Mit dem Tumor- & BrustZentrum mischt ein neuer Player im Ostschweizer Gesundheitsmarkt mit. Wieso man sich nicht als Konkurrenz zu den Spitälern sieht, erklären Thomas Ruhstaller, Partner und CEO, und Isabella Schönenberger, Partnerin und GL-Mitglied.
Mit dem Tumor- & BrustZentrum Ostschweiz wurde vor rund einem Jahr ein neues Privatunternehmen gegründet, das die Gesundheitsbranche in der Region mitprägt. Was gab den Ausschlag für die Lancierung?
Thomas Ruhstaller: Die drei onkologischen Privatbetriebe ZeTuP, Praxis Vadiana und Brustzentrum Ostschweiz waren schon vor dem Zusammenschluss ansässig in der Stadt St.Gallen und haben eine grössere Region in der Ostschweiz von St.Gallen, Herisau, über Wattwil, Rapperswil und Chur onkologisch mitversorgt.
Alle drei Betriebe waren bereits vorgängig Teil des Brustzentrums der Hirslanden Klinik Stephanshorn und die Ärztinnen und Ärzte trafen sich wöchentlich zur gemeinsamen Fallbesprechung am Tumorboard. Die medizinischen Fortschritte im Bereich der Onkologie sind in den vergangenen Jahren enorm gewachsen, was zu einer zunehmenden Spezialisierung innerhalb des Fachgebietes führte.
Dabei erlauben grössere Teams mehr fachlichen Austausch, zudem sind grössere Teams auch attraktiver für den ärztlichen Nachwuchs. Aus all diesen Gründen war die Idee des Zusammenschlusses naheliegend.
Es ergab sich zudem die Möglichkeit des Aufbaus eines gemeinsamen grösseren Zentrums in St. Gallen im neu erstellten Neudorf-Center, wo wir mit der im gleichen Gebäude situierten Radiotherapie und Radiologie der Hirslanden Klinik Stephanshorn zusätzliche Synergien nutzen können.
Sie beschäftigen heute rund 75 Mitarbeitende an vier Standorten. Können Sie kurz schildern, wie der Versorgungsauftrag in welchen Regionen aussieht?
Isabella Schönenberger: Da wir kein öffentliches Spital sind, haben wir keinen expliziten Versorgungsauftrag des Kantons. Vielmehr hat uns der Kanton eine Betriebsbewilligung zur Führung einer onkologischen Praxis erteilt und alle unsere Fachärzte benötigen zusätzlich eine strenge kantonale Berufsausübungsbewilligung.
Durch den Zusammenschluss sind wir nun im Bereich der Abklärung und Behandlung von Frauen mit Brustkrebs in der Ostschweiz der mit Abstand grösste Anbieter. Bei den übrigen Tumor- und Bluterkrankungen decken wir zusammen mit den öffentlichen Spitälern, v.a. mit dem Kantonsspital St.Gallen, die Versorgung der Region ab.
Nach der Schliessung des Spitals Wattwil haben wir im April 2022 zusätzlich vor Ort einen neuen Praxisstandort eröffnet, damit für die Toggenburger Patienten weiterhin eine wohnortshabe onkologische Versorgung gewährleistet bleibt.
Ebenso bieten wir im Spital Herisau an zwei Tagen eine onkologische Sprechstunde an für das Appenzell. Zudem ist das Spital Herisau Netzwerkpartner unseres Brustzentrums und unsere Brustchirurgen operieren regelmässig mit am Spital.
Daneben betreiben wir seit mehr als zehn Jahren eine onkologische Praxis in Rapperswil und in der Stadt Chur. In Rapperswil unterhalten wir zudem ein wöchentliches Tumorboard für private Spezialärzte, dies in Zusammenarbeit mit der Radioonkologie des Kantonsspitals Winterthur.
Sehen sie sich als klare Konkurrenten zu den bestehenden Spitälern?
