Er war Präsident von «Aufrecht Schweiz» und er kandidierte unter anderem für den St.Galler Regierungsrat. Nun hat Patrick Jetzer mit «Der Staat» ein Buch veröffentlicht, das ein düsteres Bild der Schweizer Politik zeichnet. Im Interview nennt er die grössten Konfliktherde.
Patrick Jetzer, Ihr Buch handelt von Konflikten zwischen den Staaten und Ihren Völkern. Bevor wir auf den Inhalt zu sprechen kommen: Sind Sie ein Staatsverweigerer?
Ich bin jedenfalls kein Gesellschaftsverweigerer. Der Staat ist ein sehr klar definierter Begriff. Ich würde diesen gerne ändern. Die Souveränität gehört z.B. zur Definition eines Staates. Damit können EU-Befürworter viel klarer als Staatsverweigerer bezeichnet werden als ich, denn sie wollen die Souveränität der Schweiz aufgeben oder zumindest relevant beschneiden. Ich nicht. Als Staatsverweigerer nimmt man einen Kampf «David gegen Goliath» auf sich, das tue ich ebenfalls nicht.
Sie haben aber – das interpretiere ich aus Ihrem Buch heraus – ein Verständnis für Staatsverweigerer?
Ich habe Verständnis für Staatsverweigerer. Ich denke jedoch, es ist ein zermürbender und aussichtsloser Weg. Schauen wir unsere europäischen Staaten an, herrschen grosse Konflikte zwischen den Staaten und grossen Bevölkerungsteilen. Diese müssten doch im Interesse der Völker und der Menschen lösbar sein.
Sie thematisieren im Buch eine Vielzahl von «Konfliktherden» – und präsentieren auch eine Art Lösung. Schildern Sie doch zuerst in einigen Sätzen, wo Sie die grössten Probleme verorten?
Es liegt im inflationierenden Geldwesen, der schlechter laufenden Realwirtschaft und der zunehmenden Bürokratie. Diese drei Problematiken sind miteinander verbunden. Die Massenmigration und damit verbundene Probleme wie Gewalt/Kriminalität, Belastung der Sozialwerke, Kulturverlust sind ein weiterer grosser Konfliktherd. Letztlich verhält sich die Politik zunehmend sozialistisch und freiheitsfeindlich konkret der Landwirtschaft gegenüber, im Gesundheitswesen sowie in gesellschaftlichen Bereichen.
Wo zum Beispiel?
Im Schulwesen zum Beispiel bei Themen wie «Woke» oder «Integrative Klassen. Dann bei der KESB und mit der ganzen «political correctness». Damit verbunden ist auch ein Ausbau des Überwachungsstaates.
Sie wurden dem Staat gerne Macht entziehen. Letztlich hat aber doch in praktisch jedem Gefüge irgendjemand die Macht. Trauen Sie dem Volk diese Verantwortung zu?
Ich erlebe das Volk als zunehmend demokratiemüde. Oft habe ich auf den Strassen beim Sammeln von Unterschriften zu hören bekommen, es gäbe zu viele Abstimmungen, Wahlen, Initiativen. Theoretisch haben wir ein Milizsystem, aber es zeigt sich, dass viele sich darin nicht engagieren wollen.
Will man eben nicht, dass eine überschaubare Clique die Macht ausübt, muss man sich interessieren und einbringen. Denn die Macht-Cliquen werden doch täglich in der Tagesschau angeprangert: Saudi-Arabien, Nordkorea, Iran, Russland, China… Aber sind wir denn wirklich meilenweit davon entfernt, wenn ich zum Beispiel daran denke, wie viele St. Galler Gemeindepräsidenten auch noch gleich im Kantonsrat sitzen? Das ist doch eine Machtkonzentration, die es in einem lebendigen Milizsystem nicht geben sollte.
Aber Sie haben es bereits angetönt, das Volk ist müde. Würde das Volk diese Verantwortung überhaupt übernehmen wollen? Viele Bürgerinnen und Bürger sind doch froh, wenn sie sich um nichts kümmern müssen …
«Schläft man in der Demokratie, erwacht man in der Diktatur», wird Goethe zugeschrieben. Das ist die Problematik, und die Mehrheit, die sich nicht kümmern will, beschneidet damit die Minderheit, welche gerne in Eigenverantwortung leben würde.
Wenn jedoch eine Gesellschaft auf eine schwache Mehrheit gebaut wird – und mit «schwacher Mehrheit» meine ich jetzt Menschen, welche möglichst Verantwortung an den Staat abgeben wollen und sich auch nicht interessieren –, dann entsteht mit der Zeit ein schwacher Staat. Das kann ja nicht in unserem Interesse sein.
Hier möchte ich noch folgenden Kreislauf zitieren: «Harte Zeiten schaffen starke Männer. Starke Männer schaffen gute Zeiten. Gute Zeiten schaffen schwache Männer. Und schwache Männer schaffen harte Zeiten.»
Dann präsentieren Sie uns doch nun aber die Lösung.
Ich spreche Menschen an, welchen das überbordende Eingreifen des Staates ins Private zu weit geht. Vieles wird demokratisch entschieden und wer auf Selbständigkeit und Eigenverantwortung setzt, gehört meist zu den Verlierern.
Allerdings hat gerade die Schweiz eine hochgehaltene Tradition des Schutzes der Minderheiten, die letztlich auch den inneren Frieden gewahrt hat. Wir kennen Minderheitenrechte. Beispielsweise die Fahrenden geniessen solche. Aktuell kann beobachtet werden, dass in der Genderdebatte ebenfalls Sonderrechte geschaffen werden und sogar Rechte, die für alle gelten einer Minderheit angepasst werden.
Dies steht auch anderen Interessensgruppen zu. Ich nenne in meinem Buch vor allem die konventionelle Landwirtschaft, die zunehmend unter Druck gerät und die gesundheitliche Selbstbestimmung.
Wie realistisch ist eine Veränderung Ihrer Meinung nach?
Da wir die Anwendung von Sonderrechten, wie erwähnt, «live und in Farbe» beobachten können, halte ich den im Buch aufgezeigten Ansatz für sehr realistisch. Dazu muss sich lediglich eine kritische Masse finden.
Würden Sie sich als Illusionisten bezeichnen? Oder gar als Visionär?
Illusionistisch nicht. Visionär manchmal. Ich denke gerne im Voraus und hinterfrage Gegebenes. Wenn man den Dingen auf den Grund geht, stösst man manchmal auf Überraschendes. Ich bin sicher, dass jeder, der mein Buch liest, auf die eine oder andere Überraschung stösst.
Wer sollte Ihr Buch lesen?
Mein Buch ist für alle geeignet, die mit dem gesellschaftspolitischen Ist-Zustand nicht ganz zufrieden sind und sich Gedanken bezüglich der Zukunft machen.
Und wer sollte die Hände von diesem Buch lassen?
Linksgrüne Ideologen. Wobei es auch ihnen guttun würde. Das Wenigste, was sie mitnehmen können, ist, wie ihre Gegenseite denkt.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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