Man muss heute ja sehr vorsichtig sein, wenn man Dinge kritisiert. Dass scheinbar jährlich 90 Personen bei Treppenstürzen sterben, ist natürlich tragisch. Aber ebenfalls tragisch ist, dass sich inzwischen Heerscharen von Beamten damit beschäftigen.
Wie hat es die Menschheit eigentlich geschafft, so alt zu werden? Überall lauern Gefahren. Überall besteht die Möglichkeit, zu sterben. Man könnte meinen, dass wir in einer tödlicheren Umgebung leben als unsere Vorfahren. Was ist schon ein Hungertod oder das Abscheiden aufgrund einer sich entzündenden Wunde gegen zu schmale Fusswege, eine Grippewelle oder Treppen, die nicht den Normen entsprechen?
Liegt es an mangelnden News, die wirklich relevant sind oder an der Tatsache, dass wir uns inzwischen effektiv eine vom Staat geschützte Werkstätte einrichten lassen wollen, dass es eine Meldung vom BFU in die Medien schafft (SRF hat unter anderem darüber berichtet), wonach einige öffentliche Treppen in der Schweiz «Defizite» aufweisen?
Wozu dient eine Treppe überhaupt?
Vorweg ein Gedanke zum Thema: Eine Treppe dient in der Regel dazu, einen Höhenunterschied zu bewältigen. Sie führt von einem Punkt A zum Punkt B. Der Benutzer setzt einen Fuss vor den anderen und erreicht im besten Fall unbeschadet das Ziel, das sich einige Zentimeter oder auch Meter über dem Ausgangspunkt befindet.
Nun kann auf dieser Reise aber etwas passieren. Man kann stolpern. Man kann die Stufe verfehlen. Man kann stürzen.
529 Treppen untersucht
Die BFU, eine Organisation, die sich seit 80 Jahren für mehr Sicherheit im Alltag engagiert und laut Webseite 130 Mitarbeitende beschäftigt, hat sich diesem Phänomen angenommen und eine Erhebung durchgeführt. Dafür hat sie 529 Treppen im öffentlichen Raum untersucht. Die Sicherheitsmerkmale von Treppen seien vor Ort von «geschulten Erheberinnen und Erhebern» vermessen und erfasst worden.
Kraft sparen…
Zahlreiche Defizite haben man festgestellt. Nur eine Minderheit verfüge über zwei Handläufe. Und bei mehr als der Hälfte der untersuchten Treppen würde die Stufenhöhe variieren – bis zu sechs Millimeter (!). Dazu schreibt die BFU: «Um Kraft zu sparen, heben Menschen den Fuss beim Treppensteigen unbewusst nur so hoch wie nötig an. Deshalb reichen diese sechs Millimeter Differenz zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stufen bereits aus, um Stolperer zu verursachen.» Und das habe Folgen. Laut Mitteilung verletzen sich jedes Jahr 50'000 Personen bei Stürzen auf Treppen. «Mehr als 90 in der Schweiz wohnhafte Personen sterben.»
Wie können wir uns schützen?
Um es nochmals deutlich zu sagen: Ja, das ist tragisch. Nein, das wünscht man niemandem.
Dennoch: Wo und wie leben wir inzwischen, dass wir Untersuchungen über Stufenhöhen anstellen lassen und gleichzeitig Menschen aufgrund immer höherer Lebenskosten in Notlage geraten? Und verblöden wir nicht langsam, wenn uns eine Organisation mittels Erhebung sagt, dass Treppen sicherer werden, wenn darauf keine Gegenstände deponiert werden und eine gute Beleuchtung vorhanden ist?
Bald erhalten wir dann wohl eine Untersuchung über Psychosen, die aufgrund von Fahrstühlen entstanden sind.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.