Die Raiffeisengruppe will Notenstein La Roche angeblich verkauft haben, weil ein gutes Angebot auf dem Tisch lag. Das ist höchstens auf den ersten Blick so.
Die Milchbuchrechnung ist einfach. 577 Millionen Franken hat die Raiffeisengruppe für den Kauf der damaligen Privatbank Wegelin bezahlt. Die inzwischen zu Notenstein (und später Notenstein La Roche) umbenannte Bank hat sie nun für 700 Millionen Franken an die Bank Vontobel veräussert. Macht 123 Millionen Franken Gewinn.
Dass das nicht so einfach ist, liegt auf der Hand. Zum einen ist in den Jahren seit 2012, als Raiffeisen der Käufer war, ja auch gewirtschaftet worden, und diese Zahlen - im negativen wie im positiven Sinn - gehören auch in die Berechnung, wenn es darum geht, wie der Verkäufer abschneidet. Viel entscheidender sind aber die Folgekosten, die seit der Übernahme aufgekommen sind.
Notenstein hat 2015 die Privatbank La Roche gekauft - Kaufpreis unbekannt. Bei Notenstein La Roche wurde zudem das aufwändige Kernbankensystem Avaloq aufgebaut und eingeführt. Die Projektkosten inklusive aller nötigen Anpassungen der Prozesse dürften eine Stange Geld gekostet haben. Und schliesslich wurde Notenstein La Roche einer generellen Rosskur unterworfen, um die Bank für die Zukunft fit zu trimmen - eine Zukunft, die sie nun nicht mehr hat. Auch das war Aufwand, der irgendwo in den Bilanzen steckt.
Vier Angebote für Notenstein La Roche habe man erhalten, sagt Raiffeisen-Chef Patrick Gisel. Und man habe bei Vontobel zugeschlagen, weil es ein sehr gutes Angebot gewesen sei. Bekommen hat man dieses demnach im Februar. Wir schreiben Mai. Ein Deal dieser Grössenordnung geht innerhalb von rund drei Monaten über den Tisch? Hätte der Verkäufer tatsächlich die freie Wahl gehabt, wäre es kaum so schnell gegangen. Und Vontobel hätte das Angebot während der Verhandlungen vermutlich noch einige Male nachbessern müssen. Die Vorgeschichte und das Tempo des Deals weisen eher darauf hin, dass die Raiffeisengruppe ihr Sorgenkind mit sehr viel Erleichterung an neue Pflegeeltern abgeschoben hat. Das ist ja keineswegs eine Schande. Aber dass der Verkauf im besten Marketingdeutsch als gute Gelegenheit ausgegeben wird, bei der man einfach nicht widerstehen konnte, ist störend. Und es bringt einen weiteren Punkt auf, der in die Schlussabrechnung des Deals einfliessen müsste: Der mögliche Imageschaden aus dem Fall Notenstein La Roche für die Raiffeisengruppe. Denn was beim Kauf versprochen wurde, das wurde nicht eingelöst. Und wenn wir ehrlich sind, müssen wir festhalten: Die Kombination Raiffeisen-Wegelin hat irgendwie sowieso nie gepasst, wie schon damals eine Twitterin meinte....
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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