Stefan Leuthold bezeichnet sich selber als «politischen Spätzünder». Der Ständeratskandidat der GLP Thurgau erkennt auf zahlreichen Ebenen Blockaden. Und ihm missfällt ein Aspekt an der Arbeit der Bisherigen ganz besonders.
Für die zwei Thurgauer Sitze im Ständerat kandidieren offiziell sechs Personen. Es sind dies die beiden Bisherigen Brigitte Häberli-Koller (Die Mitte) und Jakob Stark (SVP) sowie Gabriela Coray (Wahlkomitee Gabi Coray, WkGC), Stefan Leuthold (GLP), Robin Spiri (Aufrecht Thurgau, AUFTG) und Kristiane Vietze (FDP).
«Die Ostschweiz» veröffentlich in den kommenden Tagen schriftlich geführte Einzelinterviews mit allen Kandidatinnen und Kandidaten.
Stefan Leuthold, welchen Sitz würden Sie lieber beerben, jenen von Brigitte Häberli-Koller oder jenen von Jakob Stark?
Zum Glück darf ich diesen Entscheid der Bevölkerung an der Wahlurne überlassen.
Wie würden Sie bisherige Arbeit von Häberli-Koller und Stark im Ständerat bewerten?
Aus meiner Sicht haben beide einen passablen Job gemacht und sich für Thurgauer Anliegen in Bern eingesetzt. Was mir aber sehr missfällt: Beide haben in der letzten Legislatur fast 80 % der ökologischen Vorlagen abgelehnt.
Beide Bisherigen sind 65-jährig. Sie würden mit Ihren 56 Jahren für eine Verjüngung sorgen. Was würde sich ansonsten noch ändern?
Der Altersdurchschnitt im Ständerat liegt bei 56 Jahren – das würde für mich perfekt passen. Mit einem anderen Lebenshorizont werde ich mehr Verständnis für die erwerbstätige Bevölkerung und für die Anliegen der jüngeren Generation mitbringen.
In drei kurzen Sätzen: Welches sind Ihre Kernanliegen?
Mich bewegen die Themen des beschleunigten Ausbaus der erneuerbaren Energien, der Förderung der Energie-Effizienz, der pestizidfreien Landwirtschaft und einer klimaverträglichen Mobilität. Innovation, Fortschritt und eine liberale Wirtschaftsordnung haben unsere Nation vorangebracht - diesen Pfad gilt es, weiterzuverfolgen. Und nicht zuletzt ist mir die zeitnahe, lösungsorientierte Wiederaufnahme der bilateralen Verhandlungen mit der Europäischen Union ein grosses Anliegen.
Welches Wahlversprechen geben Sie ab? Woran dürfte man Sie in vier Jahren messen?
Auf zahlreichen Ebenen stecken wir in einer Blockade – beim Klimaschutz, den steigenden Gesundheitskosten oder bei unseren Beziehungen zu Europa. Dies ist im Wesentlichen der zunehmenden Polarisierung der politischen Lager und der hartnäckigen Lobby-Arbeit der Interessensverbände geschuldet. Ich werde mich in überparteilichen Allianzen für einen starken Wirtschaftsstandort Thurgau und eine ambitionierte Klima- und Umweltpolitik einsetzen – damit wir Lösungen finden, statt Probleme zu bewirtschaften.
Wie ernst meinen Sie es mit Ihrer Ständeratskandidatur wirklich? Oder wollen auch Sie mit ihr in erster Linie Stimmen für die Nationalratskandidatur sammeln?
Es wäre mir eine grosse Ehre, als fortschrittlich denkender, wirtschaftsfreundlich und ökologisch orientierter Standesvertreter den Thurgau in Bern repräsentieren zu dürfen. Wenn ich dabei auch unserer Nationalratsliste zu zusätzlichen Stimmen verhelfe, ist dies natürlich ideal.
Sie bezeichnen sich selber als «politischen Spätzünder». Was weckte in Ihnen das Interesse, aktiv zu werden?
Mit 40 Jahren kam ich als Quer-Einsteiger in die Solarbranche. Dort erkannte ich die ungleichen Spiesse der erneuerbaren gegenüber den fossilen Energien. Dies hat mich politisiert.
Eine andere Partei kam für Sie nie infrage?
Erst, wenn es eine Partei gibt, welche ökologische und wirtschaftliche Anliegen zusammenbringt, werde ich in der Politik aktiv, sagte ich früher. Die Gründung der Grünliberalen bedeutete für mich damals den Startschuss zu meiner politischen Laufbahn.
Es gibt nicht wenige Stimmen, die dem Parlament ein Versagen vorwerfen – gerade auch, wenn es um die Corona-Politik geht. Welches Zeugnis stellen Sie unseren Volksvertretern aus?
Die Corona-Krise war ein massiver Stresstest für unser politisches System und für unsere ganze Gesellschaft. Rückblickend betrachtet ist es immer einfach zu urteilen. Aus heutiger Sicht waren einige der Massnahmen zu rigoros, vor allem was die Einschränkungen an Schulen und gegenüber Jugendlichen betrifft. Aber es ist in einem kollektiven Kraftakt gelungen, eine sehr bedrohliche Pandemie mit vergleichsweise wenig Folgeschäden zu meistern.
Wir haben allen Thurgauer Ständeratskandidaten angeboten, eine Frage an einen Kontrahenten zu stellen. Brigitte Häberli möchte Folgendes von Ihnen wissen: «Wie wollen Sie die Windenergie fördern und zugleich die Bedenken und Vorbehalte der Bevölkerung ernst nehmen und in die Planung einbeziehen?»
Wichtig ist der Einbezug und das Mitwirken der Betroffenen zu Beginn weg, unterstützt von sachlicher, faktenbasierter Information von neutraler Seite. Im Grossen Rat habe ich eine Motion mitunterzeichnet, welche mit einem neuen Windnutzungsgesetz Rechtssicherheit für die Bevölkerung und Planungssicherheit für Investoren bieten soll. Ferner ist es wichtig, die Bevölkerung am Ertrag von Windanlagen fair zu beteiligen – ein Modell, welches sich im grenznahen Ausland seit Jahren bewährt hat und dort gut funktioniert.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.