Die SP Schweiz schickt Beat Jans und Jon Pult in die Bundesratswahlen vom 13. Dezember. Das sorgt auch für Kritik. Verschiedene Medien kommentieren die Auswahl mit den Worten «schwach» oder «am Volk vorbei». Was sagen Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus der Ostschweiz dazu?
Eine SP-Politikerin und fünf SP-Politiker wollten die Nachfolge von Alain Berset antreten. 18 Wahlgänge benötigte die Partei, um sich auf zwei Kandidaten zu einigen, die man am 13. Dezember offiziell ins Rennen schicken wird.
Man kann entsprechend davon ausgehen, dass die Schweiz bald einen Bundesrat Beat Jans oder Jon Pult haben wird. Der bei der Bevölkerung und den bürgerlichen Parteien beliebte SP-Politiker Daniel Jositsch erlitt eine Schlappe und kann seinen Traum, Bundesrat zu werden, wohl begraben.
Erwarten uns nun also langweilige Bundesratswahlen? Etwas Spannung in die Sache bringen wollte der «Blick». Er berichtete von einem angeblichen Geheimplan, wonach die Mitte den Sitz von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis erobern will. Das dürfte eher der Wunschgedanke einiger weniger sein und wird in rund zwei Wochen kaum passieren.
«Die Ostschweiz» wollte jedoch von den hiesigen Parlamentarierinnen und Parlamentariern wissen, was sie vom SP-Ticket halten. Schaffen es letztlich eben doch nicht die stärksten Politiker in den Bundesrat? Und wird – ja, muss – man sich ans offizielle Ticket halten, um keine Krise auszulösen?
Kurz und knapp fällt die die Antwort von FDP-Ständerat Andrea Caroni (AR) aus: «Wenn die anderen sich an die Zauberformel halten, halte ich mich ans Ticket.»
Für politische Spielchen ist auch SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel (SG) nicht zu haben. Er, der seit gut 13 Jahren im Nationalrat sitzt, habe sich immer an die offiziellen Tickets gehalten. Und er werde das auch diesmal tun. Er betont aber, dass sowohl Pult als auch Jans «weit links aussen» positioniert seien. «Ob es 'Bessere' gibt oder nicht? Das ist möglich, bei Bundesratswahlen vielfach der Fall, aber auch in diesem Fall leider nicht massgebend», so Büchel.
FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (SG) teilt die Meinung nicht, dass es nicht die besten Politiker in den Bundesrat schaffen – zumal die Meinungen naturgemäss auseinandergehen würden, welches denn die «besten Politiker» sind. Darauf folgt von ihr jedoch ein «Aber»: «Aber die ‘Spielregel’, dass keine Personen ausserhalb der Parteientickets gewählt werden sollen, engt natürlich schon ein. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass so geeignete Kandidierende von vorneherein aussen vor gelassen werden.» Sie selbst, werde sich – aus heutiger Sicht – ans SP-Ticket halten. «Das hängt aber natürlich auch vom Verlauf der Bundesratswahlen als Gesamtes ab», ergänzt sie.
Auch SVP-Ständerätin Esther Friedli (SG) findet nicht, dass es im Moment Zeit für Spiele ist: «Ich werde mich an das Ticket der SP halten.» In unserem System obliege es den Fraktionen, eine gute Vorauswahl respektive Empfehlung von Bundesratskandidaten zuhanden der Bundesversammlung zu machen. «Unsere Fraktion legt hier immer Wert darauf, dass die bestmöglichen Kandidatinnen oder Kandidaten aufs Ticket kommen. Das haben wir gerade vor einem Jahr mit dem Ticket Albert Rösti/Hansueli Vogt bewiesen», so Friedli.
Offen kommuniziert SVP-Nationalrat Lukas Reimann (SG) gegenüber «Die Ostschweiz». Sein persönlicher Favorit sei klar Daniel Jositsch gewesen. Dennoch gelte es nun, die offiziellen Kandidaten zu respektieren. «Ansonsten droht bei der nächsten SVP-Vakanz die Retourkutsche. Das würde letztlich die Stabilität der Schweizer Politik– die gerade in unsicheren Zeiten sehr wichtig ist – unnötig gefährden», ist Reimann überzeugt.
Aber auch er findet, dass nicht immer die Besten in die Endrunde kommen: «Die Motive vieler National- und Ständeräte sind oft nicht die besten: Bei der Nomination wählte die SP offensichtlich diejenigen aus, von welchen sie sich den besten Effekt für zukünftige Wahlkämpfe verspricht. Also Leute, die sich voll in Parteikampagnen einspannen lassen und den Bundesrat so zum verlängerten Arm der Parteizentrale machen sollen.»
