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Der «Mensch Munti»

Philipp Muntwiler - vom Spieler zum Trainer: «Es ist toll, am Morgen ohne Schmerzen aufstehen zu können»

Rund zwei Monate sind vergangen, seitdem Philipp Muntwiler seine aktive Fussballkarriere beendet hat. Doch der Sport nimmt nach wie vor einen zentralen Punkt in seinem Leben ein: als Assistenztrainer beim FC Wil. Unser Porträt.

Manuela Bruhin am 20. Februar 2024

Philipp «Munti» Muntwiler ist im Ostschweizer Fussball wohl legendär. Munti, nie um eine freche Antwort verlegen. Stets für einen Spass zu haben.

Er, der einen Sieg gern mit einem (oder zwei) Bier feierte. In jüngeren Jahren oft in den St.Galler Gassen im Ausgang unterwegs war. Der dazu sagt: «Wenn ich zu Hause geblieben und nicht eins trinken gegangen wäre, hätte ich mich verkopft. Die Zeit zwischen 18 und 25 gibt dir niemand mehr zurück. Man opfert so viel für den Fussball, weshalb man auch mal den Kopf ausschalten muss.» Sich nahbar mit den Fans zeigte. Sich anhörte, wie die Leistungen von ihnen beurteilt wurden. Auch wenn diese Gespräche, je nach Alkoholgehalt, nicht mehr so zielführend waren.

Munti, der im Training  eher bequem war, aber spätestens im Spiel den Schalter umlegen konnte. Der «Hitzkopf», der über 170 gelbe Karten kassierte, was übrigens einen Rekord darstellt. Aber nie wegen Unsportlichkeit, sondern weil ich «einfach die Emotionen gelebt und stets alles gegeben habe», wie er selber sagt. Der dem Schweizer Fussball stets treu geblieben ist, weil er sich hier heimisch fühlte: «Es war eine geile Zeit, und im Nachhinein schätze ich es noch mehr, dass ich sie hatte.» Beim FC Wil schliesslich seine aktive Karriere beendet hat, um nun als Assistenztrainer die Seiten zu wechseln.

Trainer und Spieler

«Ich bin dem FC Wil megadankbar, dass ich diese Chance erhalten habe», sagt er im Gespräch mit «Die Ostschweiz». Nun sehe er, wie viel Aufwand und Herzblut auch auf dieser «anderen Seite» in den Sport fliesse.

Ein Spieler komme ins Training, absolviere die Einheiten und verlasse den Platz wieder. «Ein Trainer hingegen plant die ganze Woche durch, jede Übung wird im Vorfeld angeschaut, was man wann machen könnte. Er stellt Sachen auf, achtet darauf, ob alles funktioniert, wie man es sich gedacht hat – kurz: Es steckt sehr viel Arbeit dahinter», sagt Muntwiler.

Älteres Eisen

Die Frage, ob er gerne einen Spieler, wie er einer war, trainieren würde, bringt ihn zum Lachen. Munti war, wie wir nun wissen, eher pragmatisch veranlagt, was das Training anbelangte. Schonte seinen Körper, weil er mit Ende 30 eben doch zu den älteren Spielern gehörte.

«Sagen wir es mal so: Ich war einfach der Wettkampf-Typ, der zwar im Training nicht Vollgas gegeben hat, im Spiel jedoch alles zurückgab.» Er schätze es nun umso mehr, dass er diese «Freiheiten» vom Trainer erhalten habe – um dafür im Spiel stets alles geben zu können.

Kopf vs. Körper

Nach zwei Monaten ist nun Ruhe bei Muntwiler eingekehrt. Insbesondere, was seinen Körper anbelangt. «Es ist toll, am Morgen ohne Schmerzen aufstehen zu können. Eine Zeit lang fühlte ich mich im eigenen Körper wie gefangen», erinnert er sich. Der Kopf wollte weitermachen, der Körper signalisierte aber deutlich: Es ist Zeit, aufzuhören.

Philipp Muntwiler

Philipp Muntwiler verlängert beim FC Wil.

