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Traditionsunternehmen aus Herisau vor dem Aus

«Gegen den Endverbraucher sind wir machtlos»: Für den Cilander-Chef hat das veränderte Konsumverhalten die Firma in den Untergang geführt

Die gestrige Meldung hat erschüttert: Das Ostschweizer Textilunternehmen Cilander erwägt die Schliessung. Davon betroffen wären 190 Mitarbeitende. CEO Burghard Schneider beantwortet für «Die Ostschweiz» die brennendsten Fragen.

Marcel Baumgartner am 26. Januar 2024

Stetig steigende Kosten und eine rapide sinkende Nachfrage für Textilprodukte aus dem In- und Ausland haben die AG Cilander mit Standorten in Herisau, Flawil und Lützelflüh in eine mehr als prekäre Situation geführt. Verwaltungsrat und Management fehlen die Perspektiven, und das Unternehmen sieht sich dazu gezwungen, harte Schritte einzuleiten. Wir haben darüber berichtet.

«Die jüngsten Entwicklungen in der Textilindustrie und bei Schlüsselkunden veranlassen das Unternehmen, eine geordnete Einstellung der Geschäftstätigkeit der AG Cilander per Ende August 2024 zu erwägen. Von einer Schliessung wären rund 190 Mitarbeitende betroffen.» So wurde am Donnerstag die Öffentlichkeit informiert.

Damit würde 2024 eine über 200-jährige Unternehmensgeschichte ihr Ende finden. Die Führungsetage kommuniziert bisher vorbildlich transparent und offen über die Entwicklung und die getroffenen Entscheidungen.

Der CEO gibt Auskunft

Wenige Stunden nach dem Versand der offiziellen Mitteilung steht Cilander-CEO Burghard Schneider der «Ostschweiz» Red und Antwort. Auf die Frage, was nötig gewesen wäre, um das Unternehmen zu retten, sagt er: «Eine anderes Verhalten zum Thema Nachhaltigkeit von uns allen. Das Team Cilander – alle Mitarbeitenden vom Lagermitarbeiter bis zur Geschäftsführung – haben für das Unternehmen gekämpft. Gegen den Endverbraucher sind wir machtlos.»

Diese Machtlosigkeit habe schliesslich zum folgenschweren Entschluss geführt. In den kommenden Wochen werde man sich vor allem darum kümmern, wie und wo die rund 190 Mitarbeitenden «unterkommen» könnten. «Auch im Konsultationsverfahren werden dazu Lösungen erarbeitet», so Schneider.

Der starke Franken

Wirtschaftlich betrachtet führten mehrere Faktoren zum «Untergang». Ein Grund sei der starke Franken. «Allein zum Ausgleich der Währungsverluste sind Anstrengungen zum Produktivitätsgewinn durch unsere Mitarbeiterschaft enorm. Dies ist aber nur ein Kostenblock. Weiterhin spielen die gestiegenen Kosten in den Bereichen Energie, Rohstoffe und Chemie in unserem energieintensiven Unternehmen eine signifikante Rolle», erklärt der CEO.

Die Währungsproblematik sei nun aber natürlich nicht neu. Aber sie sei stetig. Und stetig in die eine Richtung. Dazu Schneider: «Irgendwann sind die resultierenden Effekte nicht mehr zu kompensieren.»

Konkurrenz aus China

Allein den Billiganbietern aus China die Schuld zuzuschieben ist für Schneider zu kurz gegriffen. Diese würde lediglich das bekannte und berechtigte Spiel von Angebot und Nachfrage spielen. Wesentlich sei das Verhalten des Endkonsumenten, der marketinggesteuert und nicht qualitätsorientiert oder gar nachhaltigkeitsorientiert einkaufe.

Cilander liefere den weltbesten Hemdenstoff. Doch der Endkunde stürze sich auf weniger nachhaltige Produkte mit schlechter Qualität und gleich hohem Preis. Oder aber er kaufe sich gleich ein Billigprodukt aus China, das per Luftfracht geliefert werde und lediglich für eine Rechnung von 14 Franken sorge.

Wie weiter?

Ist das Aus nun aber schon definitiv? Verwaltungsratspräsident Rolf Schmid untermauert die Bestrebungen zur Fortführung des Unternehmens. «In den letzten Monaten haben wir verschiedenste Szenarien geprüft. Eine rechtzeitige Schliessung ermöglicht den kontrollierten Marktrückzug. Ein schmerzlicher Schritt, aber gegenüber den Mitarbeitenden, Lieferanten und Kunden der verantwortungsvollste Weg.» Das Konsultationsverfahren werde aktiv genutzt, um weitere Ideen zu prüfen und Lösungen zu evaluieren.

Die Schliessung hätte die Entlassung aller Mitarbeitenden zur Folge. Das Konsultationsverfahren wurde gestern gegenüber der Personalkommission eingeleitet.

CEO Burghard Schneider stellt die Mitarbeitenden ins Zentrum: «Mit einer geplanten Schliessung können wir den Mitarbeitenden den ordentlichen Austritt unter Wahrung der vertraglichen Kündigungsfrist und Bezahlung der Löhne ermöglichen. Zudem unterstützen und begleiten wir unsere Mitarbeitenden bei ihrer beruflichen Neupositionierung. Auch ein Sozialplan ist bereits in Arbeit. Für die Ausarbeitung darf auf die Unterstützung der Steinegg-Stiftung gebaut werden.»

Ebenfalls im Fokus stehen die Kunden, so der CEO: «Damit wir den Bedürfnissen unserer treuen und langjährigen Kunden gerecht werden, erhalten wir die Produktion möglichst lange aufrecht.». Die definitive Schliessung der Produktion an allen drei Standorten würde spätestens per Ende August 2024 erfolgen.

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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