Andrea Niggli. (Bild: Bodo Rüedi)
Der Bündner Andrea Niggli hat per 1. Mai die operative Leitung der Thomann Nutzfahrzeuge AG mit Hauptsitz in Schmerikon übernommen. Er führt rund 200 Mitarbeitende an fünf Standorten. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Wartung, Reparatur und Verkauf von Nutzfahrzeugen.
Andrea Niggli, bis Ende April leitete Gründer Luzi Thomann das Unternehmen. Ist die Übergabe reibungslos geglückt?
Ich bin zufrieden, ja. Es ist jedoch nicht so, dass ich den CEO-Posten als Neuling übernommen habe. In den vergangenen vier Jahren war ich bereits als Leiter Betriebe in der Geschäftsleitung tätig, danach folgte eine mehrmonatige Vorbereitungszeit. Luzi Thomann konzentriert sich nun auf seine Aufgabe als Verwaltungsratspräsident. Er lässt mir freie Hand.
Bringt er sich im Tagesgeschäft nicht mehr ein?
Wir pflegen eine offene Kommunikation, sprechen über Herausforderungen und sind uns im Kern einig. Der gemeinsame Fokus liegt auf der Wertschöpfungskette. Also dort, wo wir für den Kunden in direktem Einsatz stehen. Mit der Administration allein verdient ein Unternehmen kein Geld. Sie schafft die Rahmendbedingungen für die Mitarbeitenden an der Front, damit sich Kundendienst, Mechaniker und Verkäufer auf die Dienstleistungserbringung und den Kunden fokussieren können.
Thomann Nutzfahrzeuge ist in der Vergangenheit hauptsächlich durch Zukäufe gewachsen. Stimmt dieser Eindruck?
Ja und nein. Ein grosser Anteil unseres Wachstums geht tatsächlich auf Zukäufe zurück. Die neuen Standorte sind dann aber ebenfalls gewachsen. Als ich in Chur startete, waren wir 10 Mitarbeitende. Erst als wir auf 33 Mitarbeitende angewachsen waren, kaufte Thomann Nutzfahrzeuge eine weitere Firma auf. Heute umfasst das Unternehmen fünf Betriebe: Frauenfeld, Arbon, zwei Standorte in Chur und der Hauptsitz in Schmerikon. Alle Standorte zusammen beschäftigen rund 200 Mitarbeitende.
Wie behalten Sie den Managementüberblick?
Ich setze auf die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden. Mit den Betriebs- und Abteilungsleitern tausche ich mich regelmässig an Sitzungen aus, mit jedem Mitarbeitenden auf Wunsch individuell. Die Menschen stehen im Vordergrund. Braucht ein Teammitglied Unterstützung, nehme ich mir sofort Zeit. Produktionszahlen bieten eine Kontrollhilfe. Positive wie negative Vorfälle dürfen mir umgehend übermittelt werden, so bin ich stets informiert.
Andrea Niggli. (Bild: Bodo Rüedi)
Wie steht das Unternehmen wirtschaftlich da?
Gut. Wir durften im vergangenen Jahr erneut ein erfreuliches Ergebnis erzielen und setzen alles daran, auch die Zukunft erfolgreich zu meistern. Die Zahl der Auftragseingänge ist momentan sehr hoch. Unser Team ist bestrebt, die Arbeit zu bewältigen. Dank zusätzlichem Einsatz und flexiblen Arbeitszeitmodellen gelingt uns der Spagat.
Von Automatisierung oder künstlicher Intelligenz sind Sie demnach nicht betroffen?
(lacht) Heute oder morgen sicher nicht. Uns Handwerker wird es noch lange Zeit brauchen. Im administrativen Bereich oder bei der Vernetzung von Fahrzeugen sind schon grosse Schritte zu verzeichnen. Ohne Mechaniker geht es aber auch künftig nicht, und das ist gut so.
Was sind Ihre Ziele als CEO?
Wir möchten das Unternehmen weiterbringen und die Arbeitsplätze sichern. Auch Wachstum streben wir an, aber nicht um jeden Preis. Weitere Firmen zu übernehmen, ergibt keinen Sinn, wenn die notwendigen Fachkräfte fehlen. Eine Übernahme ist daher immer genau zu prüfen.
Apropos Fachkräftemangel: Alle Welt jammert. Sie auch?
Jammern hat noch nie geholfen. Der Mangel an Fachkräften lässt sich nicht wegdiskutieren. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich das Gewerbe den Fachkräftemangel teilweise einredet. Thomann Nutzfahrzeuge steht im Vergleich gut da, darauf sind wir stolz. Wir bieten unseren Mitarbeitenden Vorrechte, die uns zu einem attraktiven Arbeitgeber machen.
Zum Beispiel?
Wir ermöglichen an die eigenen Bedürfnisse angepasste Arbeitsmodelle. Wer will, kann sein Vollzeitpensum in vier Tagen erledigen. Das heisst: zusätzlich einen freien Tag bei vollem Lohn. Es gibt Mitarbeitende, die längere Wochenarbeitszeiten wählen und dafür mehr Ferien erhalten. Das ist eine Win-Win-Situation: Wir haben eine höhere Werkstattkapazität und der Mitarbeitende mehr Freizeit. Zudem haben unsere Mitarbeitenden ab dem dritten Dienstjahr Anrecht auf sechs Wochen Urlaub. Neue Teamkameraden dürfen wählen, ob Sie die sechs Wochen Ferien bereits ab Start beziehen wollen. Alle Mitarbeitenden können ein firmeneigenes Wohnmobil und Maiensäss kostenlos nutzen und geniessen viele weitere Benefits.
Trotzdem: Wenn es keine qualifizierten Arbeitskräfte auf dem Markt gibt, können sie Arbeitgeber auch nicht mit guten Konditionen locken…
Das ist richtig. Darum investieren wir viel Geld und Energie in Ausbildung und bilden auch selbst Fachkräfte aus! Dieses Jahr haben 17 von insgesamt 40 Lernenden ihre Berufsausbildung abgeschlossen und im August starten 16 frische Lernende. Vielversprechend ist auch unser Quereinsteigermodell.
…getreu dem Firmenmotto «Passion statt Standard».
Genau. Der Slogan ist ein Aufruf an uns alle: Wenn wir etwas machen, dann richtig und mit Hingabe. Wir bekennen uns zum Unternehmen und sind stolz auf unseren Beruf. Das gilt auch für mich. Ich bin stolz darauf, Lastwagenmechaniker gelernt zu haben.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
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