxen, was sehr geschätzt wird.

Schlussendlich muss aber wie überall primär die fachliche Kompetenz stimmen.

Gerade in der Pflegebrache herrscht ein immenser Personalmangel. Bekunden Sie Mühe, sämtliche Stellen mit Fachkräften zu besetzen?

Ruhstaller: Nein, dieses Problem stellt sich bei uns bisher nicht. Das hat aber weniger mit uns als Arbeitgeber zu tun, als mit der Art der pflegerischen Arbeit. Wir arbeiten in einem hochspezialisierten, ambulanten Bereich, von Montag bis Freitag, ohne Nacht- und Wochenenddienste für die Pflegefachkräfte, was natürlich sehr attraktiv ist. In den Medien wird «die Pflege» als eine Einheit dargestellt, was aber so natürlich nicht stimmt, es ist ein sehr vielschichtiger Beruf. Die grossen Rekrutierungsprobleme liegen vorwiegend im stationären Bereich, bzw der Langzeitpflege, wo ein Schichtbetrieb über 24h/7Tage aufrechterhalten werden muss und weniger in den ambulanten Betrieben von Praxen oder in denen an öffentlichen Spitälern.

Ein anderer Aspekt ist die Gesundheitspolitik. Die Krankenkassenprämien werden von Jahr zu Jahr teurer. Was kann Ihrer Ansicht nach dagegen unternommen werden?

Isabella Schönenberger: Die demographische Entwicklung und der enorme medizinisch-technische Fortschritt wird zur Steigerung der Gesundheitskosten führen. Ziel ist es aber, die Geschwindigkeit des Kostenanstieges zu bremsen. Da sind alle Akteure gefordert, wir Ärzte, die wir verpflichtet sind, nach den WZW-Kriterien (wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich) zu handeln, die verantwortlichen Akteure der Medikamentenpreisgestaltung und des langerwarteten TARDOC und natürlich auch die wachsende Anspruchshaltung der einzelnen Leistungsbezieher.

Der Anstieg der Krankenkassenprämien ist aber in den letzten Jahren überproportional und entspricht nicht den eigentlichen Gesundheitskosten, was auch mit der Art der Finanzierung der ambulanten Leistungen zu tun hat. Ich verspreche mir von EFAS, der einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen eine Verbesserung dieses Missverhältnisses. Die duale Finanzierung auch der ambulanten Leistungen durch eine direkte Mitbeteiligung der Kantone würde den jährlich steigenden Druck auf den Prämienzahler reduzieren. Zudem sollte der sehr grosse Leistungskatalog in der obligatorischen Versicherung überarbeitet und vermindert werden, nicht unbedingt Notwendiges könnte auch durch Zusatzversicherungen abgedeckt werden und müsste nicht von der Allgemeinheit bezahlt werden.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.