Österreich will durchgreifen mit einem Schritt, den bei uns kaum jemand nur schon zu erwähnen wagt: Einer allgemeinen Impfpflicht. Unser Korrespondent aus dem Vorarlberg, Thomas Baer, mit seiner Einschätzung.
Liebe Schweizerinnen, liebe Schweizer
Wenn diese Nachricht kein Weckruf sein sollte! Und wie und wo, soll man mit dem ganzen Irrsinn beginnen? Ich möchte, bevor wir auf die Fakten zu sprechen kommen, einfach daran erinnern, dass die Massnahmen-Kritiker seit Anbeginn fast auf der gesamten Linie mit ihren Vorhersagen Monate im Voraus Recht behielten. Was auffällt und auch wirklich Angst bereitet, ist die Selbstverständlichkeit, mit der ein grosser Teil der Medien und auch der Bevölkerung die neuen Verschärfungen aufnehmen.
Aber so funktioniert das «Zuckerbrot und Peitsche»-Prinzip. Im letzten Sommer fuhr man die Massnahmen auf ein erträgliches Minimum zurück, um sie jetzt noch verschärfter und einschneidender zurückzubringen. Und es funktioniert; viele Menschen nehmen es einfach hin und merken dabei nicht, wie es eng und enger wird, und zwar für jede und jeden! Ihr in der Schweiz habt es in Anbetracht dessen, was hier in Österreich derzeit abgeht, geradezu noch «idyllisch», wenn man dies mit einer Prise Ironie festhalten darf.
Aber glaubt nicht, liebe Schweizerinnen und Schweizer, dass das, was bei uns passiert, in paar wenigen Wochen auch in eurem Land Realität sein dürfte. Warum hält sich der Bundesrat noch dezent zurück? Ist es die bevorstehende Abstimmung, die ihm Bauchschmerzen bereitet, weil, obwohl die «grossen Medien» sich schon fast siegessicher wähnen, vielleicht doch recht knapp herauskommen könnte? Ich weiss es nicht!
Aber Hand aufs Herz: Drehen wir das Zeitrad einmal um zwei Jahre zurück. Wer hätte damals je an Zustände, wie wir sie aktuell erleben, nur zu träumen gewagt? Je länger je mehr wähnen wir uns in einem surrealen Film. Aber leider ist es kein Film, den man einfach abschalten kann, nein, liebe Schweizerinnen und Schweizer; es ist Realität! Das, was hier in Österreich kommt, erinnert an nicht so glorreiche Zeiten, die wir längst überwunden zu glauben schienen. Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich, und genau das müsste unsere Gesellschaft verstehen, nein, begreifen, bevor es zu spät ist.
Ich kann mir diese Blindheit rational nicht mehr erklären und noch viel weniger nachvollziehen, egal, ob man dunkel- oder hellhäutig, Mann oder Frau, hetero- oder homosexuell, links oder rechts oder eben geimpft oder ungeimpft ist! Was wir aktuell erleben, hat mit Freiheit und Demokratieverständnis, aber noch weniger mit Menschenrecht, nichts mehr tun. Prinzipien, für die Generationen vor uns gekämpft haben, werden übergangen oder ausser Kraft gesetzt, egal ob verfassungsmässig legitimiert oder rechtswidrig. In weniger als zwei Jahren sind wir von diesen Werten weitestgehend abgekommen! Verfassungen werden mit den Füssen getreten; nicht nur bei uns.
Die Lage ist «verdammt» ernst
Ja, liebe Schweizerinnen und Schweizer; jetzt ist es fix. Nachdem Oberösterreich und Salzburg bereits vor wenigen Tagen entschieden haben, einen Lockdown für alle auszurufen, ziehen ab Montag alle übrigen Bundesländer nach! Nachdem hier in Vorarlberg zuerst die 2G-Regel eingeführt wurde, herrscht seit letzter Woche der «Lockdown für Ungeimpfte». Aber anscheinend reicht dies noch nicht, obwohl inzwischen den Regierungen klar sein müsste, dass allfällige Auswirkungen erst nach 14 Tagen ihre Wirkung zeigen. Doch nun ist es so, dass bereits am Montag ganz Österreich für vorläufig zwanzig Tage in den «harten Lockdown» geht, und ab dem 1. Februar 2022 gilt eine Impfpflicht!
Gleichzeitig aber stellt VOL.AT die Frage, ob der «Lockdown für Ungeimpfte» rechtlich auf wackligen Beinen stehe. In der Tat sind sehr viele Massnahmen, die getroffen werden, widerrechtlich. Aber eben: Die Frage stellt sich seit bald zwei Jahren; darf das die Regierung? Antwort: Nein, eigentlich darf sie nicht. Frage zwei: Kann es die Regierung durchziehen? Antwort: Ja, sie tut es einfach!
Was derzeit hier politisch abläuft, erinnert an den Blick in eine rotierende Wäschetrommel, sprich es herrscht pures Chaos, und die Politiker verhalten sich wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Anders lässt sich die Situation kaum beschreiben.
Wer derzeit für die Arbeit einen PCR-Test bräuchte, kann es vergessen, denn die Labors sind heillos überlastet. Es kommt vor, dass man 72 Stunden auf das Resultat wartet; dann aber ist der Test faktisch bereits abgelaufen! In Vorarlberg sind jetzt aus diesem Grund wieder die Selbsttests zugelassen. Man bekommt – wer weiss wie lange noch – neu ein Zertifikat des Landes Vorarlberg.
Und wie ist das Handeln der Regierung zu interpretieren? Das Bild der sinkenden Titanic ist hier gar nicht so verkehrt, denn auch damals herrschte auf dem «unsinkbaren» Ozeanriesen pure Verzweiflung und ein riesiges Chaos, so nach dem Motto «rette sich, wer kann». Was nützt es jetzt, wenn sich in «Vorarlberg heute» Politiker, Politologen, Ärzte und Touristiker die Klinke in die Hand drücken und entschuldigend beteuern, man habe die Situation abermals verschlafen? Es sind dieselben Köpfe, die noch vor wenigen Tagen und Wochen stets beschwichtigten, dass es eine Impfpflicht und einen weiteren Lockdown niemals mehr geben werde!
Aber statt ins marode Gesundheitssystem zu investieren, statt auch ganz andere Massnahmen und «Auswege» zu beschreiten, als auf das mittlerweile nicht mehr so eindeutige «Allerheilsmittel», die Impfung, zu setzen, sehen wir aktuell die reinste Orientierungslosigkeit. Dies erkennt man ja nur schon am Zickzack-Kurs des neuen Kanzlers, der den Lockdown für alle mit allen Mitteln verhindern wollte, jetzt aber doch plötzlich nachgibt, um gleich auch noch den Impfzwang auszusprechen! Liebe Schweizerinnen und Schweizer; in welcher Welt sind wir angekommen? Ist das die Welt, die wir uns wünschen, die wir wollen? Ich bitte darum, darüber nachzusinnen.
In diesem Sinne phüet eu
Thomas Baer
Thomas Baer (*1971) absolvierte das Lehrinnen- und Lehrerseminar und unterrichtete von 1999 bis 2006. Danach arbeitete er als Freischaffender Journalist für den Tages Anzeiger Regional, verfasste auch sporadisch astronomische Berichte und Reportagen für die Neue Zürcher Zeitung und wurde ab 2007 Redaktor der astronomischen Fachzeitschrift ORION, welche durch die Schweizerische Astronomische Gesellschaft SAG herausgegeben wird. Heute lebt und arbeitet er in Vorarlberg.
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