20 Jahre lang wirkte die Spitzenköchin Vreni Giger in St.Gallen. Seit Herbst 2016 ist sie in Zürich tätig - und holte dort bereits einen Michelin-Stern. Was will sie noch erreichen?
Seit Herbst vergangenen Jahres prangt der begehrte Michelin-Stern beim Eingang des Restaurants Gourmet by Vreni Giger. Der Mut der Spitzenköchin, unbekanntes Terrain zu betreten, ist demnach belohnt worden. Das erfüllt sie mit Stolz und entsprechend wohl fühlt sie sich in ihrer neuen Umgebung. Den Stern, diese wichtige Auszeichnung, konnte Vreni Giger schon nach rund einem Jahr Aufbauarbeit als Betriebsleiterin im Sorell Hotel Rigiblick einheimsen.
Zuvor war sie bekanntlich zwanzig Jahre Küchenchefin und zuletzt Eigentümerin des St.Galler «Jägerhofs». Dort hat sie die Zelte definitiv abgebrochen, denn die energische Appenzellerin verkaufte das Restaurant an einen Investor und empfahl ihren bisherigen Sous-Chef als Nachfolger. Nun, als Mitarbeitende der ZFV-Unternehmungen/Hotel Rigiblick hoch über Zürich, ist der tägliche Arbeitsaufwand nicht kleiner geworden. Im Gegenteil: «Die Tage sind eher länger als früher», sagt die engagierte Gastgeberin. Nun führt sie mit dem «Bistro» und mit dem «Gourmet» im Obergeschoss gleich zwei Betriebe mit einer Küchenbrigade von insgesamt zehn Mitarbeitenden. Beide Restaurants verfügen über attraktive Terrassen mit Aussicht auf Stadt, See und Berge. Das sorgt bei schönem Wetter besonders im «Bistro» mit rund 120 Aussenplätzen für starke Frequenzen. Zum Glück, darf man sagen, denn manche Lokale ohne Aussenbereiche erleiden in den Sommermonaten empfindliche Einbussen.
Hohe Ansprüche
Was die Kundschaft im «Gourmet» mit 40 Innen- und 40 Aussenplätzen betrifft, kann Vreni Giger kaum einen Unterschied zu St.Gallen feststellen. Auch Zürcher Gäste seien sehr anspruchsvoll. Bloss: Mit der Präsenz der im Grossraum Zürich ansässigen Firmen und Institutionen sei die Kundschaft eine Spur internationaler geworden. Und: Die Konkurrenz sei in Zürich spürbar grösser als in St.Gallen, führt sie weiter aus.
Ihre klare Haltung, ihr Engagement für nachhaltige Produkte wurde schon früh belohnt, als sie 2003 als Gault-Millau-Köchin des Jahres geehrt und ein Jahr später mit 17 Punkten ausgezeichnet wurde. Seither gehört sie in der Schweiz zu den höchst ausgezeichneten Frauen am Herd.
Möglichst regional
Ein Blick auf die Karte mit Zutaten wie Fleisch vom Biohof, Fisch aus heimischen Gewässern, Brunnenkresse aus Wynau und Belper Knolle zeigt: Ihren Grundsätzen will Vreni Giger auch in Zürich treu bleiben: Möglichst regional, Bio, viel Vegetarisches. Gleichzeitig ist sie Befürworterin des Fleischkonsums aus einwandfreier Haltung und gilt hierzulande als Pionierin der Nachhaltigkeit. Doch vor über 20 Jahren, als Vreni Giger den «Jägerhof» als Küchenchefin übernahm, galt sie noch als Aussenseiterin. Ihre Bemühungen, abwechslungsreiche, vegetarische Kost auf höchstem Niveau aufzutischen, wurde damals von manchen Beobachtern nicht ernst genommen.
Sie erhielt in der Folge durchwegs positive Reaktionen von dankbaren Gästen, die sich bewusst gegen den Fleischkonsum allgemein stellten. Dazu Vreni Giger:«Damals wie heute: Ich bereite vegetarische Menus mit der genau gleichen Sorgfalt zu wie alle übrigen Gerichte. Interessanterweise habe ich schon im 'Jägerhof' auch von kritischen Fleischkonsumenten Unterstützung erhalten. Nämlich von jenen, die meine Absicht unterstützen, möglichst Biofleisch zu servieren.» Muss sie heute in Sachen Bioprodukte Kompromisse eingehen? Das verneint sie, aber: «Ich habe meine Haltung geändert und stelle den regionalen Aspekt über die Bio-Produktion. So verzichte ich beim Einkauf beispielsweise auf Bio-Spargel aus dem Ausland und kaufe eher beim lokalen Produzenten, auch wenn die Bio-Knospe fehlt.» Wer beispielsweise Bio-Produkte aus Ungarn auftische, müsse sich berechtigterweise kritische Fragen bezüglich Transport und Frische gefallen lassen. Vegane Kost gibts im «Rigiblick» übrigens nur auf Vorbestellung. «Als Bauerntochter bin ich mit Milch, Rahm, Ei und Butter aufgewachsen. Die Verwendung dieser Produkte ist für mich die natürlichste Sache der Welt. Es widerstrebt mir, beispielsweise statt Kuhmilch ein Sojaprodukt für ein veganes Gericht zu verwenden. Aber vielleicht ändere ich diese Meinung noch mal», sagt Vreni Giger.
Luft nach oben
Zurück zur Konkurrenzsituation: Pop-ups und «Bistronomie» halten in Metropolen wie Paris und Berlin Einzug. So auch in Zürich. «Junge Wilde», talentierte Nachwuchskräfte, machen mit unkonventioneller und sehr kreativer Küche Furore, oftmals in eher einfachem Rahmen, etwa in Quartierrestaurants oder gar in ehemaligen Handwerksschuppen.
Vreni Giger lässt sich dadurch nicht beirren. Sie vertraut auf ihren gradlinigen Stil, ihr solides handwerkliches Können und ihre Bereitschaft, neue Geschmacksnuancen zu entdecken. Als «Komplexität des Einfachen und Exotik des Gewöhnlichen» hat es etwa ein Tester beschrieben. Wo sieht sie sich in drei Jahren – strebt sie den zweiten Michelin-Stern an? Konkret will sie in dieser Sache nicht werden. Doch diese Aussage ist ihr immerhin zu entlocken: «Ja, ich stehe dazu, ich bin ehrgeizig.»
Über Vreni Giger
Vreni Giger (45) erlernte das Küchenhandwerk in der Linde Teufen und wechselte anschliessend in Turi Maags «Blumenau» in Lömmenschwil. Maag habe sie entscheidend beeinflusst, sagt Vreni Giger zurückblickend. Es folgten Engagements in der «Eichmühle» Wädenswil,in der «Sonne» Urnäsch und in Jöhris «Talvo» in Champfèr/St.Moritz. 1996 trat sie die Stelle als Sous-Chef im «Jägerhof» St.Gallen an. Ein Jahr später amtete sie bereits als Küchenchefin und wurde später Eigentümerin des Betriebs. Nach dem Verkauf der Liegenschaft Jägerhof im Jahr 2016 erfolgte der Schritt nach Zürich. Seitdem wirkt sie Betriebsleiterin und Gastgeberin im Sorell Hotel/Restaurant Rigiblick Zürich.
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Christian Meyer (*1947) ist Betriebswirtschafter FH und seit 1998 als freier Journalist tätig. Er schreibt für verschiedene Medien über Foodtrends, Gastronomie, Reisen, Lifestyle und Gesellschaft. Christian Meyer lebt in Zürich.
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