Die jüngsten Enthüllungen rund um Raiffeisen zeigen vor allem eines: Die Wahl der angeblich grauen Maus Heinz Huber zum neuen CEO war wohl der perfekte Schachzug.
Der Mann ist nicht zu beneiden. Vor zwei Wochen trat Heinz Huber sein Amt an der Spitze von Raiffeisen an. Und heute reibt sich die ganze Schweiz die Augen, weil ein unabhängiger Bericht zeigt, wie hemdsärmelig - freundlich ausgedrückt - die frühere Führung zwischen 2005 und 2015 gewirtschaftet hat. Mit all dem hat der frühere Chef der Thurgauer Kantonalbank nichts zu tun. Aber er ist nun Teil der Truppe, die aufräumen und das Image aufpolieren muss.
Zwei Dinge kommen nun zusammen. Die haarsträubenden Ergebnisse des Berichts - und die Einschätzung der Experten zum neuen Raiffeisen-CEO. Fast unisono wurde über seine damalige Wahl gestaunt, man nannte Huber bieder, er sei eine zweite Wahl.
Der Vorwurf der Biederkeit ist im Licht der heutigen Erkenntnisse eigentlich ein Adelsschlag. Denn Huber ist eine Art Gegenentwurf zu Pierin Vincenz, dem draufgängerischen Bergler, der eine ehemalige Bauernbank führte wie einen aggressiven Weltkonzern.
Alle waren sich einig, dass Raiffeisen Schweiz zurückfinden muss zu den alten Werten, zum Grundgedanken der Genossenschaft. Für diese Aufgabe ist aber niemand prädestinierter als der Ex.Chef einer eher betulichen, ländlich geprägten Kantonalbank. Heinz Huber kommt von aussen - was wichtig ist in einer Phase des Ausmistens. Und er hat mit Garantie keine hochtrabenden Expansionspläne - was wichtig ist, um die Vergangenheit auszumerzen.
Der grosse Vorteil bei seiner Mission: Auch wenn es jüngst kaum je positive Schlagzeilen rund um Raiffeisen gab, ist der grosse Kundenexodus offenbar ausgeblieben. Die aktuellen Zahlen sehen ansprechend aus. Huber muss die Bank also nicht neu erfinden, sondern einfach dort anknüpfen, wo sie früher stand.
Dafür hätte sich eine Spitzenkraft einer Grossbank schlecht geeignet. Solche Leute sind auf bedingungsloses Wachstum gedrillt. Huber hingegen weiss aus seiner Zeit im Thurgau, dass es wichtiger ist, nachhaltig zu wirtschaften. Nicht auf den schnellen Erfolg ausgerichtet, sondern der Glaubwürdigkeit verpflichtet.
Die angebliche graue Maus könnte damit zum Symbol für die Wiederauferstehung von Raiffeisen werden. Erste harte Schnitte auf diesem Weg sind gemacht, Huber wird es in der Geschäftsleitung bald mit einigen neuen Köpfen zu tun haben. Seine wichtigste Aufgabe wird es sein, diese auf Kurs zu halten. Und diese Qualität attestiert man ihm von der TKB her durchaus.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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