Im Fokus dieser Wahl stehen auch die Bauern. Kandidat Jans wird von dieser Gruppierung in gewissen Punkten kritisiert. Mitte-Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter (SG) hält sich allerdings bedeckt. Im Moment würden die «ungeschriebenen Spielregeln» vorsehen, dass man einen Kandidaten des SP-Tickets wählt. «Es gäbe eine enorme Unruhe und einen Unfrieden im Bundeshaus, wenn jemand ausserhalb des Tickets gewählt würde. Der Druck auf diese Person wäre enorm, die Wahl nicht anzunehmen. Deshalb gilt es mit Augenmass vorzugehen und immer auch die Stabilität unserer Institutionen vor Augen zu haben. Wir haben grosse Aufgaben in den kommenden Jahren zu bewältigen. Da sollten die Parteien und Fraktionen gut zusammenarbeiten können», so Ritter.
Kürzer fällt die Antwort von FDP-Nationalrat Marcel Dobler (SG) aus. Ja, er finde auch, dass es nicht die besten Politiker in den Bundesrat schaffen. Und er werde nach den Anhörungen und dem Ablauf des Wahltages entscheiden, wen er wählen werde.
Entweder Jans oder Pult wird wohl auch SVP-Nationalrat David Zuberbühler (AR) wählen. Obwohl er bemängelt, dass die SP mit ihrem «Hardliner-Ticket» keine echte Auswahl biete. «Die SP präsentiert zwei Kandidaten, die sich - abgesehen von ihrem Alter - nicht gross voneinander unterscheiden. Beide bezeichnen sich als Feministen, politisieren innerhalb der Fraktion am äussersten linken Rand und wollen die Schweiz in die EU führen. Die wohl geeignetsten Kandidaten, insbesondere Ständerat Daniel Jositsch und der ehemalige Fraktionspräsident Roger Nordmann, schafften es leider nicht aufs Ticket», sagt Zuberbühler, der auch das Auswahlverfahren per se bemängelt, weil es nicht sicherstelle, dass es die besten Politiker in den Bundesrat schaffen würden. «Parteipolitik, persönliche Beziehungen, andere Faktoren wie die Herkunft aus einer bestimmten Region oder Kompromissbereitschaft könnten ausschlaggebend sein, jemanden zu wählen, der im Vergleich mit anderen Kandidaten nicht die herausragendsten Qualifikationen hat.»
Mitte-Nationalrat Nicolo Paganini (SG) relativiert: «Die besten Kandidierenden waren auch in der Vergangenheit nachher im Amt nicht in jedem Fall die besten Bundesratsmitglieder. Kriterien wie die sprachliche und regionale Ausgewogenheit oder die Geschlechterfrage spielen in Ergänzung zu den Fähigkeiten der Kandidierenden zu Recht auch eine Rolle.» Und dann könne man auch nicht abstreiten, dass (auch parteiinterne) Taktik und Ränkespiele dazu beitragen, dass manchmal nicht die (vermeintlich) besten Politikerinnen und Politiker aufs Ticket beziehungsweise in den Bundesrat kommen.
Für Paganini steht zudem fest: Die Mitte-Fraktion werde Beat Jans und Jon Pult selbstverständlich anhören. «Vorher fälle ich keine Entscheidung über mein Wahlverhalten. So lange mit der SVP eine Bundesratspartei die Klausel in ihren Statuten hat, wonach ‘wild’ gewählte Parteimitglieder, welche die Wahl zum Bundesrat annehmen, automatisch aus der Partei ausgeschlossen werden (und damit die nächste Staatskrise ansteht), ist es schwierig, die Tickets der Parteien zu ignorieren», ist der Mitte-Politiker überzeugt.
Die SVP-Klausel stelle eigentlich einen Verfassungsbruch dar, weil die Bundesversammlung faktisch bei der Wahl nicht mehr frei sei: «Denn gemäss Art. 175 Abs. 3 der Bundesverfassung sind alle Schweizerbürgerinnen und Schweizerbürger, welche als Mitglieder des Nationalrats wählbar sind, auch in den Bundesrat wählbar.»
Paganinis Parteikollege, Mitte-Nationalrat Christian Lohr (TG) äussert sich «kantiger». Aussagen zu den «besten Politikern» seien relativ. Er hätte sich auch andere Kandidaten vorstellen können, die sicherlich ebenfalls das Rüstzeug mitbringen würden. Lohr sagt klar: «Es wäre tatsächlich zu begrüssen, wenn die Parteien auch vermehrt Kandidaten mit Ecken und Kanten, mit stärkerem Profil und Eigenständigkeit präsentieren würden.» Wie er abstimmen wird, dazu äussert sich Lohr nicht. Er bezieht sich auf das Wahlgeheimnis.
«Es ist tatsächlich so, dass nicht immer die fähigsten Politiker in den Bundesrat gewählt werden», so die Meinung von SVP-Ständerat Jakob Stark (TG). Trotzdem werde er sich aber an das SP-Ticket halten. Denn: «Es ist wichtig, dass die Parteien gut in den Bundesrat eingebunden sind.»
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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