Vom Toggenburg über Amsterdam und New York führt sein Weg zurück in die Ostschweiz: Rafael Enzler. Seit gestern Donnerstag ist er neuer Präsident von St.Gallen-Bodensee Tourismus. Sein Vorgänger Andreas Deuber hatte im Frühling vorzeitig das Handtuch geworfen.
Rafael Enzler, herzlichen Glückwunsch zur Wahl als Präsident von St.Gallen-Bodensee Tourismus. Was hat Sie dazu bewogen, sich für dieses Amt zu bewerben?
Tourismus ist und bleibt meine Leidenschaft. Ich bin erfreut, dass meine beruflichen Stationen mich vom Toggenburg über Amsterdam und New York nun zurück in die Ostschweiz geführt haben. Während all dieser Zeit hatte ich stets eine enge Verbindung zu St. Gallen. Jetzt schliesst sich der Kreis.
Welches sind Ihre anderen Tätigkeiten?
Mit der Firma Gutundgut GmbH entwickeln wir Tourismusprojekte auf nationaler und internationaler Ebene, und ich bin massgeblich in operative Aufgaben involviert. Daher ist es für mich äusserst interessant, für St.Gallen-Bodensee Tourismus auf strategischer Ebene Verantwortung zu übernehmen.
Wie schätzen Sie die Region St.Gallen als Feriendestination ein?
Die Tourismusregion St.Gallen-Bodensee hat in den letzten Jahren eine beeindruckende Dynamik erlebt. Neue Hotel- und Gastronomieangebote beleben die Region, die Kultur-, Museums- und Theaterszene ist im Wandel, die Universität geniesst internationale Anerkennung, die neue OLMA-Halle eröffnet neue Perspektiven im Veranstaltungs-, Kongress- und Messebereich, und der FC St.Gallen wird sicherlich bald europäisch spielen. Was könnte man sich mehr wünschen? Ich freue mich darauf, all diese Trümpfe gemeinsam mit dem gesamten Team von St.Gallen-Bodensee Tourismus auszuspielen.
Ihr Vorgänger Andreas Deuber, wie Sie ein ausgewiesener Tourismusprofi, hat als Präsident aufgrund der «unterschiedlichen Vorstellung zur Führung der Geschäftsstelle», wie es hiess, vorzeitig das Handtuch geworfen. Details dazu sind nicht bekannt. Schreckt Sie diese Vorgeschichte nicht etwas?
Nein, das schreckt mich keineswegs ab. Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind gut festgelegt. Gemeinsam mit dem Vorstand werde ich mich auf die strategische Führung der Organisation konzentrieren, wobei die neue Strategie als Leitfaden dient. Natürlich stehe ich auch in meiner Rolle als Sparringpartner gerne zur Verfügung, um meine langjährige Erfahrung im Tourismus bei Bedarf in die Geschäftsstelle einzubringen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dadurch unsere gemeinsamen Stärken bestmöglich nutzen können.
Die neue Strategie für die Destination St.Gallen-Bodensee wurde im vergangenen Jahr verabschiedet. Das heisst, Sie betreten klar vorgespurte Wege. Bleibt da für Sie noch genügend Gestaltungsspielraum?
Ich betrachte die Strategie als einen Rahmen, der uns Orientierung bietet. Jetzt ist es an der Zeit, diese durch konkrete Massnahmen in die Tat umzusetzen. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass wir in einer sich rasch verändernden Zeit leben. Die Ausgangslage kann sich im Tourismus sogar von Tag zu Tag ändern, wie uns die Erfahrungen mit Corona gezeigt haben. In Anbetracht dessen sollten wir uns als agile Organisation darauf einstellen, unsere Ziele und Prioritäten kontinuierlich zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Dies wird uns allen ein gewisses Mass an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit abverlangen.
Sie sind vermutlich der erste Präsident in der 132-jährigen Geschichte des Vereins, der nicht im Destinationsgebiet wohnhaft ist. Nachteil oder eventuell sogar Vorteil?
Dank meiner Erfahrungen als Märkteleiter für Benelux und Nordamerika bei Schweiz Tourismus weiss ich, wie wertvoll ein externer Blickwechsel sein kann. Gleichzeitig werde ich mich in Zukunft vermehrt in St.Gallen aufhalten, da es mir besonders am Herzen liegt, das lokale Netzwerk persönlich zu pflegen. Dieser Aspekt meiner neuen Aufgabe bereitet mir besonders grosse Vorfreude.
Die Tourismusverantwortlichen blicken auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurück. Insbesondere der Incoming-Tourismus aus Nordamerika scheint zu boomen. Bei welchen Gästegruppen sehen Sie noch Entwicklungspotenzial, wo ist noch Luft nach oben?
Es war erfreulich zu beobachten, dass während der Coronapandemie ein wachsendes Interesse von Gästen aus der Romandie zu verzeichnen war. Diese Gästegruppe langfristig zu binden, ist von grosser Bedeutung. Ebenso erkenne ich im MICE- und Kulturbereich Potenziale durch die Einführung neuer Angebote. Im Sinne eines nachhaltigen Tourismus ist es mir besonders wichtig, St.Gallen-Bodensee verstärkt als ganzjährige Destination auf der touristischen Landkarte zu etablieren.
«Overtourism» nimmt in letzter Zeit an bestimmten Orten immer mehr überhand. Auch in der Schweiz sind bereits einzelne «Hotspots» wie Luzern, Iseltwald oder in der Ostschweiz der Äscher davon betroffen. Ist es für Sie denkbar, dass mittelfristig auch St.Gallen und die Stiftsbibliothek mit diesem Problem zu kämpfen haben?
Nachhaltiger Tourismus harmoniert mit den Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung und trägt zur Entwicklung des Lebensraums bei. Derzeit verfolgt St.Gallen in dieser Hinsicht einen positiven Kurs. Dennoch ist es wichtig, potenzielle Konfliktsituationen frühzeitig zu identifizieren, um bei Bedarf rechtzeitig angemessene Massnahmen ergreifen zu können.
Das ebenfalls zum Destinationsgebiet gehörende Rorschach oder das Rheintal fühlten sich in der Vergangenheit ab und zu gegenüber der Stadt St.Gallen etwas vernachlässigt. Welche Massnahmen könnten Sie sich vorstellen, um diese Wahrnehmung zu verbessern? Wo sehen Sie insbesondere Chancen für die Seeregion und das Rheintal?
Kürzlich hatte ich das Vergnügen, eine Gruppe von Winzern aus dem Luzerner Seetal zu begleiten, die die verschiedenen Wein- und Kulturerlebnisse im St.Galler Rheintal erkundeten. Die beeindruckende Vielfalt hat sie alle positiv überrascht, und das Angebot ist von höchster Qualität. Darüber hinaus bieten die Aktivitäten auf und entlang des Wassers, vom Alten Rhein bis nach Rorschach, eine einladende Atmosphäre und sind besonders attraktiv für Familien. Diese bereichern das Gesamtangebot der Destination St.Gallen-Bodensee und der gesamten Bodensee-Region erheblich. Die gesamte Gegend kann daher mit grossem Selbstbewusstsein auftreten.
(Bilder: Astrid Nakhostin)
Astrid Nakhostin (1959), freischaffende Journalistin, hat Betriebswirtschaftslehre studiert und war 26 Jahre lang als Marketingleiterin bei St.Gallen-Bodensee Tourismus tätig. Die letzten fünf Jahre gehörte sie dem Redaktionsteam des Swissregio Media Verlags an, zuletzt als Redaktionsleiterin der Bodensee Nachrichten.
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