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Konjunkturlage

Strukturwandel bei Ostschweizer Exporten

Die Ostschweiz ist nach wie vor eine Export-Region. Doch wie haben sich die Exporte in den letzten zehn Jahren verändert? Welche Branchen haben zugelegt, welche verloren? Und wie entwickelten sich die Exporte insgesamt?

Frank Bodmer am 06. September 2018

Seit 2008 haben die Ostschweizer Exporte einen tiefgreifenden Strukturwandel vollzogen. Maschinen, Apparate und Elektronik sind zwar nach wie vor führend, haben aber stark an Boden verloren.

Ein regelrechter Einbruch war bei Textilien und Bekleidung zu verzeichnen. Nahrungsmittel, Fahrzeuge und Metalle konnten dagegen zulegen. Insgesamt resultierte zwischen 2008 und 2017 aber trotzdem ein Exportrückgang von 8%. Im Vergleich zu anderen Schweizer Regionen schnitt die Ostschweiz damit relativ schlecht ab.

Das hatte vor allem mit dem Ostschweizer Branchenmix zu tun. In den beiden wichtigsten Gütergruppen (Maschinen/Elektronik und Metalle) schnitt die Ostschweiz im regionalen Vergleich überdurchschnittlich ab. Beide Branchen verloren gesamtschweizerisch aber an Boden.

Einleitung

Die Ostschweiz ist traditionell eine Exportregion. Die Produktion und der Export von Textilien prägten die Region bis in die 1930er Jahre. Nach dem zweiten Weltkrieg übernahmen Maschinen und Metalle die Rolle des Motors. Der Boom der Exporte von Maschinen und Metallen dauerte bis in dieses Jahrtausend, wurde allerdings immer wieder durch Krisen unterbrochen.

Die Ostschweizer Exportindustrie war aber jeweils in Lage, sich auf neue Begebenheiten einzustellen. Das Ende des Systems der festen Wechselkurse 1973 war eine solche Krise, von welcher sich die Ostschweizer Maschinen- und Metallbranche gut erholte.

Der Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2008 stellte einen weiteren Einschnitt dar, von welchem sich die beiden Branchen bisher aber nur teilweise erholt haben. Die Exporte von Maschinen und Elektronik liegen nach wie vor deutlich unter den Werten von 2008, während die Metallexporte neue Höchststände erreichen konnten. Im Rücken dieser beiden Hauptbranchen kam es zu weiteren Verschiebungen.

Entwicklung der Ostschweizer Exporte

Zu Beginn dieses Jahrtausends boomten die Ostschweizer MEM-Branchen. Die Exporte von Maschinen und Elektronik sowie Metallen aus den vier Kantonen der Kernostschweiz (AI, AR, SG, TG) stiegen bis 2007 auf neue Höchstwerte (Abbildung 1).

Der Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise im 2008 führte dann aber vor allem bei Maschinen und Elektronik zu einem dramatischen Einbruch. Zuerst reduzierte die Wirtschaftskrise die internationale Nachfrage nach Gütern, dann setzte die Aufwertung des Schweizer Frankens ein.

Zuletzt führte die Eurokrise zu einem Einbruch der Nachfrage in den nach wie vor dominierenden europäischen Absatzmärkten. Die Aufhebung des Euromindestkurses im Januar 2015 stellte einen weiteren Tiefpunkt dar. Die Maschinenexporte liegen aktuell nur leicht über dem Niveau des sehr schwierigen Jahres 2009.

Abbildung 1

Abbildung 1: Ostschweizer Exporte nach Gütergruppen, 1995-2017

Ganz anders sieht es bei den Metallen aus. Hier konnten inzwischen sogar die Höchstwerte von 2007 wieder leicht übertroffen werden. Grösster Verlierer waren aber die Textil- und Bekleidungsexporte, welche sich bis 2007 knapp auf dem Niveau von 1995 halten konnten, seither aber etwa auf die Hälfte ihres damaligen Wertes gesunken sind.

Auf der Gewinnerseite stehen Nahrungsmittel und Fahrzeuge. Bei den Nahrungsmitteln waren vor allem die Exporte aus dem St.Galler Rheintal für den Boom verantwortlich, wo Red Bull einen wichtigen Produktionsstandort aufgebaut hat. Der Fahrzeugbereich verdankt den Aufschwung vor allem Stadler Rail.

Der Rückgang der Maschinenexporte zog auch die Ostschweizer Gesamtexporte nach unten. Zwischen 2008 und 2017 war ein Rückgang von 8% zu verzeichnen (Abbildung 2). Maschinen, Apparate und Elektronik allein waren für knapp drei Viertel dieses Rückgangs verantwortlich, mit einem negativen Beitrag von 6%.

Auch der Rückgang der Exporte von Textilien und Bekleidung hinterliess deutliche Spuren in der Gesamtbilanz. Auf der positiven Seite steuerten Nahrungsmittel 2.5 Prozentpunkte, Fahrzeuge 1.5 Prozentpunkte und Metalle knapp 1 Prozentpunkt zum Wachstum bei.

