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Serie «Warbird»

Absturz bei Lütisburg: Wie eine Maschine von den Trümmern eines Opfers beschädigt wurde

Während des Zweiten Weltkriegs kam es in der Ostschweiz zu mehreren Landungen und Abstürzen von Militärflugzeugen. Heute in unserer Serie: Eine Maschine mit dem Kennzeichen G4-B und dem Übernamen «Chicago Gunn Moll», die über Ludwigshafen von den Trümmern eines Opfers beschädigt wurde.

Die Ostschweiz am 11. August 2024

In seinem Buch widmet sich der Ostschweizer Dani Egger den Landungen und Abstürzen von fremden Militärflugzeugen in der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs. «Die Ostschweiz» schildert in einer Serie einige Ereignisse aus unserer Region. Als Vertiefung finden Sie hier das Interview mit Dani Egger. Das Buch bestellen können Sie hier.

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Die Maschine mit dem Kennzeichen G4-B und dem Übernamen «Chicago Gunn Moll» wurde über Ludwigshafen von den Trümmern eines Opfers beschädigt. Nachdem der Pilot die Maschine verlassen hatte, stürzte sie bei Lütisburg ab.

Ludwigshafen war am 27. Mai 1944 eines der Ziele für einen Grossangriff auf wichtige Industriegebiete in Mitteldeutschland. Die 8. US-Luftflotte schickte 930 schwere Bomber über die Festung Europa, eskortiert von 710 Begleitjägern der Typen P-38, P-47 und P-51. Schon am 1. April 1944 sollte Ludwigshafen angegriffen werden, doch während die Fliegenden Festungen schon über Frankreich abdrehten, bombardierten Liberator der 44. und 392. Bomb Group irrtümlicherweise Schaffhausen, während eine dritte Gruppe Strassburg als Ausweichziel wählte.

Die Luftschlacht über Ludwigshafen

Unter Führung von Major Irwin H. Dregne starteten die Mustang der 357. Jagdfliegergruppe von Leiston aus, um 150 Festungen der 1st Air Division nach Ludwigshafen zu begleiten. Das in der Nähe von Yoxford in East Anglia gelegene Leiston war während des Krieges nur unter dem Decknamen «Army Air Force Station F-373» bekannt. Von Yoxford bekamen die Piloten dieser Jagdfliegergruppe auch den Übernamen «The Yoxford Boys». In 313 Einsätzen zerstörten sie 609 gegnerische Maschinen in der Luft und 106 am Boden, verloren aber auch 128 eigene Jäger. Nördlich von Strassburg kam es kurz nach dem Rendezvous mit den Bombern um 11.30 Uhr zu einer wilden Kurbelei mit etwa sechzig Messerschmitt Bf 109 und Focke Wulf Fw 190, denen es auch gelang, einige B-17 aus der Führungsformation herauszuschiessen.

Vierzehn Deutsche fielen den tödlichen Browning-Bord-MGs der «Yoxford Boys» zum Opfer. Leutnant Cyril Conklin und Thomas Harris, die je zwei Luftsiege verbuchen konnten, wurden selbst im Luftkampf abgeschossen und verbrachten den Rest des Krieges in Gefangenschaft, während Leutnant Dean Post bei dieser 65. Mission für die 357. Jagdfliegergruppe fiel. Hauptmann Robert D. Brown, ein alter Hase, der von Anfang an mit dieser Gruppe flog, konnte seinen dritten Luftsieg verbuchen, doch wegfliegende Trümmer des abgeschossenen Flugzeuges beschädigten den Merlin Motor, sodass an eine sichere Rückkehr nicht mehr zu denken war.

Notlandung auf Schweizer Boden

Der 23jährige Hauptmann aus Chicago versuchte, seine angeschlagene Mustang in die Schweiz zu retten. Dieser Jäger war am 22. Oktober 1943 aus den Hallen der North American-Werke in Inglewood, Kalifornien, gerollt. Nach dem Transkontinentalflug landete sie zwei Tage später in Buffalo, wo die P-51B-5-NA zusätzliche Ausrüstung erhielt. Am 14. Dezember 1943 in Newark demontiert und in Kisten verpackt, traf sie im Januar 1944 in Blackpool in England ein, wo man sie wieder zusammenbaute und mit dem Kennzeichen G4-B an die 362.Staffel der 357. Jagdfliegergruppe übergab. Ihr Pilot Robert D. Brown taufte sie auf den Namen «Chicago Gun Moll», was frei übersetzt etwa „Gangsterbraut aus Chicago“ heisst. Brown bereitete es einige Mühe die sichere Schweiz zu finden. Nur wenige Kilometer nach Erreichen der Grenze quittierte der Packard-Merlin-V-1650-3-Motor seinen Dienst und der Pilot musste die Maschine verlassen.

Um 12.10 Uhr bohrte sich die «Chicago Gun Moll» nur wenige Meter vom Restaurant «Berghaus» in dem die Wirtefamilie Stadler beim Mittagessen sass, in den Boden. Die Wucht des Aufschlages auf dem Winzerberg bei Lütisburg entwurzelte drei Bäume, ebenso entstand ein Brand am Gebäude, der aber schnell gelöscht werden konnte. Vom Flugzeug blieben nur noch wenige Trümmer übrig, ein begehrter Artikel für die Schulbuben. Robert D. Brown zog sich bei der Landung auf einer Tanne einen Beinbruch zu. Immerhin hatte er Glück im Unglück, denn nur wenige Meter von der Tanne entfernt verlief eine Hochspannungsleitung. Auf einer Tragbahre wurde der Pilot zum Arzt nach Bütschwil gebracht, der ihn ins Krankenhaus von Wattwil einliefern liess. Da Brown als Folge seines Beinbruchs längere Zeit in ärztlicher Behandlung war, kam er nicht nach Davos zu den anderen amerikanischen Offizieren, sondern blieb bis zu seiner Rückkehr im Frühjahr 1945 zusammen mit Polen und Afrikanern in Bütschwil interniert. Von November 1945 bis Februar 1946 war Brown Staffelkommandant der inzwischen in Deutschland stationierten 357th Jagdfliegergruppe. Leider verstarb er kurz darauf in Amerika.

  • Ereignisdatum: 27.5.1944

  • Ort: Lütisburg

  • Nation: Amerika

  • Flugzeugart: Jäger

  • Flugzeugtyp: P-51 Mustang

  • Flugzeugbezeichnung: P-51 B-5-NA

  • Einteilung: 8th Air Force, 357th Fighter Group, 362nd Squadron

  • Basis: Leiston (GB)

  • Auftrag: Bomberbegleitschutz

  • Rückkeh: in der Schweiz verschrottet

  • Besatzung Pilot: Robert D. Brown

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