logo

Auswirkungen der Kreditabstimmungen

St.Galler Spitäler: Belastung war schon lange bekannt

Was die Kredite von 800 Millionen Franken für die St.Galler Spitäler bewirken würden, ahnte 2014 hier kaum jemand. Ausserhalb des Kantons sprach die Gesundheitsdirektorin aber offen darüber. Sie erwähnte Nachteile für die Spitäler, die sich ergeben werden. Warum schwieg sie vor der eigenen Haustür?

Stefan Millius am 19. Oktober 2019

Die grosszügigen Kredite von 800 Millionen Franken für fünf St.Galler Spitäler, die 2014 gesprochen wurden, haben Nachwehen. Und zwar solche, welche die meisten Stimmbürger wohl nicht vorhersahen. Wir haben darüber berichtet. Der Hauptvorwurf dabei: Die Regierung ging defensiv um mit der Information darüber, dass die Kredite die Spitäler finanziell stärker belasten, als diese das jemals tragen könnten.

Ironischerweise fiel es dem Gesundheitsdepartement unter Regierungsrätin Heidi Hanselmann damals allerdings nicht schwer, bei Kritik von ausserhalb des eigenen Kantons offen mit dieser Tatsache umzugehen. Was dem Stimmbürger nicht aktiv kommuniziert wurde, tauchte kurz darauf in verschiedenen Medienberichten plötzlich auf. Ganz ehrlich wurde zugegeben, dass die Spitäler Nachteile befürchten aufgrund der Kredite. Etwas, das St.Gallerinnen und St.Galler vor der Abstimmung nie hörten.

Der Hintergrund: Andere Kantone kritisierten St.Gallen nach dem 30. November 2014 für den 800-Millionen-Kredit für die Spitalerneuerungen. Sie witterten eine Wettbewerbsverzerrung. Christoffel Brändli war seinerzeit Präsident von Santésuisse, der Branchenorganisation der Krankenversicherer. Er warf dem Kanton St.Gallen vor, seine Spitäler zu subventionieren, was «nicht im Sinn des Gesetzgebers» sei, wie er Ende 2014 der «Nordwestschweiz» zu Protokoll gab.

In der Aargauer Zeitung bezeichnete der CVP-Nationalrat Alois Gmür Ende 2014 die 800 Millionen als «sehr problematisch». Gmür stammt aus dem Kanton Schwyz, einem Nachbarkanton von St.Gallen. In Schwyz setzte man darauf, dass die Spitäler ihre Investitionen selbst finanzierten, aus eigener Kraft über die Fallpauschalen. Und diese Spitäler seien jetzt benachteiligt gegenüber den Spitälern in der St.Galler Nachbarschaft, die mit Kantonskrediten erneuert würden.

Im Januar 2015, zwei Monate nach der Abstimmung über die Kredite, thematisierte auch die NZZ die Spitalinvestitionspolitik der Kantone. Und kam sekundiert von externen Experten zum Schluss, es sei problematisch, wenn ein Kanton in seine Spitäler investiert. Auch hier diente der Kanton Schwyz als Beispiel: Das Spital Lachen SZ an der Grenze zu St.Gallen beispielsweise musste seine Erneuerung selbst berappen, was eine Wettbewerbsverzerrung darstelle.

Wie reagierte die St.Galler Regierung damals auf diese Kritik? Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann entgegnete in allen genannten Medienberichten, es handle sich nicht um Subventionen, da das Geld über die Miete zurückgezahlt werden müsse. Und sie liess sich die Aussage entlocken, die öffentlichen Spitäler befürchteten sogar Nachteile daraus, weshalb nun über eine Übertragung der Immobilien diskutiert werde. Eine solche Übertragung gab es später auch, aber inzwischen sagt Hanselmann, diese sei sogar ein Teil des Problems. Das soll noch einer verstehen.

Das heisst: Wenige Wochen nach der Kreditabstimmung gab Hanselmann auf die Kritik aus anderen Kantonen hin zu, dass die St.Galler Spitäler die Situation nicht besonders lustig fanden. Die St.Galler hingegen hörten vor der Abstimmung nie etwas davon, dass die Spitäler mit den geplanten Erneuerungskrediten nicht glücklich seien. Im Gegenteil: Es wurde stets suggeriert, die Kredite seien im besten Interesse der Spitäler.

Wäre im umstrittenen Abstimmungsbüchlein festgehalten gewesen, dass die Spitäler, die angeblich so reich beschenkt wurden, Nachteile befürchten, wäre eine gewisse Transparenz hergestellt gewesen. Diese Transparenz gab es aber erst, als die Abstimmung gewonnen war - und auch dann nur in Medienberichten in anderen Regionen der Schweiz.

Es ist ein weiteres tragisches Kapitel in dieser Geschichte: Was heute mit roten Köpfen diskutiert wird, nämlich dass die Erneuerungskredite die Spitäler belasten, war vor der Abstimmung 2014 kein Thema in St.Gallen. Verwendet wurde diese Information von der Gesundheitsdirektorin nur, um sich gegenüber anderen Kantonen zu verteidigen, die nicht auf die Idee kamen, ihre Spitäler auf diese Weise aufzurüsten. Der Kanton St.Gallen hat vor fünf Jahren also ein langsames Fallbeil über seinen eigenen Spitälern ausgelöst - und damit gleichzeitig den Rest der Schweiz erzürnt.

Und in diesem Zusammenhang die schüchterne Frage: Gibt es vielleicht einen guten Grund dafür, dass der Rest der Schweiz in der Spitalpolitik nicht so vorging wie der Kanton St.Gallen - und heute nicht vor denselben Problemen steht?

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.