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Interview mit SVP-Nationalrat Büchel

Roland Rino Büchel: «Macron scheint motiviert zu sein, der Schweiz Verbände und Grossanlässe abzuluchsen»

Roland Rino Büchel ist seit 14 Jahren Mitglied des Nationalrats. Wir sprechen mit dem Leiter des Wahlbüros über die letzten Bundesratswahlen. Und wie gross sind Mike Eggers Chancen, SVP-Präsident zu werden? Dazu: Wird es Emmanuel Macron gelingen, die FIFA nach Paris zu locken?

Marcel Baumgartner am 09. Januar 2024

Roland Rino Büchel, Sie sind im internationalen Sport, insbesondere im Fussball, bewandert. Hat Sie der Tod von Franz Beckenbauer getroffen?

Er war als Fussballer und als Teamchef tatsächlich eine Lichtgestalt und 1974 und 1990 zwei Mal Fussballweltmeister. In seiner späteren Rolle als Sportfunktionär hatte ich teils direkt mit ihm zu tun. Da hat er mich weniger überzeugt. Als Spieler des FC Montlingen hatten wir auch auf dem Fussballplatz ein kleines «Beckenbauer-Erlebnis».

Welches?

Wir spielten an einem Juniorenturnier im deutschen Freising gegen den grossen FC Bayern. Franz Beckenbauers Sohn Stephan war Libero bei den Bayern, ich beim FC Montlingen. Er konnte sein Tor dichthalten, ich nicht. Der FC Bayern gewann mit 1 : 0.

Was meinen Sie dazu, dass der französische Präsident nach den Olympischen Sommerspielen 2024 und den Winterspielen 2030 nun auch noch die FIFA in Frankreich haben will?

Emmanuel Macron hat offensichtlich Freude am Sport. Und er scheint motiviert zu sein, der Schweiz Verbände und Grossanlässe abzuluchsen.

Kritische Stimmen mutmassen, dass Macron so genanntes «Sportswashing» betreibe, um von wirtschaftlichen und politischen Problemen im Land abzulenken.

Sportswashing ist ein Begriff, der oft verwendet und selten verstanden wird.

Egal, wie man es nennt: Staaten und Staatsoberhäupter benutzen den Sport, um ihren Ruf zu verbessern. Katar und Saudi-Arabien betreiben diese Imagekorrektur mit einem gigantischen Aufwand.

Ich habe sportliche Grossanlässe auf der ganzen Welt miterlebt. Soweit ich es beurteilen kann, hat Katar unter schwierigsten Umständen eine der besten Fussballweltmeisterschaften aller Zeiten organisiert. Diese Leistung ist, zumindest in den hiesigen Medien, kaum gewürdigt worden.

Zurück zu Macron und Frankreich. Der französische Präsident zieht offenbar sämtliche Register, um die FIFA gänzlich weg von Zürich und hin nach Paris zu locken.

Macrons Pläne haben zwischen Weihnachten und Neujahr fast unbemerkt Schiffbruch erlitten. Auch in seiner Regierung rumpelt es. So hat er, gestern erst, seine Premierministerin hinausgestuhlt.

Denken Sie, dass der Weltfussballverband seinen Hauptsitz nun in Zürich behalten wird?

In Zürich arbeiten ein paar hundert Leute für die FIFA, in Paris ein paar Dutzend. In der nächsten Zeit wird es wohl so bleiben.

Mit welchen Plänen ist Präsident Macron denn gescheitert?

Sportverbände wie die FIFA werden in Frankreich nun nicht von Gewinn- und weiteren Steuern befreit. Und die Mitarbeiter, welche aus dem Ausland nach Frankreich ziehen, müssen während der ersten fünf Jahre am FIFA-Standort Paris, anders als von Präsident Macron gewollt, weiterhin Steuern bezahlen.

Warum eigentlich?

Der neunköpfige Verfassungsrat der «Grande Nation» hat Präsident Macron einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Die neue Bundespräsidentin und Sportministerin Viola Amherd ist Oberwalliserin, FIFA-Präsident Gianni Infantino auch. Wird sie nach Macrons gescheiterten Avancen allenfalls versuchen, die FIFA mit Privilegien auszustatten, um sie in der Schweiz zu halten?

Die Bundespräsidentin hat ein eher distanziertes Verhältnis zur FIFA und zu deren oberstem Chef.

Der renommierte Deutschlandfunk berichtet, dass die FIFA und mehr als 60 Sport-Weltverbände ihren Hauptsitz mitunter wegen einem «direkten Draht zur Regierung» in der Schweiz hätten.

Dem ist nicht so. Ich glaube, dass ich die Verhältnisse in Bundesbern mindestens so gut beurteilen kann, wie die deutschen Medien, so angesehen sie auch sein mögen.