Fällt plötzlich die sportliche Belastung weg, dafür aber auch das Adrenalin vor einem Spiel und das damit verbundene Rampenlicht, fallen viele Spitzensportler schliesslich in eine Art Loch. Weil er aber als Assistenztrainer auch die Emotionen mit den Spielern teile, fühle er sich auch derzeit gut, so Muntwiler. «Viele ehemalige Fussballer haben mir im Vorfeld erklärt, dass der Rücktritt nicht einfach sein wird. Ich habe mich also ein Stück weit darauf vorbereitet.»

Der «Mensch Munti»

Plötzlich nicht mehr als Spieler mit seinen Kollegen interagieren zu können, sondern Leistung von ihnen zu erwarten, das kann ebenfalls einige Herausforderungen mit sich bringen. Doch auch dieser Wechsel scheint geglückt zu sein.

«Ich habe der Mannschaft gesagt, am ‘Mensch Munti’ ändert sich nichts. Auch jetzt können sie noch ‘Seich’ mit mir machen und es lustig haben», sagt er. Es wäre schlimm für ihn gewesen, wenn seine ehemaligen Mitspieler nun Hemmungen vor ihm hätten. Das Abwägen zwischen Locker- und Diszipliniertheit gelinge ihm eigentlich gut, meint er.

Von St.Gallen nach Luzern

Blickt er heute auf seine aktive Fussballzeit, würde er grundsätzlich zwar alles wieder so machen. Einzig den Wechsel von St.Gallen nach Luzern empfindet er als grössten Fehler.

Als «Riesenknick» in seiner Karriere bezeichnet er den Schritt heute. Mit dem Trainer verstand er sich nicht so, wie es sein sollte. Aus der Zeit zieht er jedoch die positiven Aspekte. «Die Zeit in Luzern hat mich persönlich weitergebracht.»

Ein weiteres Highlight, wenn auch nicht unbedingt im positiven Sinn, war der «Fall Muntwiler». Dafür erlangte Munti nationale Berühmtheit in der Sportwelt. Der damalige St.Gallen-Trainer Rolf Fringer wechselte Muntwiler im Spiel gegen den FCZ ein. Doch der Ostschweizer hatte wenige Tage zuvor mit der U21 eine gelb-rote Karte kassiert. Munti hätte eigentlich nicht spielen dürfen, der FCSG erlitt daraufhin eine Fortait-Niederlage. Der FCZ gewann schliesslich sogar den Meistertitel.

Es folgte eine herausfordernde Zeit für Muntwiler. Plötzlich jubelten die Zürcher Fans für ihn, und auch heute noch wird er in einigen Spielen darauf angesprochen.

Geile Zeit

Wenn es seine Zeit zulässt, besucht er einen FCSG-Match im Stadion oder verfolgt ihn am Bildschirm. «Es sind schon krasse Erinnerungen, die dann kommen. Wie es war, auf dem Feld zu stehen, die vielen Fans, die uns unterstützt haben – Hühnerhaut pur.» Mit einigen Spielern von damals steht er heute noch in Kontakt, mit den meisten jedoch habe sich die Bekanntschaft verflüchtigt. So sei es halt in der Fussballwelt.

Was geblieben ist, ist seine grosse Leidenschaft, welche er nun als Assistenztrainer weiterhin ausleben darf. Und zwar nicht mehr Vollgas auf dem Platz, sondern neben dem Feld geben zu können. Der einen Sieg des FC Wil gerne mit einem Bier begiesst. Es meistens aber bei einem bleiben lässt. Weil er weiss, dass er dieses in «seinem Alter am nächsten Tag auch noch merkt».

Ein bisschen erwachsen ist er also geworden. Aber im Herzen bleibt er eben einfach «Munti».

Einige schnelle «Entweder/Oder»-Fragen:

Bier oder Wein?

Wein. Nach dem Match trinke ich zwar gerne ein Bier. Aber zum Essen darf es gerne Rotwein sein.

Messi oder Ronaldo?

Oh, schon wieder eine schwierige Frage. Wenn ich mich entscheiden muss, nehme ich Messi.

Tor schiessen oder verhindern?

Hm. Naja, ein Goal schiessen.

Viel Geld oder viel Freizeit?

Mehr Freizeit.

TV Total oder GZSZ?

TV Total. Hättest du jetzt statt GZSZ «Dschungelcamp» gesagt, hätte ich das genannt.

Online oder offline?

Offline. Ist da der TV auch ausgeschlossen? Dann verbringe ich die Zeit damit, zu schlafen oder mit Leuten zusammen zu sein.

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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