Abbildung 2

Abbildung 2: Beitrag Gütergruppen zum Wachstum der Ostschweizer Exporte, 2008-2017

Bei der Entwicklung der Exporte nach Gütergruppe bestehen erhebliche Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zur Entwicklung auf Ebene Schweiz. Wie in der Ostschweiz waren die Exporte von Maschinen, Apparaten und Elektronik für einen Rückgang von etwa 6% verantwortlich (Abbildung 3).

Die Metallexporte verzeichneten auf Ebene Schweiz dagegen einen leichten Rückgang. Grosse Wachstumstreiber waren die beiden Gütergruppen Chemie und Pharma sowie Präzisionsinstrumente und Uhren. Insgesamt resultierte für die Schweiz als Ganzes ein Wachstum der Exporte von knapp 7%.

Abbildung 3

Abbildung 3: Beitrag Gütergruppen zum Wachstum der Schweizer Exporte, 2008-2017

Exporte im regionalen Vergleich

Im interregionalen Vergleich der Wachstumsraten liegt die Ostschweiz damit an drittletzter Stelle (Abbildung 4). Nur die Südostschweiz und die Zentralschweiz verzeichneten ein noch tieferes Wachstum.

Der scharfe Einbruch in der Zentralschweiz ist allerdings auf eine neue regionale Verbuchungspraxis bei den Pharmaexporten zurückzuführen. Während die Pharmaexporte aus Zug laut Statistik um über 5.5 Milliarden Franken sanken, stiegen diejenigen aus Schaffhausen um etwa denselben Betrag.

Offenkundig fand eine neue Zuordnung der Exporte eines grossen multinationalen Pharmaunternehmens statt, wobei es sich um Johnson und Johnson handeln dürfte.

Während die Eidgenössische Zollverwaltung diesen Fall nicht kommentiert hat, so kommentierte sie einen anderen Fall falscher resp. irreführender Zahlen. Das zeigt, dass diese Zahlen vor allem auf Ebene einzelner Kantone mit erheblicher Vorsicht interpretiert werden müssen.

Unter den Gewinnern finden sich, neben dem bereits kommentierten Sonderfall Zürich, vor allem die Genferseeregion und die Nordwestschweiz. Erstere profitierten vor allem von einem Wachstum der Uhrenexporte, letztere von demjenigen der Pharmaexporte.

Bis 2014 schnitt auch der Espace Mittelland gut ab, musste 2015 aber einen deutlichen Rückgang hinnehmen. Bis 2016, d.h. bis zur erwähnten Umbuchung von Pharmaexporten, entwickelten sich auch die Exporte der Zentralschweiz sehr positiv.

Einen Beitrag dazu leisteten relativ starke Exporte von Maschinen und Elektronik, wo die Zentralschweiz seit 2008 vorne liegt (Abbildung 5). Trotz deutlichem Rückgang findet sich die Ostschweiz beim Wachstum dieser Gütergruppe immer noch an dritter Stelle, leicht hinter der Region Zürich.

Bei den Metallen lag die Ostschweiz an zweiter Stelle, nur hinter der Genferseeregion und deutlich vor dem schweizerischen Mittel (Abbildung 6).

Abbildung 4

Abbildung 4: Entwicklung der Exporte nach Region

Abbildung 5

Abbildung 5: Entwicklung der Exporte von Maschinen und Elektronik nach Region

Abbildung 6

Abbildung 6: Entwicklung der Exporte von Metallen nach Region

Gute Konjunktur und Aufwertung des Euro helfen Ostschweizer Exporten

Aktuell werden die Ostschweizer Exporte durch die gute Konjunkturlage in Europa und den erstarkten Euro gestützt. Mittelfristig bestehen allerdings grosse Herausforderungen. Vor allem der Bedeutungsverlust der Maschinenindustrie, nach wie vor die wichtigste Gütergruppe, muss zu denken geben.

Mit dem Rückgang der einst dominierenden Textilbranche hat die Ostschweiz bereits einmal einen solchen einschneidenden Wandel durchgemacht. Damals konnten andere Branchen in die Lücke springen. Ob dies auch diesmal gelingen wird, wird die Zukunft zeigen.

Mit der grossen Abhängigkeit von den europäischen Märkten, insbesondere der deutschen Automobilindustrie, bestehen mittelfristig Gefahren für die Ostschweizer Exporte. Amerikanische Handelsbeschränkungen und Verschiebungen in der Automobilbranche, Stichwort Elektroautos, sind nur zwei der Risikofaktoren.

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Autor/in
Frank Bodmer

Dr. Frank Bodmer ist Leiter von IHK-Research, dem volkswirtschaftlichen Kompetenzzentrum der IHK St.Gallen-Appenzell.

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