Ruhstaller: Früher stellte sich vielleicht diese Frage noch eher. Heutzutage steht jedoch klar im Vordergrund, dass die öffentlichen Spitäler wie auch wir als private Anbieter zusammen die onkologische Versorgung der Bevölkerung in der Ostschweiz sicherstellen müssen. Wir onkologischen Fachärzte der Region Ostschweiz müssen unsere Ressourcen bestmöglich bündeln um nicht bald an unsere Kapazitätsgrenzen zu stossen. Wir sehen uns deshalb weniger als Konkurrenten als mehr als Partner im selben Bereich. Es gibt auch viele Leistungen, die nur ein Zentrumsspital anbieten kann, da sind wir froh um ein fachlich kompetitives Zentrumsspital als Partner wie das KSSG.
Was macht für die Patientinnen und Patienten den grössten Unterschied zwischen ihnen und den Spitälern aus?
Isabella Schönenberger: Verglichen mit einem Grossspital können wir einen sehr schnellen und niederschwelligen Zugang zur onkologischen Fachkompetenz anbieten, auch die ärztlichen Zuweiser schätzen diesen direkten Weg.
Auch ist es für uns einfacher und selbstverständlich die ärztliche und pflegerische Kontinuität über Jahre hinweg für Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Als privates Unternehmen gewichten wir die Serviceleistung für unsere Zuweiser und Patienten sehr hoch und können den Betrieb eher organisatorisch weitgehend um die Bedürfnisse der Patienten organisieren. Zusätzlich legen wir auch grossen Wert auf eine ansprechende und freundliche Atmosphäre in unseren Praxen, was sehr geschätzt wird.
Schlussendlich muss aber wie überall primär die fachliche Kompetenz stimmen.
Gerade in der Pflegebrache herrscht ein immenser Personalmangel. Bekunden Sie Mühe, sämtliche Stellen mit Fachkräften zu besetzen?
Ruhstaller: Nein, dieses Problem stellt sich bei uns bisher nicht. Das hat aber weniger mit uns als Arbeitgeber zu tun, als mit der Art der pflegerischen Arbeit. Wir arbeiten in einem hochspezialisierten, ambulanten Bereich, von Montag bis Freitag, ohne Nacht- und Wochenenddienste für die Pflegefachkräfte, was natürlich sehr attraktiv ist. In den Medien wird «die Pflege» als eine Einheit dargestellt, was aber so natürlich nicht stimmt, es ist ein sehr vielschichtiger Beruf. Die grossen Rekrutierungsprobleme liegen vorwiegend im stationären Bereich, bzw der Langzeitpflege, wo ein Schichtbetrieb über 24h/7Tage aufrechterhalten werden muss und weniger in den ambulanten Betrieben von Praxen oder in denen an öffentlichen Spitälern.
Ein anderer Aspekt ist die Gesundheitspolitik. Die Krankenkassenprämien werden von Jahr zu Jahr teurer. Was kann Ihrer Ansicht nach dagegen unternommen werden?
Isabella Schönenberger: Die demographische Entwicklung und der enorme medizinisch-technische Fortschritt wird zur Steigerung der Gesundheitskosten führen. Ziel ist es aber, die Geschwindigkeit des Kostenanstieges zu bremsen. Da sind alle Akteure gefordert, wir Ärzte, die wir verpflichtet sind, nach den WZW-Kriterien (wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich) zu handeln, die verantwortlichen Akteure der Medikamentenpreisgestaltung und des langerwarteten TARDOC und natürlich auch die wachsende Anspruchshaltung der einzelnen Leistungsbezieher.
Der Anstieg der Krankenkassenprämien ist aber in den letzten Jahren überproportional und entspricht nicht den eigentlichen Gesundheitskosten, was auch mit der Art der Finanzierung der ambulanten Leistungen zu tun hat. Ich verspreche mir von EFAS, der einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen eine Verbesserung dieses Missverhältnisses. Die duale Finanzierung auch der ambulanten Leistungen durch eine direkte Mitbeteiligung der Kantone würde den jährlich steigenden Druck auf den Prämienzahler reduzieren. Zudem sollte der sehr grosse Leistungskatalog in der obligatorischen Versicherung überarbeitet und vermindert werden, nicht unbedingt Notwendiges könnte auch durch Zusatzversicherungen abgedeckt werden und müsste nicht von der Allgemeinheit bezahlt werden.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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