Ralph Weibel hat keine Angst anzuecken. Er sagt Dinge, die andere nicht sagen. In seiner neuen Rubrik «Weibel wirbelt auf» nimmt er uns mit auf eine Reise durch die Absurditäten des Alltags. Lassen Sie sich überraschen, wen oder was er für «Die Ostschweiz» aufs Korn nimmt.
Endlich habe ich es als Stadtsanktgaller in den Square der HSG geschafft. In diesen Leuchtturm des Lernens und Lehrens lud eine neue Reihe unter dem Titel «SQUARE Sessions – Singer-Songwriter:in in einzigartiger Ambiance».
Für alle, die statt Frühenglisch noch so altmodisches Zeugs wie Lesen, Schreiben und Rechnen in der Schule gelernt haben: «Eine Sitzung von geschlechtsneutralen Sängern und Liederschreibern in einer einzigartigen Atmosphäre.»
Etwas mehr Kultur kann nicht schaden
Nun, etwas mehr Kultur in der Stadt kann nicht schaden, wenngleich sich der Besucheransturm noch in Grenzen hielt, und der eine oder andere Song nicht unbedingt hätte geschrieben werden müssen. Was übrigens nur in Englisch zu gehen scheint.
Doch während ich im Wortfetzensumpf von «Promise you», «Love» und «Freedom» wehmütig an grosse Liedermacher und Geschichtenerzähler wie Mani Matter, Ludwig Hirsch oder Konstantin Wecker denke, kocht in mir die Galle hoch. In diesem Tempel der modernen Architektur kommt tatsächlich so ein HSG-Schnösel die geschwungene Treppe herunter, lauthals telefonierend.
Ein Geschäftstelefonat, äh, Businesscall?
Man weiss nicht, ob er gerade eine wichtiges Geschäftstelefonat, also einen Businesscall, mit New York führt oder sein Mami fragt, ob er den Drops in den Geschirrspüler stecken oder selber lutschen muss. Da lauschen ein paar Dutzend einem Liedermacher, und dieser Fatzke hat nicht den Anstand, sich etwas zu mässigen. Offenbar dreht sich die Welt nur um sein Pickelgesicht. Die personifizierte Respektlosigkeit vor der Kultur.
Kurz überlege ich mir, aus meinem Designersessel – alles vom Feinsten auf dem Rosenberg – aufzustehen, ihm die Leviten zu lesen und sein Smartphone zu zerstampfen. Leider hindert mich meine gute Kinderstube daran, was ich im Nachhinein sehr bedaure.
Der Stadt-St. Galler Ralph Weibel pflügt sich seit über 30 Jahren als Bühnenautor durch die Medienlandschaft. Mehrere Jahre produzierte er zudem die Satirezeitschrift «Nebelspalter».
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