Nun muss sich auch der St.Galler Stadtrat mit der Mumie von Schepenese beschäftigen. Mit einer schriftlichen Interpellation fordert Peter Olibet konkrete Antworten. Das Ziel ist klar: Die Mumie gehört nicht hierher und soll rückgeführt werden.
Der St.Galler Stadtparlamentarier und Co-Präsident der SP Stadt St.Gallen, Peter Olibet, hat gestern eine schriftliche Interpellation eingereicht. Er und die 18 Mitunterzeichnenden wollen vom Stadtrat wissen, wie er sich zur «St.Galler Erklärung für Schepenese» sowie zum Ort und der Art der Präsentation der Mumie aus dem alten Ägypten positioniert.
Zur Erinnerung: Am 17. November lancierten der Regisseur Milo Rau, die Ägyptologin Monica Hanna, der Theologe Rolf Bossart und die Filmemacherin Rabelle Erian gemeinsam mit 100 Erstunterzeichnenden die «St.Galler Erklärung für Schepenese». Sie zogen in einem Umzug einen Leiterwagen mit einer verhüllten, liegenden Gestalt durch die St.Galler Altstadtgassen. Ihre Forderung: Die Mumie soll von der Stiftsbibliothek zurück nach Ägypten gebracht und dort in Würde verwahrt werden.
Das Unverständnis sei gross, dass die aus einer Raubgrabung stammende Mumie der Schepenese nach wie vor ausgewickelt bis zum Brustbereich in einer Vitrine in St.Gallen gegen Geld ausgestellt werde, schreiben die Initianten in einer heute verschickten Mitteilung. Sie zeigen sich verärgert darüber, dass die Reaktionen der Stiftsbibliothek gezeigt haben, dass sie diese «absolut unhaltbaren Umstände» trotz bewiesenermassen besserem Wissen beim Alten belassen will – und die Mumie dort, wo sie nicht hingehöre. Doch die Zeiten, in denen man offensichtliches juristisches, moralisches und wissenschaftliches Unrecht einfach aussitzen konnte, seien vorbei, heisst es da weiter.
«Die Ostschweiz» hat beim Interpellanten nachgefragt:
Herr Olibet, welcher Reputationsschaden droht der Stadt genau, wenn die Mumie in der Stiftsbibliothek bleibt?
Die breite Unterstützung für die «St.Galler Erklärung für Schepenese» zeigt es: Es gibt gewichtige Stimmen in der Zivilgesellschaft, die einen anderen Umgang mit der zur Schau gestellten Mumie Schepenese fordern. Dass sich Stiftsbibliothek und der Katholische Konfessionsteil weigern, dieses Anliegen ernst zu nehmen, kann zu einem grossen Reputationsschaden - auch für die Stadt St.Gallen - führen. So unter dem Motto: «St.Gallen ist die Stadt, in der eine renommierte Bibliothek Geld dafür verlangt, dass sich Besucher:innen an einer geraubten Leiche ergötzen können.»
Dass es sich bei der Mumie um Grabraub handelt, dürfte mittlerweile allen klar sein. Aber: Ägypten hat die Mumie gar nicht zurückgefordert: Wird da nicht etwas unnötig problematisiert?
Leider wird auch der Grabraub noch immer bestritten, obschon die Faktenlage hier klar ist. Es geht aus meiner Sicht nicht darum, dass wir erst handeln, wenn etwas gefordert wird. Es ist mir - in vielen Bereichen - wichtig, dass proaktiv gehandelt wird, wenn Unrecht geschehen und erkannt wurde.
Ist die Diskussion um Schepenese «woke», wie man heute auf Neudeutsch sagen würde?
Mit diesem Begriff wird seit längerem versucht, jeden Diskurs abzuwürgen. Das lasse ich nicht zu.
Wie nahe stehen Sie persönlich dem Komitee «St.Galler Erklärung für Schepense»?
Wie auf der Website des Komitees aufgeführt, war ich als «Begleit-Experte» am Rande bei der Erarbeitung involviert.
Das Komitee scheint auch zu stören, dass die Mumie «bis zum Brustbereich ausgewickelt in einer Glasvitrine gegen Geld ausgestellt wird». Ärgern Sie sich auch darüber und wenn ja, warum?
Mir persönlich geht es wie Bischof Markus Büchel beim Anblick des Kopfes eines verstorbenen Papstes: Mich schaudert es beim Anblick dieser nackten Leiche einer Frau. Dazu kommt, dass ich es auch eine Frage der Würde finde, dass wir Tote anständig bestatten.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
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