Von einer Karriere als Fussballprofi träumen viele Buben und Mädchen. Wer diesen Traum in der Ostschweiz realisieren möchte, geht zu einem der FCO-Stützpunkte. «Wir bieten den Talenten aus der Region eine Plattform, um im Leistungssport Fuss zu fassen», sagt Mario Gilli von Future Champs Ostschweiz.
Einmal im ausverkauften Kybunpark spielen. Das grün-weisse FCSG-Trikot tragen. Die Gesänge der Fans hören, ihre Unterstützung fühlen, ihnen etwas zeigen. Später vielleicht ins Ausland wechseln, in eine grosse Liga, Champions League spielen. Das ist der Traum tausender Buben und Mädchen, die auf regionalen Fussballplätzen ihre ersten Schritte im Fussball gehen, begleitet von ihren Eltern und den ehrenamtlichen Trainerinnen und Trainern der Fussballclubs.
Doch der Traum von der Profikarriere platzt oft. Der Weg in den Kybunpark ist lang, von Lernprozessen, Verzicht, Hindernissen und Konkurrenzkampf geprägt. «Wir sind auch Traumzerstörer», sagt Mario Gilli, Technischer Leiter von Future Champs Ostschweiz. In diesem Gefäss reifen Buben zu Fussballern heran, aus diesem Gefäss heraus sollen es möglichst viele in die Profimannschaft des FC St. Gallen schaffen.
Wie dies Christian Witzig, Betim Fazliji, Leonidas Stergiou und weiteren gelungen ist. «Vo de Fuessballschuel id Königsklass – alles Gueti, Leo!» stand auf einem Spruchband des Espenblocks, das er vor dem letzten Saisonspiel gegen den FCZ zeigte. Der VfB Stuttgart hat den Toggenburger Verteidiger nach einer Saison Leihe definitiv übernommen – mit den Schwaben spielt Stergiou nächste Saison Champions League.
Breites Netzwerk, um die besten Talente zu finden
Die Eigengewächse haben als kleine Buben bei einem regionalen Club angefangen. Christian Witzig beim FC Münchwilen, Betim Fazliji bei Rebstein. Dann nahmen sie an Sichtungstrainings teil. Solche sind bei acht Stützpunkten möglich, über die ganze Ostschweiz verteilt. «Uns ist wichtig, regional möglichst breit aufgestellt zu sein, damit wir die besten Talente finden und uns keines durch die Lappen geht», sagt Mario Gilli.
Stützpunkte gibt es im Thurgau, in Wil, in St. Gallen und in Appenzell, es gibt die Teams Rheintal-Bodensee, Liechtenstein, St. Gallen Süd und den Bündner Fussballverband. Nahe an den Stammvereinen zu sein, ist FCO wichtig – ohne die Unterschrift eines Verantwortlichen dieser Clubs kann kein Junior und keine Juniorin an einem Probetraining teilnehmen. Und: Mindestanforderung ist auch, eine messbare Qualität im Jonglieren mitzubringen. Ist das nicht etwas banal? «Das werde ich oft gefragt. Es geht darum, eine erste kleine Hürde zu stellen, das siebt bereits die ersten paar Prozent heraus», erklärt Mario Gilli.
Wer das Selektionstraining besteht, kommt in die Footeco-Mannschaft des Stützpunktes. Footeco steht für Fussball, Technik und Koordination, die Trainingsschwerpunkte im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren. Die Buben und Mädchen bleiben in ihrem gewohnten Umfeld, ehe sie auf Förderstufe 2, im Oberstufenalter, an Sportschulen wechseln.
Einige haben auch die Chance, in der FCO-Akademie zu wohnen. Vor allem wenn sie weit entfernt leben, ihren Traum aber weiterverfolgen wollen. Die Akademie ist das Wohnhaus für Nachwuchsspieler und bietet rund 22 Spielern die Möglichkeit, nahe am Trainingsstandort zu leben. Zudem bietet der Talent-Campus jungen Talenten die Möglichkeit, Hobby und Schule zu vereinbaren. Der Talent-Campus liegt einen Steinwurf vom Stadion entfernt und bietet rund 35 Spielern die Möglichkeit, bis zu 8 Trainingseinheiten wöchentlich zu absolvieren. Sowohl der Talent-Campus wie auch die Akademie sind aus dem Konstrukt FCO nicht mehr wegzudenken.
Das Ziel ist, alle Spieler individuell zu begleiten
Nach Footeco folgt ein erster grosser Cut. «Einige schaffen den Sprung in den Junioren-Spitzenfussball, viele Jugendliche kehren gut ausgebildet in den Regionalfussball zurück», steht auf der Website von FCO. Das ist Klartext. Alle wissen, woran sie sind, wollen sie den Weg ins Profigeschäft gehen. In der U15 gibt es nur noch fünf FCO-Teams, wovon eines als FC St. Gallen startet und in der nationalen Meisterschaft spielt. Die anderen vier Teams stehen jenen offen, die in der Entwicklung noch weniger weit sind.
