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Nachfolge von Scheitlin

Stadtpräsidium: Die FDP hat wohl doch ein Personalproblem

Die FDP will und muss das St.Galler Stadtpräsidium halten. Auch wenn die bisherigen Kandidatennamen reine Spekulation sind: Sie klingen nach Verzweiflung.

Stefan Millius am 26. Juni 2018

Parteipräsidenten könnten bei Journalistenfragen zu künftigen Wahlen im Grunde auch eine vorgefertigte Tonaufnahme abspielen. Werden sie nach möglichen Anwärtern für ein freiwerdendes Amt gefragt, geben sie sich bedeckt bis zur letzten Sekunde. Es werden mehrere Optionen geprüft, es gibt viele potenzielle Kandidaten, derzeit besteht noch kein Anlass zur Eile: Diese Antworten sind der Standard.

Bei der FDP der Stadt St.Gallen ist das nicht anders. Aber sie steht unter Druck. Derzeit ist sie nur noch mit Stadtpräsident Thomas Scheitlin im St.Galler Stadtrat vertreten. Es ist aufgrund seines Alters ziemlich klar, dass spätestens Ende der laufenden Legislatur Schluss ist. Scheitlin wirkt fit und nicht amtsmüde, ein früheres Abtreten würde daher erstaunen. Das hiesse, dass seine Nachfolge bei den ordentlichen Wahlen im Herbst 2020 bestimmt wird.

Angeschlagene FDP

Die FDP will das prestigeträchtige Amt halten. Aber: Sie hat in jüngerer Vergangenheit schon beim Stadtrat bei zwei Vakanzen beim Versuch, den zweiten Sitz zurückzuholen, mit Barbara Frei und Marcel Rotach Schiffbruch erlitten und ist entsprechend angeschlagen. Geht das Stadtpräsidium auch verloren, wäre das der Bankrott auf städtischer Ebene. Zumal es gut möglich oder sogar wahrscheinlich ist, dass Scheitlin der einzige ist, der bei den Wahlen im Herbst 2020 seinen Sitz frei gibt und es damit neben dem Stadtpräsidium nichts zu holen gibt.

Das St.Galler Tagblatt hat kürzlich sondiert, wer bei der FDP - inoffiziell - im Gespräch ist als neues Stadtoberhaupt. «Die Ostschweiz» hat diese Namen mit dem FDP-Präsidenten diskutiert. Die Namenslisteist gelinde gesagt ernüchternd. Das erwähnte Trio besteht aus Leuten, die man aus unterschiedlichen Gründen kaum als erste Wahl bezeichnen kann. Und wenn zu diesem Zeitpunkt das Kandidatenfeld so bestückt ist, gibt es wenig Anlass zur Hoffnung, dass das in ein oder zwei Jahren plötzlich anders aussieht.

Ausserstädtische Kandidatin

Am ehesten magistrales Format in der Dimension eines Stadtpräsidiums hat die Rechtsanwältin Susanne Vincenz-Stauffacher. Zugute kommt ihr bezüglich Bekanntheitsgrad, dass sie bald in den Kantonsrat nachrutscht. Sie wäre zudem um ein Haar Präsidentin der kantonalen FDP geworden, gilt als intelligent und auffassungsschnell und ist konsensfähig.

Allerdings würde die FDP - wie die CVP mit Boris Tschirky oder einst die SP mit Ruedi Blumer - mit ihr auf eine «externe» Kandidatin zurückgreifen, Vincenz-Stauffacher wohnt in Gaiserwald. Das geht hin und wieder gut, aber wenn es ums Stadtpräsidium geht, ist das eine wacklige Mission. Die Städter ticken eigen, und selbst ein hervorragender Leistungsausweis in einer anderen Gemeinde kann den «Makel» der Herkunft kaum wettmachen.

Die FDP hat in unserer Zeitung bereits klargemacht, dass sie nur eine Kandidatur einer Person lanciert, die schon im Wahlkampf hier wohnt. Deshalb kann die FDP auch nicht einfach unter amtierenden Gemeindepräsidenten im Kanton wildern.

Kandidat aus dem Nichts

Das Tagblatt hat auch seinen einstigen Chefredaktor Philipp Landmark ins Spiel gebracht. Ob dieser tatsächlich parteiintern ernsthaft diskutiert oder vielleicht nur beim lockeren Bier nach der Parteivorstandssitzung genannt wurde (oder sogar nur Tagblatt-intern), ist offen. Der Präsident der städtische FDP, Oskar Seger, kann sich den Vorschlag jedenfalls nicht erklären. Und den meisten Wählerinnen und Wählern dürfte nicht einmal bekannt sein, dass der heutige Kommunikationsberater FDP-Mitglied ist.

Sein einstiger Arbeitgeber preist ihn als «Quereinsteiger, der nicht mit den Wirtschaftsverbänden eng verhandelt ist» und der eine «Distanz zum Politikbetrieb» hat. Diese Distanz geht allerdings so weit, dass Landmark nie auch nur im Geringsten mit diesem Politikbetrieb in Verbindung gebracht wurde. Quereinsteiger stehen zwar hoch im Kurs - Stadtrat Markus Buschor hat das bewiesen -, aber eine Wahlgarantie ist das nicht. Weiss man von einem Kandidaten buchstäblich überhaupt nicht, wo er politisch steht, vertraut man ihm vielleicht nicht gleich die Führung eines Stadtrats an.

Kantonsrat nicht genutzt

Bleibt Isabel Schorer, die Dritte der erwähnten potenziellen FDP-Kandidaturen. Sie hat2016 die Wahl in den Kantonsrat geschafft, das sichtbar mit einigem Arbeits- und finanziellem Aufwand und auch mit der Unterstützung ihres Arbeitgebers. Die städtische Standortförderin wurde von Stadtpräsident Thomas Scheitlin gut sichtbar und schon fast über Gebühr durch den Wahlkampf getragen.

Im Kantonsrat ist Schorer aber in zweieinhalb Jahren blass geblieben. Sie reicht keine Vorstösse ein, ist kein Mitglied einer wichtigen Kommission und ist auch sonst kaum in Erscheinung getreten. Innerhalb der Fraktion, so sagen mehrere ihrer Kollegen im vertraulichen Gespräch, spielt sie keine Rolle. Für jemanden, dem hohe Ambitionen nachgesagt werden (die sie aber nie bestätigt hat), wäre der bisherige Auftritt im Parlament eher eine ungenutzte Chance. Der berufliche Leistungsausweis in der Standortförderung ist von aussen schwer zu qualifizieren. Auf städtischer Ebene ist dieses Amt aber eher mit Verwaltungs- als Führungsaufgaben verbunden.

Knappe Auswahl

Mit anderen Worten: Wenn die bisher im inoffiziellen Gespräch genannten Anwärterinnen und Anwärter das Beste sind, was die St.Galler FDP zu bieten hat, sieht es düster aus. Zumal aus den Reihen des heutigen Stadtrats das eine oder andere Mitglied selbst Ambitionen aufs Stadtpräsidium haben könnte. Gelingt das, würde immerhin ein Stadtratssitz frei, den die FDP ins Visier nehmen könnte. Aber selbst dafür reicht die heutige Auswahl schwerlich. Die immer wieder gepredigte Aufbauarbeit von Kandidatinnen und Kandidaten der Zukunft scheint nicht besonders gefruchtet zu haben.

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Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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