Ein Highlight aus Ostschweizer Sicht am diesjährigen Open Air St. Gallen war der Rheintaler Crimer alias Alexander Frei. (Bild: CRIMER)
Ein Highlight aus Ostschweizer Sicht am Open Air St. Gallen war der Rheintaler Crimer alias Alexander Frei. Im Interview spricht er über die Erfahrung, seine Frisur und die Besonderheiten des Rheintals.
Im Interview spricht Crimer über seine Beziehung zum Rheintal und seine Vorliebe für Synthie-Pop aus den 80er-Jahren.
Letztes Jahr noch auf der Startrampe, dieses Jahr der Auftritt auf der Sternenbühne... Was für ein Gefühl verbindest du mit dem Open Air St. Gallen?
Ich bin schon seit meinen Teenie-Jahren treuer Open Air St.Gallen-Gänger. Früh habe ich gelernt, dass es vielleicht doch besser ist, ein Zelt mitzubringen, statt offen unter freiem Himmel zu nächtigen, denn nur so lassen sich unerwünschte Bierduschen verhindern. Sozusagen bin ich hier auf das Festivalleben geeicht worden. Wenn man dann auf der Bühne steht und weiss, was für Emotionen man im Publikum erwecken kann, ist das ein unbeschreiblich gutes Gefühl.
Du giltst als Shooting-Star, als Pop-Hoffnung. Kannst du mit solchen Begriffen etwas anfangen?
Man wird schnell schubladisiert, was völlig in Ordnung ist. Ich bin der Meinung, dass es in der Schweizer Musikszene oft an Ecken und Kanten fehlt. Man will Herr und Frau Schweizer ja nicht auf die Füsse treten, denn man muss doch möglichst allen gefallen. Diesen Anspruch pflege ich in keinster Weise und nur so kann doch erst spannendes entstehen.
Anfang Jahr hast Du den Swiss Music Award als «Best Talent» gewonnen – was bedeuten dir solche Auszeichnungen?
Awards sind ganz schön cool, um die Bekanntheit anzukurbeln, denn plötzlich wird man von neuen Leuten entdeckt und gehört. Sicherlich ist es ehrenhaft wenn man ausgezeichnet wird aber ich glaube, dass authentische Kunstschaffende nicht darauf hineifern, möglichst viele Preise zu gewinnen, das würde alles kaputt machen.
Wenn man Artikel über dich liest, die dich als Person beschreiben wollen, dann kommen zum Beispiel Sachen wie «aus der Zeit gefallen» oder «der berühmteste Mittelscheitel der Schweiz» – wie siehst du dich selber?
Das Mittescheitel-Dings bläst wieder ins selbe Horn mit den Ecken und Kanten. Sieht eigentlich ziemlich ulkig aus, doch es bleibt. Medial wurde es fast schon zelebriert. Was man nicht alles mit einer Haarpracht bewegen kann. Für mich ist eine Frisur wie jede andere, die halt einfach stark an die 90er angelehnt ist.
Du bist im St. Galler Rheintal aufgewachsen und lebst heute in Zürich – wenn man ein Cliché bedienen möchte, heisst es, die Rheintaler seien ein eigenes Völkchen. Wie sagst du zu solchen Aussagen und was bedeutet dir das Rheintal?
Da ist schon was dran an dieser Generalisierung. Man ist bodenständig, urchig konservativ und liebt die Festerei im Rheintal. Aber künstlerisch hat man dort nicht gerade viel Optionen, um etwas zu reissen. Es gibt kaum mehr Auftrittsmöglichkeiten und so lernt man schnell, dass man sich nach Aussen orientieren muss. Nichtsdestotrotz spüre ich einen extremen Rückhalt aus dem Rheintal und das ist doch erstaunlich, wenn man mein Schaffen betrachtet. Am Open Air St. Gallen hörte ich beim Geländegang auch immer wieder im hiesigen Dialekt: Kraimr, bisch en geile Siech! Schon ziemlich geil.
Wieviel Rheintaler bist du heute noch?
Im Rheintal gibt es so Leute wie mich und eben auch andere. Ist doch völlig Wurscht woher man kommt.
Was fasziniert dich an den 80er-Jahren und dem 80er-Pop?
In den 80ern wurde mit der grossen Kelle angerührt. Pomopöse Kitsch-Songs mit der richtigen Note an Ernsthaftigkeit wurden geschaffen. Eine unwiderstehliche Kombination. Zudem bin ich ein Fan von Synthesizer-Klängen.
Deine Musik hat manchmal auch einen Schuss Melancholie – ist das nur musikalisch oder gehört dieser Teil auch sonst etwas zu dir?
Ich bin eigentlich stets aufgestellt und gut drauf, aber wer mich gut kennt, weiss dass es mir schwer fällt Emotionslagen nach Aussen zu tragen. Das passiert dann in meinen Songs. Eine Art emotionaler Nachhilfebedarf.
Eine der grössten und authentischsten Popbands der heutigen Zeit spielte ebenfalls am diesjährigen Open Air St. Gallen – Depeche Mode. Haben sie dich und deine Musik geprägt ?
Ich habe Depeche Mode viel zu spät entdeckt, dass sie mich so stark hätten beeinflussen können. Viel mehr waren das Gruppen aus meiner Jugend. Zum Beispiel habe ich begonnen, in tiefen Lagen zu singen, als ich Songs von der New Yorker Band The Strokes gecovert habe. Da habe ich gemerkt, dass mir das sehr gut liegt. Aber klar, Depeche Mode ist eine grandiose Band die über die Jahre eine unvergleichbare Qualitätskonstanz bewiesen hat, sehr bewundernswert. Ihr Gig war grandios, Hits pur. Trotzdem verstehe ich nicht warum sie mit einem Live-Drummer spielen, wenn doch alle Samples digitaler Natur sind.
Du arbeitest neben der Musik in einer Werbeagentur – andere junge Künstler setzen ganz auf die Karte Musik. Ist das keine Option für dich?
Das schliesse ich ja nicht aus. Momentan arbeite ich 40%, das ist also mein Nebenjob. Irgendwann wird das nicht mehr möglich sein, es ist nur eine Frage der Zeit.
Aus deinem Ursprungs-Künstlername Batman wurde Crimer – bist du privat ein Comicfan oder wie entstand der Name und was möchtest du damit ausdrücken?
Ich habe als jugendlicher immer Wolverine Comics gekauft und irgendwann japanische Mangas entdeckt. Ich feiere die Comic-Kunst. Das mit Batman ist aber eher aus einem Gag heraus entstanden. Ich fand es ziemlich lustig, sich Batman zu nennen, wenn man äusserlich ja kaum etwas mit der Figur gemein hat.
Ein Highlight aus Ostschweizer Sicht am diesjährigen Open Air St. Gallen war der Rheintaler Crimer alias Alexander Frei. (Bild: CRIMER)
Tanja Millius (*1971) ist eine Ostschweizer Redaktorin.
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