Die St.Galler SP-Fraktion wird in der Septembersession zwei Vorstösse einreichen. Mit einer Interpellation wird die Frage nach der Aufarbeitung und der staatlichen Verantwortung gestellt. Mit einem Postulat sollen neue Regelungen für die Zukunft aufgezeigt werden.
Vergangene Woche hat ein Forschungsteam der Universität Zürich die Ergebnisse eines Pilotprojekts publiziert. Das Pilotprojekt legt die Basis für die künftige Forschung zur Geschichte sexuellen Missbrauchs im Umfeld der katholischen Kirche, die Kleriker, kirchliche Angestellte und Ordensangehörige seit Mitte des 20. Jahrhundert in der Schweiz ausgeübt haben.
Im Rahmen des Pilotprojektes wurden 1002 Fälle sexuellen Missbrauchs im Umfeld der katholischen Kirche seit 1950 mit 520 Beschuldigten und 921 Betroffenen identifiziert.
Nun reagiert auch die Politik auf die Enthüllungen.
Die SP-Fraktion des Kantons St.Gallen wird in der Septembersession zwei Vorstösse einreichen.
Mit einer dringlichen Interpellation wird die Frage nach der Aufarbeitung und der staatlichen Verantwortung gestellt.
Mit der Interpellation wird die Regierung gefragt, ob sie bereit ist, für Opfer von sexuellem Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche und den Angehörigen von Opfern eine Anlaufstelle zu schaffen und ob sie die Verantwortung des Staates untersuchen wird.
«Staatliche Stellen hatten sozialkaritative und pädagogische Aufgaben oftmals an die Kirche delegiert. Die Historikerinnen und Historiker halten im Bericht fest, dass dieser Bereich genauer untersucht und dabei auch Schnittstellen zur Forschung zu den fürsorgerischen Zwangsmassnahmen in den Fokus gerückt werden sollten», so die SP.
Mit einem Postulat sollen neue Regelungen für die Zukunft aufgezeigt werden.
Die SP schreibt dazu: «Die römisch-katholische Kirche verfügt über eine duale Struktur als Voraussetzung für die öffentlich-rechtliche Anerkennung. Neben den vom kanonischen Recht (Codex iuris canonici) geregelten Strukturen bestehen nach staatlichem Recht organisierte Strukturen. Im Kanton St.Gallen ist dem katholischen Konfessionsteil gemäss Art. 109 Kantonsverfassung (KV) die Natur einer öffentlich-rechtliche Körperschaft zuerkannt. Diese Zuerkennung gewährt einerseits Selbstbestimmung, ist aber anderseits mit Auflagen verbunden. Art. 110 KV räumt Autonomie ein und das Recht, Kirchensteuern zu erheben. Art. 111 KV hält dann aber fest, dass es eine demokratische Grundverfassung der Kirche braucht und dass dieser Erlass von der Regierung genehmigt wird, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehören insbesondere: Stimmrecht, staatskirchliche Organisation müssen demokratischen Grundsätzen entsprechen, und es darf kein Widerspruch zu Bundes- und kantonalem Recht bestehen.»
Wie die Historiker im Bericht festhalten, habe die Existenz eines kirchlichen Rechts parallel zum weltlichen Recht die Vertuschung und Verschleierung sexuellen Missbrauchs befördert.
Zwar würde die katholische Kirche sexuellen Missbrauch heute konsequenter ahnden. Es sei aber an der Zeit, dass sich eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bezüglich des Umgangs mit strafbarem Verhalten in der eigenen Institution am weltlichen Recht orientiere. Dazu müsste sie beispielsweise eine Meldepflicht an weltliche Institutionen (Polizei, Staatsanwaltschaft) zu beachten haben. Dies im Dienste des Opferschutzes und der Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze.
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