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FDP-Regierungsrat in der Kritik

Wolfsjagd als Weiterbildung: Beat Tinner, welchen Nutzen hat eine solche Russland-Reise für den Kanton?

Der Leiter des Amtes für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St.Gallen hat einer mehrtägigen Wolfsjagd in Russland teilgenommen. Das Ganze wird als «Weiterbildung» bezeichnet. Was hat sich der zuständige Regierungsrat Beat Tinner dabei gedacht? Gegenüber der «Ostschweiz» bezieht er Stellung.

Marcel Baumgartner am 31. März 2024

Gemäss aktuellen Medienberichten ist der Leiter des Amtes für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St.Gallen zusammen mit einem Wildhüter kürzlich nach Russland gereist, um an einer Jagd auf Wölfe teilzunehmen. Die fünftägige Reise erfolgte auf eigene Kosten, aber während der Arbeitszeit und wurde von Volkswirtschaftsdirektor Beat Tinner bewilligt. SRF hat darüber zuerst berichtet. Und die Kritik - unter anderem von den Grünen des Kantons St.Gallen - folgte umgehend. In der Schusslinie steht der zuständige St.Galler Regierungsrat Beat Tinner.

Beat Tinner, haben Ihnen die Medienartikel rund um die Wolfsjagd in Russland die Ostertage ruiniert?

Nein, überhaupt nicht. Kritische bzw. unterschiedliche Haltungen gehören zu meinem Aufgabengebiet und damit kann ich sehr gut umgehen. Das Amt für Natur, Jagd und Fischerei arbeitet in einem Zielkonflikt zwischen Schutz und Nutzung und diese Aufgabenerfüllung löst Reaktionen aus.

Russland. Wolfsjagd. Eine «Weiterbildung» dafür mit Steuergeldern in der besagten Region: Da müssten bei Ihnen doch eigentlich die Alarmglocken geläutet haben. Weshalb haben Sie grünes Licht gegeben?

Es ging ein Gesuch ein, 5 Arbeitstage zur Verfügung zu stellen, da der Fachaustausch einen Mehrwert für die Aufgabenerfüllung darstellt. Die Organisation der Reise und die Reisekosten haben der Amtsleiter wie der Wildhüter getragen.

Vermeldet wurde, dass es sich um eine «Weiterbildung» handelte, die dazu diente, die Methode der sogenannten Lappjagd kennenzulernen und eine mögliche Anwendung in der Schweiz zu eruieren. Was ist der konkrete Nutzen für den Kanton St.Gallen?

Für die Regulierung des Calfeisentalrudels wendeten wir über 400 Arbeitsstunden durch die Wildhut auf. Der personelle Aufwand ist immens und damit auch die damit verbundenen Kosten. So ist es doch vernünftig, mögliche, seit Jahrhunderten angewandte Methoden als Alternative zu prüfen.

Laut einer Mitteilung der Grünen ist diese Form der Treibjagd in der Schweiz aus rechtlichen Gründen gar nicht praktikabel. Ist das korrekt und war Ihnen und den beteiligten Personen das bewusst?

In dieser Frage haben unsere Fachleute eine andere Meinung. Man muss sich bewusst sein, dass u. a. grüne Verbände gegen die verfügte und vom Bafu genehmigte Wolfsregulation Beschwerden erhoben haben sowie auch gegen kantonale Verfügungen. Dabei geht es darum, das Zeitfenster für die Wolfsjagd durch Verfahrensfristen auszuhebeln. Davon schreibt niemand!

Und wieso ausgerechnet Russland? Gibt es effektiv keine anderen Länder, die für eine solche Reise infrage gekommen wären? Die Grünen werfen Ihnen hier «gedankenloses Vorgehen» vor.

Die Organisation und damit auch das Reiseziel lag in der Hand der Reiseteilnehmenden. Aus fachlicher Sicht war es nachvollziehbar, die praktische Anwendung der Lappjagd in Russland zu begutachten, weil sie dort seit Langem praktiziert wird.

Haben Sie Kenntnis von anderen Kantonen, die ähnliche «Weiterbildungen» gemacht haben?

Nein. St. Gallen ist der fünftgrösste Kanton in der Schweiz, von Wolfsrudeln betroffen, und kann und soll in zu lösenden Fragen auf allen Ebenen vorausgehen.

Würden Sie die Reise rückblickend erneut bewilligen?

Ich kann die moralischen Bedenken, die gegen eine solche Reise sprechen, durchaus nachvollziehen, da auch ich den Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine verurteile. Für mich stand der fachliche Aspekt bei der Beurteilung im Vordergrund. Wäre nicht die Frage im Raum gestanden, ob ich die Weiterbildung mit der Anrechnung von Arbeitszeit unterstütze, wäre ich vorgängig gar nicht mit der Frage konfrontiert worden, ob eine Reise nach Russland derzeit opportun ist. Reisen nach Russland sind nicht per se verboten.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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