H.S. arbeitet jeden Tag, fünf Tage die Woche, erhält 5'100 Franken Lohn – und das Geld reicht nicht einmal aus, um sich und seine Familie vollwertig ernähren zu können. Die Geschichte löst viele Emotionen aus.
«Ist es nicht eine Schande, dass wir ausländische Schweizer mit C-Bewilligung in eine solche Armut sinken? Ist das menschlich?» - Dies fragt sich eine Leserin von «Die Ostschweiz», die sich zum Schicksal von H.S. äussern möchte.
H.S. wohnt mit seiner Frau und den drei gemeinsamen Kindern in St.Gallen, arbeitet als Elektriker und verdient im Monat 5'100 Franken brutto. Die Wohnungsmiete kostet 1'621 Franken, die Krankenversicherung 1'262 Franken.
Nach Abzug der gängigen Rechnungen für Strom, Nebenkosten, Abos, Telefon und Versicherungen bleiben der Familie rund 1'000 Franken im Monat, um zu leben. «Am schlimmsten ist die Angst, die Rechnungen für die nächste Periode nicht bezahlen zu können. Was den Lebensunterhalt betrifft, können wir einige Tage lang fasten», sagt H.S. im Gespräch mit «Die Ostschweiz».
Er ist ein Beispiel für die vielen Schicksale, mit denen die katholischen Sozialdienste der Stadt St.Gallen täglich zu tun haben. Sie springen für diejenigen ein, die keine staatlichen Sozialhilfe (mehr) erhalten – das Geld reicht aber trotz Vollzeitjob dennoch nicht für den täglichen Bedarf.
Mehr Fälle
Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter führten im vergangenen Jahr 1'598 Beratungsgespräche durch. Das sind 626 mehr als noch im Jahr 2022. «Wir haben gemerkt, dass sich die Fälle im vergangenen Jahr sehr akzentuiert haben», fasst es Franz Niederer, Leiter der katholischen Sozialdienste, zusammen. «Die Preise sind vielerorts angestiegen – bei den Lebensmitteln, der Energie oder der Krankenkasse. Es ist bedenklich, weil wir aufpassen müssen, dass diese Menschen nicht aus der Gesellschaft kippen.»
Trotz Arbeit nicht genug Geld
So ergeht es auch einem weiteren Leser aus dem Kanton Thurgau. Er wendet sich an «Die Ostschweiz», möchte jedoch ebenfalls anonym bleiben. «Obwohl ich nicht von Armut sprechen kann, doch es bleibt nichts übrig Ende Monat», schreibt er. Die dreiköpfige Familie ist in der Schweiz geboren, aufgewachsen und «sehr gut integriert». Der Familienvater verdient 6'000 Franken pro Monat, seine Frau arbeitet Teilzeit und erhält etwa 1'800 Franken Lohn. «Ich traue mich aber nicht, Hilfe zu suchen, da ich mich dafür schäme», so der Mann weiter.
Sozialhilfe komme für ihn grundsätzlich nicht in Frage. «Wenn wir uns mal etwas gönnen, bereuen wir es im nächsten Monat. Ferien liegen überhaupt nicht drin – und falls doch, gehen wir nach Albanien an einen unbekannten Ort, wo es sehr günstig ist.» Aber auch das könne sich die Familie nur mit der Unterstützung der Eltern erlauben. Für ihn ist klar: «Viele Leute sind davon betroffen. Doch nur die wenigsten wagen es, darüber zu sprechen.»
(Bild: Depositphotos)
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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