Die prominente Jury hat entschieden, welche drei Teams für den diesjährigen «Wtt Young Leader Award» nominiert sind. Die Rangierung wird am Award Abend vom 30. Oktober 2023 in der Tonhalle bekannt.
«Unsere Produkte werden immer komplexer», sagt Reto Steiger. Beim Fenster- und Haustürenhersteller Internorm ist er für Produktmanagement und Kundendienste zuständig. Beispielsweise werden Türen heute per Fingerabdruck geöffnet. Was bedeuten solche Entwicklungen mit elektronischen Anwendungen für den Service des Unternehmens? Bisher erfolgte dieser fast nur über Vertriebspartner. Von einem Praxisprojektteam wollte Reto Steiger wissen, ob es sinnvoll ist, das bestehende Vertriebsnetz mit einem eigenen Endkundenservice zu ergänzen. Wie sähe ein mögliches Modell aus, das die Partner mit ins Boot holt?
Den Auftraggeber überrascht
Der studentische Projektleiter Gian-Reto Capaul (Richterswil) und sein Team mit Raphaela Dürr (St. Gallen), Michelle Dürst (Kaltbrunn), Erich Fust (Dreien), Federico Kunz (Weesen) und Jennifer Schmucki (Rieden) fühlten sich von der Aufgabe angesprochen: «Wir waren frei in der Projektgestaltung und innovative Ansätze gefragt», erzählt Gian-Reto Capaul. Die Studierenden analysierten massgebende Beispiele im Markt, diskutierten mit Immobilienunternehmen sowie Vertriebspartnern und prüften, wie sie von Trends wie künstlicher Intelligenz, Big Data, E-Commerce oder dem Fachkräftemangel betroffen sind. «Die Ergebnisse waren für uns teils überraschend», findet Auftraggeber Reto Steiger.
Beispielsweise sahen die Internorm-Händler wenig Potential beim Thema Digitalisierung. «Zahlreiche Vertriebspartner würden allerdings eine Entlastung beim Tagesgeschäft begrüssen. Sie könnten sich sogar vorstellen, bei Engpässen Serviceaufträge an Internorm zu delegieren», so Michelle Dürst. Dazu passend erarbeitete das Team ein neues Modell für den Internorm-Kundendienst mit Services wie etwa einem Online-Schadenformular, technischen Schulungen oder einem Support-Pool.
«Herausgekommen seien kreative Lösungen und innovative Dienstleistungen», lobt Team-Coach und OST-Dozent Dr. Karl Neumüller. Das sieht auch Internorm-Chef Michele Spidalieri so: «Die neue Serviceorganisation ist bereits budgetiert.»
Bild: Auftraggeber Michele Spidalieri und Reto Steiger (Mitte) wollten einen unvoreingenommenen Blick. pd
Intelligente Fenster und Türen für vorausschauende Wartung
Wie oft werden Fenster geöffnet oder geschlossen? Sind sie etwa durch Erschütterungen beeinträchtigt? Dank Sensoren ermöglicht das Internet der Dinge eine vorausschauende Wartung sensibler Anwendungen. «In Spitälern, Flughäfen oder anderen öffentlichen Gebäuden muss der Brandschutz jederzeit gewährleistet sein», weiss Daniel Dutler von Jansen. Das Rheintaler Unternehmen macht unter anderem Stahl- und Aluminiumprofile, aus denen Fenster, Türen, Schiebeelemente und Fassaden vom Metallbauer gefertigt werden.
Metallbauer mit Daten unterstützen
Als Leiter Software- und Maschinen-Services beschäftigt sich Daniel Dutler mit der Digitalisierung und Automatisierung für seine Kundschaft und fragte sich: Macht es Sinn, die fertigen Elemente mit Sensoren auszustatten? Gefragt waren Abklärungen bei Kunden und ein Geschäftsmodell. Das Studierendenteam mit Projektleiter Vincent Chan sowie Ronja Blattner (Arbon), Fabian Helbling (St. Gallen), Sandra Neff (Appenzell), Felix Schilling (Sennwald) und Andreas Wirth (Henau) liess sich von den technischen Fragestellungen begeistern: Wie ist die Akzeptanz des Internets der Dinge bei kleineren und mittleren Metallbauern? Welche Herausforderungen haben sie in der Wartung?
