Raiffeisen Schweiz hat den sogenannten Gehrig-Bericht vorgelegt, in dem Beteiligungsgeschäfte zwischen 2005 und 2015 untersucht wurden. Zwar liegen laut diesem keine Straftatbestände vor - aber gravierende Mängel. Drei Mitglieder der Geschäftsleitung müssen gehen, weitere Massnahmen sollen folgen.
Alles Wesentliche auf einen Blick: Einmal wöchentlich versendet «Die Ostschweiz» einen Newsletter. Jetzt hier registrieren.
Was geschah alles auf der grossen Einkaufstour von Raiffeisen Schweiz in der Ära Pierin Vincenz? Diese Frage beschäftigt nicht nur die Justiz, sondern auch die Bank selbst.
Im Auftrag von Raiffeisen Schweiz hat Prof. Dr. Bruno Gehrig die Ereignisse untersucht. Der ehemalige Verwaltungsratspräsident der Swiss hat seinen unabhängigen Bericht nun vorgelegt.
Das Ergebnis: Auf Basis der verfügbaren Informationen gebe es keine Nachweise für strafrechtlich relevantes Verhalten. «Wohl aber bestätigte sich, dass es hauptsächlich in den Jahren 2012 bis 2015 im Rahmen der Diversifikationsstrategie zu gravierenden Mängeln in der Akquisition und dem Management von Beteiligungen gekommen ist», schreibt Raiffeisen in einer Mitteilung.
Der Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz ziehe daraus die Konsequenzen und beschliesst ein umfassendes Massnahmenpaket. Drei Geschäftsleitungsmitglieder von Raiffeisen Schweiz sind aus der Organisation ausgeschieden.
Bei der Untersuchung von Gehrig ging es unter anderem um Beteiligungsgeschäfte, die Raiffeisen Schweiz beziehungsweise ihre Tochtergesellschaften seit 2005 getätigt hatten. Das waren die Jahre unter der Führung von Pierin Vincenz. Einsehbar ist der Bericht unter www.raiffeisen.ch.
Neben der Tatsache, dass es «keine klaren und eindeutigen Nachweise für strafrechtlich relevantes Verhalten von Pierin Vincenz» gebe, wird auch festgehalten, Gehrig habe keine Hinweise darauf gefunden, dass sich andere ehemalige oder aktuelle Organe der Raiffeisen Schweiz strafrechtlich relevant verhalten oder persönlich bereichert hätten.
Der Bericht ist allerdings kein juristischer Blankoschein für Vincenz. Denn: «Die Sachverhalte, die bereits Gegenstand eines Strafverfahrens sind, waren von der Untersuchung von Bruno Gehrig ausgenommen.» Die Bank hat also nicht näher untersucht, was ohnehin schon bei den Strafverfolgungsbehörden liegt.
Raiffeisen räumt das Ergebnis des Berichts ein, wonach «die Führungsarbeit des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung von Raiffeisen Schweiz bei der Umsetzung der Diversifikationsstrategie gravierende Mängel aufgewiesen hat.»
Zwischen 2012 und 2015 habe Raiffeisen Schweiz durch Zukäufe von Beteiligungen neue Geschäftsbereiche im Wert von über einer Milliarde Franken aufgebaut. Einige seien «mit der gebotenen Sorgfalt abgewickelt» worden. Bei anderen hingegen sei eine «Überforderung der bestehenden Strukturen, Abläufe und Ressourcen» zum Vorschein gekommen. Das liege an mangelnder Führung und Kontrolle und einer «personenzentrierten Kultur». Auf gut deutsch: Man tat, was Vincenz forderte. Daraus sei ein Reputationsschaden für die ganze Gruppe entstanden.
Nun will die Bank reagieren. Die Konsequenzen sollen nicht mit dem Rücktritt des CEO Patrik Gisel beendet sein. Inzwischen habe auch eine Erneuerung der Geschäftsleitung begonnen. Konkret haben deren Mitglieder Gabriele Burn und Beat Hodel ihre Funktionen per sofort abgegeben. Auch Paulo Brügger habe seinen Rücktritt als GL-Mitglied erklärt. Auch Generalsekretär Roland Schaub räumt seinen Platz - ebenfalls per sofort.
Das heisst: Es befinden sich nun keine Personen mehr in der Geschäftsleitung, die bereits 2015 dort Einsitz hatten. Entsprechend wird nun Ersatz gesucht, bis dann übernehmen die jeweiligen Stellvertreter.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.