Das mit 18 «Gault-Millau»-Punkten ausgezeichnete Gasthaus «Fernsicht» in Heiden muss schliessen. Damit verliert Sternekoch Tobias Funke seine Wirkungsstätte. Gegenüber der «Ostschweiz» sagt er, ob er noch einen Hoffnungsschimmer hat und ob er der Region den Rücken kehren wird.
Für Heiden ist die «Fernsicht» ein Leuchtturm, ein Anziehungspunkt. Von weit her kamen Genussmenschen, um sich von der Küche von Tobias Funke und seinem Team verzaubern zu lassen.
Mit 18 «Gault-Millau»-Punkten und zwei Michelin-Sternen, dem grünen Stern für Nachhaltigkeit, dem Fondue-Chalet, dem Popup-Hotel und vielen Events strahlte die Fernsicht weit über die Grenzen der Ostschweiz hinaus.
Nun aber ist Schluss. Und das nach neun erfolgreichen Jahren. Ende Februar 2024 gehen in der «Fernsicht» in Heiden die Lichter aus. Wir haben darüber berichtet.
Keine Nachfolge gefunden
Grund für die Schliessung ist nicht etwa, dass Funke weiterzieht, sondern die erfolglose Suche nach einer Nachfolge für die Liegenschaft. Deren Besitzer, Fredy und Sabine Grossauer, haben vergeblich einen Käufer gesucht. Ein solcher wurde nicht gefunden, weshalb im Februar 2024 der Stecker gezogen wird.
Erst belächelt, dann kopiert
Kommuniziert wurde das Ganze vor rund einer Woche. Funke selber hat, wie er gegenüber «Die Ostschweiz» erklärt, «eine gewisse Zeit vorher» davon erfahren. Dass ihn der Entschluss schmerzt, versteht sich von selbst. «Ich habe fast zehn Jahre in dieses Projekt investiert - viel Energie und auch viel Zeit», sagt er. Er und sein Team hätten den Job nie des Geldes wegen gemacht, sondern aus einer Leidenschaft heraus. So seien unzählige Projekte entstanden, die von der Konkurrenz anfangs teilweise belächelt und später dann kopiert worden sind.
Eine letzte Hoffnung?
Jetzt, kurz vor dem 10-Jahre-Jubiläum, geht man in den Schlussspurt. Auf die Frage, ob die Möglichkeit diskutiert worden sei, dass Funke selbst die Liegenschaft übernimmt, sagt er klar: «Nein. Das liegt nicht in unseren finanziellen Möglichkeiten.» Funke mit seinem Team war nicht etwa Pächter der Räumlichkeiten, sondern im Angestelltenverhältnis. Um das gesamte Projekt weiterentwickeln zu können, wird ein Investor benötigt, der bereit ist, das Hotel umzubauen und das Haus zu vergrössern.
Letzter Hoffnungsschimmer ist, dass sich nun – aufgrund der medialen Verbreitung der Situation – doch noch eine Käuferschaft meldet. «Die Hoffnung stirbt zuletzt», sagt Funke. «Aber ich denke nicht, dass sich hier noch etwas ergibt…»
Wie weiter mit Funke?
Heiden verliert also ein Gastrohighlight. Verliert auch die Ostschweiz einen Sternekoch? «Nein, wir haben hier unsere Wurzeln geschlagen und fühlen uns sehr wohl», sagt Tobias Funke. Er selbst hat vor rund drei Monaten sein jüngstes Projekt in St.Gallen, das Restaurant «Multertor», eröffnet. Weiter beschäftigen ihn ein Foodstand mit italienischer Küche in Zug und die während der Corona-Zeit gegründete «Manufaktur Funke». Mit ihr produziert er bereits heute über 300 Gewürze und will mit hoher Qualität und verrückten Kreationen die Schweiz erobern. Darunter versteht Funke unter anderem auch das «schärfste Chili der Welt».
Langweilig werde es ihm nicht. Vor allem auch deshalb, weil seine Frau und er Ende Jahr das zweite Kind erwarten. «Ich bin aber jederzeit offen, wenn sich etwas Neues ergibt», wirft er ein.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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