«Bei unserem Konzept geht es darum, Daten zu sammeln und auszuwerten, die Metallbauer unterstützen», sagt Vincent Chan. Mit einer Datenplattform, vorausschauender Wartung oder Energiemanagement liessen sich Kosten sparen oder die Kundenzufriedenheit erhöhen. Die Studierenden stiessen auf grosse Offenheit bei der Kundschaft. «Aber es braucht Schulungen und der Mehrwert für die Endkunden muss klar hervorgehoben werden – etwa mit einem Kostenmodell», ergänzt Ronja Blattner. OST-Dozent Dr. Sebastian Scheler begleitete das Team und lobt: «Es arbeitete sich mit grossem Einsatz ins Internet der Dinge für den Bausektor ein.»
Mit den Studierenden unkonventionelle Lösungen zu diskutieren, sei anregend gewesen, so Daniel Dutler. «Die Empfehlungen sind für uns sehr hilfreich». Jansen könne nun ein funktionierendes Geschäftsmodell diskutieren.
Bild: Studierende zeigten Daniel Dutler (Mitte rechts), wie er Kunden von intelligenten Fenstersystemen überzeugen kann. pd
Attraktive Pflege-Arbeitsmodelle für die Spitex St.Gallen
Fachleute fehlen insbesondere der Pflege. «Die Situation ist angespannt», weiss der Chef der Spitex St.Gallen, Guy Lorétan. Gute Löhne reichten nicht mehr, man müsse sich etwa mit ansprechenden Arbeitszeitmodellen profilieren. Doch wie bringt man die Bedürfnisse von Mitarbeitenden, Klienten und Arbeitgeberin zusammen? Das sollte ein Praxisprojektteam herausfinden.
Positive Signale gesetzt
«Mitarbeitende und ihre Bedürfnisse sind sehr verschieden», erzählt der studentische Projektleiter Raffael Loosli (Balzers). Gemeinsam mit Salomé Eugster (Wängi), Darko Ristic (Henau), Luis Romagna (Sargans), Sarina Sieber (Widnau) und Valeria Turi (Bichwil) befragte er die Spitex-Mitarbeitenden und dachte sich in ihre Situation hinein. Das Team begleitete dafür auch Pflegekräfte im Einsatz. «Wunschkonzert» sei leider keine Lösung: das Arbeitsgesetz, die komplexe Einsatzplanung sowie unterschiedliche Qualifikationen und ein Mix aus Vollzeit-, Teilzeit- sowie Temporär-Mitarbeitenden setzten der Aufgabe einen Rahmen.
Das Team suchten nach guten Beispielen aus der Praxis, kam jedoch zum Schluss: Es braucht individuelle Lösungen – und einiges an Kopfarbeit für die Entwicklung. So erarbeiteten die Studierenden Massnahmen für Brennpunkte aus ihrer Befragung: «Beispielsweise können sich Mitarbeitende dank kürzerer Mittagszeit Ferienguthaben ‘kaufen’», so Sarina Sieber. Der Aufbau eines Pflegepools könnte bei Ausfällen entlasten. Zudem sollen Mitarbeitende gemäss den Studierenden Schichten priorisieren und mehr Frei-Wünsche anbringen können.
«Spitex FlexiCare» tauften die Studierenden ihr Modell. «Es hat spannende Ansätze, die intern positive Signale setzten und Verbesserungen ermöglichen», sagt Guy Lorétan, der die Massnahmen nun noch auf Herz und Nieren prüfen will. Gemäss OST-Professorin Alexandra Cloots, die das Team coachte, gelang es, Bedürfnisse von Mitarbeitenden und Geschäftsleitung unter einen Hut zu bringen – ihr passendes Urteil: «Chapeau!»
Hauptbild: Lösungen gegen den Fachkräftemangel in der Pflege erarbeiteten Studierende für Guy Lorétan von der Spitex St.Gallen (Mitte). pd
Pascal Tschamper (*1974) ist selbständiger Kommunikationsberater in St.Gallen (Tschamper Kommunikation). Zuvor arbeitete als Kommunikationschef im Bildungsbereich und in diversen Marketing-, PR- und Event-Agenturen in Zürich und St.Gallen.
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