Jugendliche entwickeln sich unterschiedlich schnell; wer es nicht ins FCSG-Team geschafft hat, ist nicht abgeschrieben. Denn Ziel von FCO ist, alle individuell zu begleiten. «Niemand darf denken, es sei ein Abstieg, bei Wil statt bei St. Gallen zu spielen. Die Spieler bekommen individuelle Entwicklungsziele, dafür haben wir vollamtliche Trainer und geschulte Spezialisten. Manche machen den Knopf sehr früh auf, andere eher spät. Man muss ihnen Zeit geben», sagt Mario Gilli.
Besonders wichtig sei in dieser Phase, oft mit den Spielern zu sprechen. Sensible Jugendliche verarbeiten Enttäuschungen nicht gleich gut wie gestandene Profis. Da stets am Puls zu sein, ist eine der wichtigsten Aufgaben von FCO.
Dank klarer Werte auch die Persönlichkeit entwickeln
Die dritte Förderstufe ist naturgemäss die härteste. Es starten immer weniger Teams für FCO, was heisst: Es braucht immer weniger Spieler. Es wird gesiebt, viele Träume platzen. Auf Stufe U21 stellt der FCSG nur ein Team. Dieses ist gerade in die 1. Liga Classic abgestiegen, zuvor spielte es in der dritthöchsten Liga, der Promotion League. «Diese ist ein gutes Gefäss, weil der Spielrhythmus sehr hoch ist. Für den Verein ist es aber kein Muss, dort zu spielen», sagt Mario Gilli. Sie biete nicht nur Vorteile, und ohnehin sei wichtiger, die Spieler sportlich und persönlich zu entwickeln. Das sei auch in der 1. Liga Classic möglich.
Nebenher ist es zentral, den Plan B für das Leben zu schmieden. Die Ausbildung ist ebenso wichtig wie der Sport. So können die Spieler die Kantonsschule besuchen, andere schulische Wege in Angriff nehmen oder eine Berufslehre starten. Es gibt auch die Chance, eine vierjährige Ausbildung an der United School of Sports zu absolvieren. Neben Schule und Praktika haben die Trainings viel Stellenwert. FCO schätzt sich aber auch neben der «United» glücklich, auf viele Arbeitgeber zählen zu dürfen, die junge Spieler auf ihrem Weg unterstützen und fördern.
Denn: FCO bildet nicht nur Fussballer aus, sondern primär Menschen. Die Persönlichkeitsentwicklung ist zentral. Und sie ist ein Spagat. «Die Ostschweizer zeichnen sich durch ihre bodenständige Art aus, die Spieler müssen aber mutig und zielstrebig sein. Es gilt, die Balance zwischen Bodenständigkeit und der Frechheit zu finden, die es im Profibusiness braucht», so Mario Gilli. Werte wie Respekt und Loyalität seien unabdingbar und die Basis dafür, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Resilienz sei auch auf dem Fussballplatz entscheidend. Auch bei denen, die den Durchbruch schaffen. Bei denen, die sich wirklich das grün-weisse Trikot überstreifen und für St. Gallen im vollen Kybunpark spielen dürfen. Denn das Debüt ist erst der Start zur grossen Profikarriere – als Spieler und als Mensch.
Auch für Trainer ist FCO ein geeignetes Sprungbrett
Bei Future Champs Ostschweiz geht es aber nicht nur um die Ausbildung von Spielern, sondern auch von Trainern. Als «mindestens gleich gross» bezeichnet Mario Gilli das Sprungbrett, das FCO Übungsleitern bietet, aber auch Spezialisten oder Funktionären. «Es gibt uns eine Nachhaltigkeit, wenn Trainer wissen, sie können sich von uns aus entwickeln», sagt Gilli, der Brunello Iacopetta als Beispiel nennt. Er wird Trainer des FC Aarau, zuvor war er, auch in der Challenge League, bei Wil tätig.
Dort heisst sein Nachfolger Marco Hämmerli. Er hat in der letzten Saison die neue U19 des FC St. Gallen trainiert und wagt nun den Sprung zu den Profis. Hämmerli ist Wiler und spielte für den FCW sowie den FCSG in der Super League. So schafft Future Champs Ostschweiz auch auf dieser Ebene jene Identifikation, die der Organisation als Leuchtturm der Nachwuchsförderung so wichtig ist.
(Text und Bilder: Remo Zollinger)
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