Als Unteroffizier hatte der gebürtige Wiler Ruedi Szabo in der Armee den Umgang mit Waffen gelernt. Als er als Bauunternehmer in eine private und geschäftliche Krise schlidderte, wandte er seine Kenntnisse an - am falschen Ort.
Mit Mittätern hatte Szabo sieben bewaffnete Raubzüge auf verschiedene Bank- und Postfilialen in den Kantonen Zürich und St.Gallen verübt. Auslöser für die Deliktserie war sein privates und geschäftliches Fiasko: Im November 1995 hatte er nach Eheproblemen die Scheidung eingereicht. Darauf machte seine Frau für sich und die fünf Kinder einen beträchtlichen finanziellen Unterhaltsbedarf geltend.
Gleichzeitig wollten die Banken seine Baufirma mit keinen zusätzlichen Krediten weiterfinanzieren. Der Unternehmer musste Entlassungen aussprechen. «In so einer Situation baut man gewisse Feindbilder auf», erinnert er sich. Ins Visier gerieten die Geldinstitute, die er für seine prekäre Situation verantwortlich machte.
Lange U-Haft
Am 14. Februar 1996 klickten die Handschellen. Szabo wanderte während der Untersuchungsphase für eineinhalb Jahre in Isolationshaft. Das Gericht verurteilte ihn schliesslich zu einer Gefängnisstrafe von neun Jahren, die er in der Strafanstalt Saxerriet verbüsste.
«Ich hatte das Glück, dass ich damals im Strafvollzug auf die richtigen Personen getroffen bin», erzählt der heute 64-Jährige. Konkret waren dies der Gefängnisseelsorger, die Therapeutin sowie der Gefängnissozialarbeiter. Durch sie kam er zur Einsicht, dass niemand ausser ihm für seine Verbrechen verantwortlich ist.
Umdenken anregen
Aus seinen gewonnen Einsichten wollte er zur Verhinderung von Delikten beitragen. Zusammen mit dem Sozialarbeiter der Strafanstalt besuchte Szabo verschiedene Schulklassen. Er versuchte den Jugendlichen an seinem Beispiel aufzuzeigen, welcher Irrweg Gewalt als Mittel zur Lösung von Konflikten ist.
Sein aufklärerisches Engagement hat er bis heute beibehalten, er hält unter anderem Vorträge. Und mit seinem autobiografischen Buch mit dem Titel: «Knallhart durchgezogen. Mein Leben zwischen Bankraub, Knast und der Suche nach Frieden» möchte er Straftäter ermutigen, eine veränderte Perspektive auf ihre Situation einzunehmen. «In den Gefängnissen herrscht sehr viel Hass, beispielweise auf die Justiz oder die auf Polizei», weiss er aus eigener Erfahrung. Dieser innere Mechanismus von Schuldzuweisungen müsse von den Kriminellen selber aufgebrochen werden, um so in ihrem Leben eine positive Wende zu schaffen.
Bei Auseinandersetzungen schlichten
Szabo glaubt, dass er mit seinem Beispiel Deliktsgefährdete zu einem Perspektivenwechsel bewegen kann. Dies ist seiner Erfahrung nach der wirkungsvollste Weg, um Straftaten vorzubeugen.
Seine eigene kriminelle Vergangenheit verleiht ihm gemäss seinen Aussagen bei seinem aktuellen Zielpublikum eine hohe Glaubwürdigkeit: In Basel steht der Ostschweizer in einer Teilzeitanstellung bei einer diakonischen Sozialeinrichtung als Streetworker, Ranger genannt, im Einsatz. Dabei wirkt er einerseits wirkt an sozialen Brennpunkten bei Auseinandersetzungen zwischen Drogenabhängigen, Betrunkenen und Migranten deeskalierend. Zum anderen leisten er und seine Ranger-Kollegen medizinische Erstversorgung bei Verletzungen, etwa nach Schlägereien. «Viele Betroffene haben eine grosse Hemmschwelle zum Arzt oder ins Spital zu gehen, da dann die Polizei beigezogen werden könnte.»
Der Körperkontakt aus medizinischen Gründen eröffnet Szabo oft einen persönlichen Zugang zu den Migranten und zu Randständigen. Nach der Kontaktnahme verhelfen er und seine Kollegen ihnen bei Bedarf zu weiteren medizinischen Behandlungen und unterstützen sie beim Ausfüllen von Formularen und von Anträgen an die entsprechenden Ämter.
Pläne für mobilen Service
Zusätzlich engagiert sich Szabo im Flawiler Verein EinFach, der Menschen in psychischen Nöten und in Lebenskrisen coacht. Er und seine Kollegen unterstützen die Ratsuchenden bei der beruflichen Wiedereingliederung.
Der 64-Jährige denkt derzeit über einen künftigen Service nach, in dem er mit weiteren Fachpersonen in einem Wohnmobil niederschwellige Beratungs- und Vermittlungsgespräche führen wollen.
Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.
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