Bei der Standortwahl spielt die Erschliessungsgüte eine wesentliche Rolle. Entsprechend wird dieses Kriterium auch von Firmen bei der Evaluation von Standorten sehr hoch gewichtet. Gerade bei der aktuellen Diskussion um die S-Bahn St.Gallen sollte die Politik diesem Umstand mehr Rechnung tragen.
Die Wahrscheinlichkeit oder Bereitschaft, vom aktuellen Heimatstandort zu einem neuen Arbeitsplatz zu pendeln, hängt von der Versorgungsfunktion des Mitarbeiters mit attraktiven Verkehrslösungen ab.
Mitarbeiter sind nicht bereit zu pendeln, wenn die Reisezeit einen bestimmten Schwellenwert überschreitet.
Die Knock-Out-Schwelle, bei der ein Standort die Standortgunst von Bewohnern, Unternehmen und Talenten verliert, setzt bei 45 Minuten ein und liegt bei maximal 90 Minuten je Fahrweg (Tür zu Tür-Reisezeit) für gut dotierte, anspruchsvolle und herausfordernde Stellen.
Überschreitet man diese Reisezeit, so ist die Schwundrate als Wohn- (Wegzüge, ausbleibende Zuzüge) und Wirtschaftsstandort (Verlagerung von Arbeitsplätzen, ausbleibende Ansiedlungen) äusserst hoch.
Öffentlicher Verkehr prägt Dienstleistungsstandorte
In Städten spielt es beim öffentlichen Verkehr nicht nur eine Rolle, wie schnell man den Hauptbahnhof – oft mit direkter Lage zur Innenstadt mit teureren Büro- und Verkaufslagen – erreicht.
Genauso wichtig ist die Feinverteilung in die jeweiligen Stadtteile durch eine S-Bahn oder den innerstädtischen Nahverkehr.
Städte mit hohen Taktfrequenzen, geringen Umsteige- und Wartezeiten und optimierten Linien- und Haltestellen-Netzen sind überdurchschnittlich in der Lage, hochwertige Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich anzuziehen und gleichzeitig Hochqualifizierte als Einwohner zu halten.
Doch Firmen wählen innerhalb einer Stadt auch Bürostandorte mit guter Anbindung an Autobahnknoten, damit Besprechungen mit Kunden und eigene Geschäftsreisen flexibel gestaltet werden können.
Je älter desto Auto
Firmen wollen Talente gewinnen und das beste Einzugsgebiet für ihre Fachkräfte. Talente wünschen sich ein Arbeitsmarktpotential mit Zukunftsperspektiven.
Die Güte der Reisezeit in der Wahrnehmung von Mitarbeitenden ist abhängig vom Transportmittel. Alter und Qualität der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur sind daher wesentlich.
Die Präferenz für den motorisierten Individualverkehr (MIV) nimmt mit dem Alter (und damit indirekt auch der Kaderstufe) zu.
Daher sind Städte gut beraten, dass sie keine einseitige, aus ökologisch und ideologischer Sicht getriebene Verkehrspolitik machen.
Wird der motorisierte Individualverkehr zu stark beschnitten (Abbau von Parkmöglichkeiten, Verengung und Verlangsamung von Haupteinfallstrassen, Vernachlässigung von Autobahn-Infrastrukturen etc.), so meiden Entscheidungsträger von Firmen solche Standorte – denn sie verscheuchen Talente und verhindern Erfolg.
Remo Daguati (*1975) betreut als unabhängiger Berater Standortförderungen sowie Arealentwicklungen im In- wie Ausland. Daneben wirkt er als Geschäftsführer des HEV Kanton und Stadt St.Gallen. Er ist zudem Mitglied (FDP) des Stadtparlaments St.Gallen.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.