Vom 30. Mai bis zum 2. Juni findet im Gründenmoos erneut der CSIO St.Gallen statt. Der Event ist das bedeutendste Outdoor-Springreitturnier der Schweiz und gehört international zu den wichtigsten Pferdesportanlässen. Insbesondere die Infrastruktur ist allerdings alles andere als zeitgemäss.
In der 140-jährigen Geschichte von Pferdesportanlässen in St.Gallen kommt dieses Jahr ein neues Kapitel hinzu: Die neu lancierte Longines League of Nations macht nach Abu Dhabi (UAE) und Ocala (USA) Halt im Gründenmoos. Drei Wochen später entscheidet sich in Rotterdam (NED), welche acht Nationen Anfang Oktober beim Finale in Barcelona dabei sein dürfen. Die mit Spannung erwartete globale Serie mit den zehn besten Teams der Welt ist der sportliche Höhepunkt des CSIO St. Gallen und mit 700'000 Euro dotiert. Wir haben darüber berichtet.
Im Vergleich zu anderen Sportarten ist diese Summe grundsätzlich immer noch nicht riesig, meint Nayla Stössel, OK-Präsidentin vom CSIO. Aufgeteilt auf zehn Nationen und dort jeweils auch noch auf je vier Reiterinnen und Reiter relativiert sich das Ganze – zumal bei der besagten Prüfung mit einer Sprunghöhe von 1,6 Metern effektiv Topleistungen erbracht werden müssen.
Der CSIO St.Gallen spielt damit nun definitiv in der Top-Liga des internationalen Pferdesports mit, behält aber laut Stössel jenen Charme, für den er seit jeher stehe: Bodenständigkeit, Volksnähe, Solidität.
Und das in einer Region – und in einem Land –, in dem der Pferdesport durchaus eine historische Bedeutung aufweist und bei dem die Sportlerinnen und Sportler zu den besten weltweit zählen. Dafür aber benötigt es stetige Weiterentwicklungen.
Und hierbei steht der CSIO St.Gallen in den nächsten Jahren vor grossen Herausforderungen. Man sucht den Anschluss an andere Plätze. Aachen stellt hierbei laut Nayla Stössel das Nonplusultra dar. Es liege ihr aber fern, auch nur ansatzweise an solche Dimensionen zu denken.
Aber man stelle sich vor: Innerhalb von fünf Wochen wird in St.Gallen alljährlich eine komplette Anlage von Grund auf aufgebaut. Stössel spricht von einer «alten Lady» hinsichtlich Strukturen und Organisation.
An Visionen für die Zukunft fehlt es indes nicht.
Am 1. Oktober 2020 hat die Sportfeld Gründenmoos AG den Betrieb des Gründenmoos im Auftrag von NetzwerkSport übernommen und wird diesen im bisherigen Sinne weiterführen. In den kommenden Jahren soll zusammen mit der Stadt und dem Kanton St. Gallen die Umsetzbarkeit der Vision, die auf drei Säulen basiert (Leistungszentren, Kompetenzzentrum, Talentfeld) geprüft und die Basis für eine langfristige Weiterentwicklung des Areals gelegt werden. Hierbei spielt auch der Pferdesport – und damit ein CSIO St.Gallen – eine wichtige Rolle.
Nayla Stössel träumt von fixen Reitplätzen und -hallen, von einer vorhandenen technischen Infrastruktur, von einem Event, der künftig nicht jeweils bei null neu aufgebaut werden müsste.
Dabei stellt sie aber klar, dass bei einer solchen Anlage ein CSIO nur ein Puzzleteil von vielen wäre. Sie wäre ausgelegt auf den gesamten Basissport und würde so der vom Kanton festgelegten Strategie «Sportvision Ost» Aufschwung verleihen.
Wie so oft bei politischen Prozessen verstreicht aber ordentlich Zeit. Und genau der Zeitfaktor könnte für den CSIO letztlich entscheidend sein.
Besteht also die Gefahr, dass St.Gallen dereinst den CSIO verliert?
«Ich bin von Natur aus keine Person, die auf Dramatik setzt», so Nayla Stössel. Und die Antwort auf die Frage sei auch keine einfache.
Fakt ist: Mit der «League of Nations» hat der CSIO St.Gallen einen Vertrag bis 2027. Um eine Verlängerung in trockene Tücher zu bringen, sei es sicherlich wesentlich, dass man bezüglich der Weiterentwicklung der Infrastruktur ein klares Signal aussenden könne.
Handkehrum würde aber auch ein Ausscheiden aus der League nicht einfach Lichterlöschen bedeuten. Man wäre dann jedoch nicht mehr eingebettet in die prestigeträchtige Serie.
Man könnte es als Armutszeugnis für die städtische und kantonale Politik bezeichnen, sollte es nicht gelingen, hier in den nächsten zwei bis drei Jahren Bewegung in die Sache zu bringen.
Denn auch wenn Nayla Stössel nicht schwarzmalen will, sagt sie doch offen: «Es ist zwar das Ziel, aber ich könnte heute nicht mit gutem Gewissen versichern, dass der CSIO auch noch in zehn Jahren in St.Gallen ausgetragen wird. Aber wer kann heute schon sagen, was in zehn Jahren ist?»
Der CSIO hat eine Strahlkraft über den Kanton und über die Schweiz hinaus. Ihn als «gesetzt» anzunehmen, könnte gefährlich werden. Die Politik sollte sich um gute Rahmenbedingungen bemühen. Denn letztlich ist es schwieriger, etwas Neues zu gewinnen, als etwas Bestehendes zu halten.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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