Apropos Bundesbern: Sie waren Leiter des Stimmbüros der Bundesratswahlen. Die Aussagen von FDP-Parteipräsident Thierry Burkart, dass er die Stimmen «seiner» Parlamentarier kontrolliert habe, lösten Unruhe aus. Hat sich der Rauch verzogen?

Ich denke schon, zumindest der dichteste.

Im Nachgang zu den Bundesratswahlen musste ein FDP-Parlamentarier auf das prestigeträchtige Präsidium der Aussenpolitischen Kommission (APK) verzichten, weil er offenbar dem «falschen» SP-Kandidaten die Stimme gegeben hatte.

Es war zwar mehr als ein Sturm im Wasserglas, aber trotzdem nicht der grösste aller Winterstürme. Die Leitung der Kommission ist jetzt halt nicht wie erwartet in den Händen von Hans-Peter Portmann, welcher sich als Vizepräsident zwei Jahre lang auf die Aufgabe vorbereitet hatte.

Sie sind Mitglied der APK, die gestern und heute in Bern getagt hat. Da wurde auch das Mandat zum künftigen Verhältnis mit der EU behandelt.

Solche Sachgeschäfte sind tausend Mal wichtiger für unser Land als das Geplänkel rund um die Bundesratswahlen. Wir laufen Gefahr, die Gesetzgebung aus der Hand zu geben und in massgebenden Teilen an die EU auszulagern. Übrigens: Das wichtigste Papier dazu lag der Kommission nur auf Englisch vor.

Ein anderes Thema: Die berühmte «Bundeshaus-WG» mit Franziska Ryser von den Grünen, Andri Silberschmidt von der FDP und Mike Egger von der SVP ist aufgelöst. SVP-Nationalrat Michael Götte hat in einem Interview hier in der «Ostschweiz» angekündigt, dass bald eine neue WG entstehen könnte, zum Beispiel mit ihm, Mike Egger und Neu-Nationalrat Walter Gartmann. Auch ein Thema für Sie?

Ich habe seit vierzehn Jahren eine kleine Bleibe in Bern. In meinem Alter ist eine WG nicht mehr die erste Option… (schmunzelt).

Nach dem Rücktritt von SVP-Präsident Marco Chiesa hat sich Mike Egger für dessen Nachfolge ins Spiel gebracht.

Die Bewerbungsfrist läuft. Die Interessierten müssen ihre Dossiers bis zum 19. Januar 2024 via die entsprechende Kantonalpartei einreichen. Die Findungskommission unter dem ehemaligen SVP-Fraktionschef Caspar Baader wird die Kandidaten dann auf Herz und Nieren prüfen.

Für das Chiesa-Erbe werden verschiedene Varianten herumgereicht, auch solche mit einem Co-Präsidium.

Verantwortung ist nicht teilbar. Für die SVP eignet sich eine solche Wischi-Waschi-Lösung nicht. Und sowieso…

Ja?

Wenn Marcel Dettling, fleissiger Arbeiter, geschickter Kommunikator und erfolgreicher Wahlkampfleiter mit einnehmendem Charakter, sich für den Job meldet, dann wird es für die Mitbewerber schwer.

Gibt es gewichtige Konkurrenten?

Sehr gute Leute wie der Luzerner Franz Grüter, der Walliser Michael Graber oder der Berner Lars Guggisberg haben ihr grundsätzliches Interesse an einer Kandidatur öffentlich gemacht. Nur nebenbei: Graber kommt wie Viola Amherd und Gianni Infantino aus Brig im Oberwallis.

Der einflussreiche Bauernpräsident und Mitte-Nationalrat Markus Ritter hat sich für Marcel Dettling ausgesprochen.

Anders als die internationalen Sportverbände haben die Bauern tatsächlich einen guten Draht zum Bundesrat. Und auch zu Parlament und Verwaltung. Aber…

Aber?

Die Wahl des SVP-Chefs ist Sache der SVP-Delegierten. Schauen Sie sich die Präsidenten der letzten 40 Jahre an: Adolf Ogi, Hans Uhlmann, Ueli Maurer, Toni Brunner, Albert Rösti und Marco Chiesa waren allesamt sehr gute Chefs. Marcel Dettling würde ausgezeichnet in diese Reihe passen.

Am Wochenende fand die Kadertagung der SVP mit allen nationalen Parteigrössen im Hotel Bad Horn statt. Hat sich dort schon eine Tendenz abgezeichnet, und wie schätzen Sie Mike Eggers Chancen ein?

Am Bodenseeufer wurde auch über die Chiesa-Nachfolge geredet, das ist ja klar. Konkret gewählt wird dann am 23. März 2024 an der DV der SVP Schweiz. Marcel Dettling ist und bleibt mein klarer Favorit.

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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