logo

Ruedi Szabo

Ostschweizer Ex-Häftling engagiert sich in der Delikt-Prävention

Als Unteroffizier hatte der gebürtige Wiler Ruedi Szabo in der Armee den Umgang mit Waffen gelernt. Als er als Bauunternehmer in eine private und geschäftliche Krise schlidderte, wandte er seine Kenntnisse an - am falschen Ort.

Adrian Zeller am 30. Oktober 2023

Mit Mittätern hatte Szabo sieben bewaffnete Raubzüge auf verschiedene Bank- und Postfilialen in den Kantonen Zürich und St.Gallen verübt. Auslöser für die Deliktserie war sein privates und geschäftliches Fiasko: Im November 1995 hatte er nach Eheproblemen die Scheidung eingereicht. Darauf machte seine Frau für sich und die fünf Kinder einen beträchtlichen finanziellen Unterhaltsbedarf geltend.

Gleichzeitig wollten die Banken seine Baufirma mit keinen zusätzlichen Krediten weiterfinanzieren. Der Unternehmer musste Entlassungen aussprechen. «In so einer Situation baut man gewisse Feindbilder auf», erinnert er sich. Ins Visier gerieten die Geldinstitute, die er für seine prekäre Situation verantwortlich machte.

Lange U-Haft

Am 14. Februar 1996 klickten die Handschellen. Szabo wanderte während der Untersuchungsphase für eineinhalb Jahre in Isolationshaft. Das Gericht verurteilte ihn schliesslich zu einer Gefängnisstrafe von neun Jahren, die er in der Strafanstalt Saxerriet verbüsste.

«Ich hatte das Glück, dass ich damals im Strafvollzug auf die richtigen Personen getroffen bin», erzählt der heute 64-Jährige. Konkret waren dies der Gefängnisseelsorger, die Therapeutin sowie der Gefängnissozialarbeiter. Durch sie kam er zur Einsicht, dass niemand ausser ihm für seine Verbrechen verantwortlich ist.

Umdenken anregen

Aus seinen gewonnen Einsichten wollte er zur Verhinderung von Delikten beitragen. Zusammen mit dem Sozialarbeiter der Strafanstalt besuchte Szabo verschiedene Schulklassen. Er versuchte den Jugendlichen an seinem Beispiel aufzuzeigen, welcher Irrweg Gewalt als Mittel zur Lösung von Konflikten ist.

Sein aufklärerisches Engagement hat er bis heute beibehalten, er hält unter anderem Vorträge. Und mit seinem autobiografischen Buch mit dem Titel: «Knallhart durchgezogen. Mein Leben zwischen Bankraub, Knast und der Suche nach Frieden» möchte er Straftäter ermutigen, eine veränderte Perspektive auf ihre Situation einzunehmen. «In den Gefängnissen herrscht sehr viel Hass, beispielweise auf die Justiz oder die auf Polizei», weiss er aus eigener Erfahrung. Dieser innere Mechanismus von Schuldzuweisungen müsse von den Kriminellen selber aufgebrochen werden, um so in ihrem Leben eine positive Wende zu schaffen.

Bei Auseinandersetzungen schlichten

Szabo glaubt, dass er mit seinem Beispiel Deliktsgefährdete zu einem Perspektivenwechsel bewegen kann. Dies ist seiner Erfahrung nach der wirkungsvollste Weg, um Straftaten vorzubeugen.

Seine eigene kriminelle Vergangenheit verleiht ihm gemäss seinen Aussagen bei seinem aktuellen Zielpublikum eine hohe Glaubwürdigkeit: In Basel steht der Ostschweizer in einer Teilzeitanstellung bei einer diakonischen Sozialeinrichtung als Streetworker, Ranger genannt, im Einsatz. Dabei wirkt er einerseits wirkt an sozialen Brennpunkten bei Auseinandersetzungen zwischen Drogenabhängigen, Betrunkenen und Migranten deeskalierend. Zum anderen leisten er und seine Ranger-Kollegen medizinische Erstversorgung bei Verletzungen, etwa nach Schlägereien. «Viele Betroffene haben eine grosse Hemmschwelle zum Arzt oder ins Spital zu gehen, da dann die Polizei beigezogen werden könnte.»

Der Körperkontakt aus medizinischen Gründen eröffnet Szabo oft einen persönlichen Zugang zu den Migranten und zu Randständigen. Nach der Kontaktnahme verhelfen er und seine Kollegen ihnen bei Bedarf zu weiteren medizinischen Behandlungen und unterstützen sie beim Ausfüllen von Formularen und von Anträgen an die entsprechenden Ämter.

Pläne für mobilen Service

Zusätzlich engagiert sich Szabo im Flawiler Verein EinFach, der Menschen in psychischen Nöten und in Lebenskrisen coacht. Er und seine Kollegen unterstützen die Ratsuchenden bei der beruflichen Wiedereingliederung.

Der 64-Jährige denkt derzeit über einen künftigen Service nach, in dem er mit weiteren Fachpersonen in einem Wohnmobil niederschwellige Beratungs- und Vermittlungsgespräche führen wollen.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Adrian Zeller

Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.