George Clooney und Co. schreiten über den roten Teppich. Dank den Filmfestspielen herrscht Glamour in Venedig. SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel war kürzlich in der Lagunenstadt, wo er früher arbeitete. Jetzt übt er Kritik am Auftritt der Schweizer Kulturorganisation Pro Helvetia.
Roland Rino Büchel, Sie greifen in einem «Weltwoche»-Artikel die Kulturorganisation Pro Helvetia scharf an. Wieso?
Roland Rino Büchel: Für mich macht die Schweiz in Venedig keine gute Falle.
Weshalb?
Ich werde grundsätzlich hellhörig, wenn Steuermillionen zu locker ausgegeben werden. Doch ich gebe gerne zu: Die Stadt zieht mich seit mehr als 30 Jahren in ihren Bann. Es geht auch um Emotionen.
Schweifen wir kurz ab: Venedig und seine Lagune sind seit 1987 Unesco-Weltkulturerbe.
Grund dafür sind die Einzigartigkeit des historischen, archäologischen, städtischen, architektonischen, künstlerischen und kulturellen Erbes – und das als Teil einer aussergewöhnlichen Landschaft und Natur. Jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht allzu stark ins Schwärmen gerate.
Woher kommt Ihre Faszination für Venedig?
Ich arbeitete im Jahr 1989 auf dem dortigen Schweizer Konsulat. Damals beliebten die Kapitäne der «Vaporetti», diese Boote sind so etwas wie die öV-Busse der Lagunenstadt, mehr zu streiken als zu fahren.
In Venedig kommt man auch zu Fuss voran.
Ich hatte keine andere Wahl. Dafür kannte ich fast jeden Winkel der Stadt. Und vom Büro aus hatte ich einen herrlichen Blick auf den grössten Kanal, den Canale Giudecca.
Ist das nicht der Kanal, durch den die Kreuzfahrtschiffe fahren, bevor sie im Hafen anlegen?
Damals war es so. Im Büro wurde es jeweils minutenlang dunkel, wenn die Riesenkähne vorbeifuhren.
Zurück zum eigentlichen Thema: Sie schreiben, dass unser Staat immer mehr für einen kleinen Kreis von Bevorrechteten da sei. Der normale Bürger käme nur noch an zweiter Stelle. Ist das nicht übertrieben?
Nein. Am Beispiel Pro Helvetia und Venedig kann man das gut zeigen. Da wird «Kulturschaffenden» entweder eine dreimonatige oder eine vierwöchige Residenz angeboten. Gedeckt werden die Kosten für die Unterkunft im Palazzo Trevisan degli Ulivi, eine Tagespauschale sowie die Reisespesen.
Das tönt tatsächlich attraktiv.
Und es ist noch nicht alles. Dazu bekommen die Glücklichen gemäss Ausschreibung von Pro Helvetia bis zu 3000 Franken Cash und eine Unterstützung von «einheimischen Coaches und Beratern». Zusätzlich kann man eine Tausendernote pro Monat für die Kinderbetreuung abholen.
Welche Voraussetzungen müssen die Bewerber für so einen Aufenthalt erfüllen?
Hoch scheinen die Anforderungen nicht zu sein. In Sachen Sprachen genügt es, wenn die Leute aus dem Kulturkuchen ein bisschen Englisch können. Italienisch oder gar die lokale Sprache, die «léngua vèneta», müssen sie weder sprechen noch verstehen. Unter solchen Voraussetzungen kann kein tauglicher Kulturaustausch stattfinden.
Sie schreiben auch, dass «hochsubventionierte Hochwohlgeborene aus Helvetien» mit der Hilfe von Pro Helvetia die lokale Bevölkerung aus ihrer Stadt vertreiben würden.
Ich gebe zu, dass das ein bisschen «knackig» formuliert war… Gleichwohl: Als ich auf dem Konsulat arbeitete, spielte ich in einer Firmenmeisterschaft Fussball. Die meisten meiner Teamkollegen waren normale Berufsleute. Sie haben die Stadt zwischenzeitlich verlassen müssen, auch wegen staatlich finanzierter Luxusaufenthalter aus aller Welt, die zahlreiche Wohnungen blockieren. So wird der Austausch nicht gefördert; er wird gehemmt.
Sie kritisieren im Artikel auch, dass die «quasioffizielle» Schweiz respektlos mit Venedig umgehe.
Das manifestiert sich, für alle sichtbar, an den Jalousien des Gebäudes.
An den Jalousien?
Diese baumeln vor den Fenstern des «Palazzo degli Ulivi» wie diejenigen einer verlotterten Hütte irgendwo in der Pampa. Der Palazzo soll ein Zentrum der Schweizer Kultur in Venedig sein. Da erwarte ich einen anständigen Auftritt und echte Wertschätzung für die Menschen, bei denen man zu Gast ist.
Haben Sie das der Pro Helvetia mitgeteilt?
Ich bin mit Philippe Bischof, dem Direktor der Kulturstiftung, in Kontakt und werde ihn anlässlich der kommenden Herbstsession in Bern treffen.
Es sei an der Zeit, das _«_Tun der Pro Helvetia genauer unter die Lupe zu nehmen», ist das Fazit aus Ihrem «Weltwoche»-Artikel. Wie meinen Sie das?
Das eidgenössische Parlament war in den letzten Jahren in vielen Bereichen zu freigiebig. Bei der nächsten Budgetdebatte wird es verschiedene Kürzungen geben müssen. Andernfalls geraten die Finanzen des Bundes aus dem Lot.
So weit wie der Stadtrat der englischen Millionenstadt Birmingham wollen Sie aber nicht gehen?
Warum? Wie weit gehen sie dort? Jetzt stelle plötzlich ich die Fragen (lacht).
Dort wurden alle nicht elementaren Ausgaben gestoppt.
So weit müssen wir bei uns nicht gehen. Aber Pro Helvetia agiert im «Nice-to-have»-Bereich des staatlichen Handelns. Wenn es finanziell eng wird, muss man sich dort einschränken – und nicht bei den wichtigen öffentlichen Aufgaben.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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