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Noch sind viele Fragen zu klären

Zwischenbericht zur Umsetzung neuer Massnahmen gegen sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche und dessen Vertuschung

Betroffene von sexuellem Missbrauch sollen künftig überall in der Schweiz professionelle und unabhängige Beratung erhalten, Täter zur Rechenschaft gezogen, Risiken für weitere Missbräuche auf allen Ebenen der Institutionen minimiert und deren Vertuschung verhindert werden.

Die Ostschweiz am 27. Mai 2024

Im Werkstattgespräch vom 27. Mai 2024 haben die drei nationalen kirchlichen Organisationen SBK, RKZ und KOVOS Einblick in die laufenden Arbeiten gegeben. Noch sind viele Fragen zu klären, gilt es doch, schweizweit tragfähige Ansätze für die ganze katholische Kirche zu entwickeln, welche die sprachregionalen Unterschiede berücksichtigen. Ein wichtiger Grundsatz ist der Einbezug kirchenexterner Fachleute.

In den Bistümern und Kantonen werden seit längerem Massnahmen getroffen, um dem Risiko von sexuellen Übergriffen präventiv zu begegnen und Betroffene zu unterstützen. Doch der im September 2023 veröffentlichte Bericht zum wissenschaftlichen Pilotprojekt hat aufgezeigt, dass noch viel Arbeit ansteht. Den Auftrag für diese historische Studie haben die drei nationalen Organisationen der römisch-katholischen Kirche erteilt. Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK), die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und die Konferenz der Vereinigungen der Orden und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens (KOVOS) erarbeiten auf nationaler Ebene weitere Massnahmen, mit denen die Aufarbeitung fortgesetzt und institutionelle Mängel angegangen werden.

«Die Zusammenarbeit der drei kirchlichen Organisationen ist ein Novum für die Schweiz. Sie erfordert viel Absprache, ist aber der einzige Weg, um dem Missbrauch konsequent entgegenzutreten», betont Joseph Bonnemain, Bischof von Chur und Themenverantwortlicher der SBK.

Die römisch-katholische Kirche setzt in den nächsten Jahren den Schwerpunkt bei folgenden Massnahmen (mehr dazu im beiliegenden Faktenblatt):

  • Opferberatung, Meldestellen und Fallbearbeitung sollen entflochten und professionalisiert werden. Denn die kircheninternen Melde- und Interventionsstrukturen sind in verschiedener Hinsicht unzureichend. Um eine unabhängige Opferberatung zu garantieren, stehen die kirchlichen Organisationen im Gespräch mit den staatlich anerkannten Opferberatungsstellen und der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK). Im Juni 2024 stehen erste Entscheidungen dazu an.

  • Künftig sollen einheitliche Standards gewährleisten, dass nur Personen in den kirchlichen Dienst gelangen, die für die pastorale Arbeit mit Menschen geeignet sind. Zudem sollen Versetzungen bei Fehlverhalten verhindert werden. Dazu werden einheitliche psychologische Abklärungen für den Berufseinstieg entwickelt und der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen kirchlichen Arbeitgebenden geregelt. An den standardisierten Assessments arbeiten Prof. Jérôme Endrass, forensischer Psychologe, Leiter Forschung & Entwicklung beim Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kanton Zürichs und sein Team mit. Zur Professionalisierung des HR-Bereichs hat die Kirche für die West- und die Deutschschweiz je eine Arbeitsgruppe eingesetzt und holt sich Unterstützung beim spezialisierten Unternehmen von Rundstedt. 2025 sollen erste Assessments durchgeführt werden und die Einführung neuer HR-Standards starten.

  • Das einjährige historische Pilotprojekt wird seit Januar 2024 für drei Jahre fortgeführt und mit 1,5 Mio. Franken von der Kirche finanziert. Die Resultate werden in der ersten Jahreshälfte 2027 öffentlich präsentiert. Zudem wird eine gute Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und den Forschungsteams angestrebt, sofern die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS der Durchführung einer ergänzenden wissenschaftlichen Studie zustimmt.

  • Die Verantwortlichen der Bistümer und Landeskirchen haben eine Selbstverpflichtungserklärung unterzeichnet. Damit verpflichten sie sich, entgegen den kirchenrechtlichen Vorgaben, künftig keine Akten mehr im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen zu vernichten.

  • Ein nationales kirchliches Straf- und Disziplinargericht soll die korrekte und schweizweit einheitliche Anwendung der kircheneigenen Richtlinien und Strafnormen im Umgang mit Missbrauchstätern gewährleisten. Betroffene sollen Schutz-, Informations- und Verfahrensrechte erhalten. Zudem soll das Gericht auch kirchenexterne Juristen und Juristinnen umfassen. Vertreter der SBK haben erste Gespräche mit dem Vatikan geführt. Es wird angestrebt, den Zuständigen in Rom bis Ende 2024 ein Konzept vorzulegen.

«Natürlich kann dieses Massnahmenpaket bei Weitem nicht alle Probleme lösen. Weitere Massnahmen werden folgen müssen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Fragen der Machtausübung, der Sexualmoral und der Stellung der Frauen zeitnah angegangen werden. Dazu gehört auch, dass die Kirche das partnerschaftliche Leben ihrer Angestellten als private Angelegenheit anerkennt und keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr daraus zieht», so Roland Loos, Präsident RKZ.

«Die Aufarbeitung nach den Erkenntnissen aus dem Pilotprojekt zu sexuellem Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz läuft. Zugleich stehen wir vor grundlegenden Fragen, wie der Kirchenverfassung, dem Amtsverständnis oder der Geschlechtergerechtigkeit, die uns im Kern beschäftigen», Peter von Sury, Abt von Maria-Stein und Themenverantwortlicher der KOVOS.

(Bild: Symbolbild)

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