Die Moschee in Wil. (Bild: Adrian Zeller)
Die Pläne zum Bau einer Moschee in Wil trugen einst zur Anti-Minarett-Initiative bei. Mittlerweile ist das islamische Begegnungszentrum zum intensiven Anziehungspunkt für unterschiedlichste Besuchergruppen geworden.
Angehende Pflegefachkräfte, Mitglieder von kirchlichen und politischen Behörden sowie Rotarier sind einige Beispiele von Gruppen, die die Moschee am Stadtrand von Wil besichtigen. Gemäss Angaben von Imam Bekim Alimi (Bild) lassen sich pro Woche durchschnittlich drei Gruppen die verschiedenen Räume zeigen. Sie nutzen zudem die Gelegenheit Frage zu stellen: «Es werden dabei auch kritische Fragen, zum Beispiel zum Tragen des Kopftuchs, gestellt.»
Die Nachfrage nach Moscheeführungen habe mittlerweile ein so intensives Ausmass angenommen, dass auf der Homepage ein eigener Buchungsbereich eingerichtet werden musste, erzählt der Imam: «Die telefonische Terminvereinbarung war mengenmässig nicht mehr zu bewältigen.»
Die Moschee in Wil. (Bild: Adrian Zeller)
Das Vorhaben zum Bau des islamischen Begegnungszentrums in Wil löste vor rund 15 Jahren im Quartier, in der Stadt und später im ganzen Land heftige Kontroversen aus. In der Folge sprach sich 2009 eine Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten für eine Änderung der Bundesverfassung aus, wonach in der Schweiz keine Minarette gebaut werden dürfen.
In Wil wurden die entsprechenden Baupläne angepasst. Dennoch beschäftigen die Einsprachen zum Bauprojekt mehrere Gerichtsinstanzen, erinnert sich Bekim Alimi. Der 49-jährige wuchs in Nordmazedonien auf, er studierte in Kairo Theologie und Philosophie. 1999 kam er im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz. Der Motorradfan ist Vater von zwei erwachsenen Söhnen. Neben seiner Tätigkeit in der Moschee wirkt er als Religionslehrer an verschiedenen Schulen, nimmt immer wieder an Podiumsdiskussionen teil und ist Mitglied von Arbeitsgruppen.
Verkehrskadetten vor Ort
Das Verhältnis zur Nachbarschaft der Moschee im Quartier beschreibt der Imam als mittlerweile freundlich bis gelassen. Vor einiger Zeit beschwerten sich einzelne Anwohner in den Medien über wildes Parkieren sowie lautstarkes Zuschlagen von Autotüren in der Nacht.
Als Konsequenz hat man seitens der Moschee ein Verkehrskonzept für verschiedene Frequentierungsstufen erstellt. Bei grösserem Besucheraufkommen werden Verkehrslotsen eingesetzt.
Spenden und Fronarbeit
Ab den 1990-Jahren trafen sich die Muslime aus Wil und Umgebung in einer umgenutzten Gewerbeliegenschaft in Bahnhofsnähe. Da die Räumlichkeiten an ihre Kapazitätsgrenzen stiessen, wurde über den Bau einer eigenen Moschee nachgedacht.
Zur Finanzierung des Bauprojekts organisierte man Spendenanlässe, zudem sagten muslimische Familien in der Region regelmässige Geldbeträge zu; rund 850 Familien gehören dem Trägerverein der Moschee an. Beim Innenausbau des Gemeinschaftszentrums wurden zudem rund 13'000 Stunden Fronarbeit geleistet.
Offen gelegte Konten
Angesprochen auf das damals kursierende Gerücht, aus den Golfstaaten seien namhafte Beträge für den Moscheebau geflossen, antwortet der islamische Seelsorger: «Sämtliche Finanzen flossen über ein Konto bei der St.Galler Kantonalbank, da herrschte Transparenz. Auch die Wiler Behörden durften immer wieder Einblick in die Konten nehmen.» Auch Vertreter von Radio SRF waren vor Ort und prüften alle Kontounterlagen. Sämtliche Zuwendungen kamen aus eigenen Kreisen.
Der Imam zeigt auf seinem Handy eine App der Wiler Islamischen Gemeinschaft, in der man mit einem PIN-Code in seine eigenen Spendenbeträge Einblick nehmen kann, damit sollen allfällige buchhalterische Tricks verunmöglicht und jedem Misstrauen vorgebeugt werden.
Nachrichtendienst wurde aktiv
Im Interview wird deutlich, dass die Islamische Gemeinschaft in Wil jedem Verdacht auf Fundamentalismus und auf Indoktrination vorbeugen will und Wert auf Transparenz legt. Dies dürfte auch eine Konsequenz aus dem seinerzeitigen Einbürgerungsverfahren von Alimi sein.
Im Wiler Stadtparlament wurden verschiedene kritische Vorstösse eingereicht. Beim diplomierten Theologen wurden eine fundamentalistische Gesinnung und entsprechende personelle Verbindungen vermutet. Sogar der Nachrichtendienst des Bundes wurde aktiv; dieser konnte die Mutmassungen nicht bestätigen. 2018 erhielt der Imam den Schweizer Pass.
(Bilder: Adrian Zeller)
Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.
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