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Klipp & Klar

Gekaufte Demokratie

Die Logik des Klimafonds im revidierten CO2-Gesetz ist das Demokratiemanagement. Mit der Aussicht auf Subventionen versucht das Parlament, die Zustimmung politisch relevanter Bevölkerungsschichten zu kaufen. Fragwürdiger geht es nicht.

Kurt Weigelt am 26. April 2021

Seit dem 1. Januar 2008 erhebt der Bund auf fossilen Brennstoffen wie Heizöl oder Erdgas eine CO2-Abgabe. Diese verteuert den Verbrauch dieser Brennstoffe und soll damit einen Anreiz zum sparsamen Verbrauch und zum vermehrten Einsatz von CO2-ärmeren oder CO2-freien Technologien setzen.

Die aktuelle CO2-Abgabe bleibt nicht in der Staatskasse. Zwei Drittel der CO2-Abgabe werden an die Bevölkerung und die Wirtschaft zurückverteilt. Bei den Unternehmen erfolgt die Berechnung der Rückerstattung auf der Grundlage der AHV-Lohnsumme. Die Rückverteilung an die Bevölkerung geht über die Krankenversicherer. Diese verfügen über das aktuellste Register der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz, da die Grundversicherung für alle obligatorisch ist.

Mit dem verbleibenden Drittel der Einnahmen aus der CO2-Abgabe unterstützen Bund und Kantone über das Gebäudeprogramm energetische Sanierungen und erneuerbare Heizenergie. Weitere 25 Mio. Franken werden dem Technologiefonds zur Förderung innovativer Unternehmen zugeführt.

1 Milliarde für den Klimafonds

So weit, so gut. Auch aus freiheitlicher Sicht spricht nichts gegen wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die sich am Verursacherprinzip orientieren und bei denen nicht nur die direkten, sondern auch externe Kosten eingepreist werden. Dies unter der Voraussetzung, dass die Abgabe staatsquotenneutral ist. Allerdings, die ganze Übungslage wäre weit glaubwürdiger, wenn man das Verursacherprinzip konsequent anwenden würde. Zum Beispiel auch beim öffentlichen Verkehr.

Nur, dies alles reicht dem Parlament nicht. Das revidierte CO2-Gesetz, über das wir am 13. Juni abstimmen, führt einen Klimafonds ein. In diesen Klimafonds fliessen Gelder aus den massiv höheren CO2-Abgaben und der neuen Flugticketabgabe. Voraussichtlich wird jedes Jahr über 1 Milliarde Schweizer Franken zur Verfügung stehen. Anders als bei der bisherigen CO2-Abgabe geht es beim Klimafonds nicht um die Rückerstattung an die Bevölkerung und die Unternehmen. Vielmehr definiert man neue Subventionstatbestände, von denen auserwählte Gruppierungen profitieren. Die Nutzniesser des Klimafonds sind, so das Faktenblatt 10 des Bundesamtes für Umwelt vom 4. September 2019, die Gebäudeeigentümer, die Baubranche, das Installationsgewerbe, Planer, Architekten, Gebäudetechniker und Anbieter CO2-armer Heizsysteme, Gemeinden, Städte, innovative KMU und Start-up-Unternehmen mit Sitz und Geschäftstätigkeit in der Schweiz. Der Klimafonds ist ein staatlicher Geldregen für Gutverdienende, Gutgestellte und Gutmenschen. Wer hat, dem wird gegeben.

Umweltpolitik ohne Rücksicht auf Verluste

Mit dem Klimafonds erhält der Bundesrat ein milliardenschweres Sonderkässeli, mit dem er all diejenigen belohnen kann, die schön brav bei der offiziellen Politik mitmarschieren. Ein Trauerspiel, das wir bereits von den kantonalen Lotteriefonds kennen.

In erster Linie ging es aber bei der Verabschiedung des Klimafonds durch das Parlament darum, den bürgerlichen Widerstand zu brechen. Die Logik des Klimafonds ist das Demokratiemanagement. Mit der Aussicht auf Subventionen für Hauseigentümer, die Baubranche, Cleantech-Unternehmen, Städte und Gemeinden versucht das Parlament, die Zustimmung politisch relevanter Bevölkerungsschichten zu kaufen. Die Absicht ist offensichtlich: Um das Gesetz mehrheitsfähig zu machen, treibt man einen Keil in das bürgerliche Lager. Das Einknicken der FDP, die JA-Parole von economiesuisse und die Stimmfreigabe der Gewerbekammer lassen grüssen. Mehr Rückgrat zeigt bemerkenswerterweise der Hauseigentümerverband.

Regelmässig beklagen politische Beobachter die Macht der Verbände und die Möglichkeiten vermögender Einzelpersonen als Bedrohung der demokratischen Willensbildung. Mit der Realität hat dies nur wenig zu tun. Weit folgenreicher ist die staatliche Klientelpolitik. Mehrheiten werden gekauft. Auf Kosten der sogenannt einfachen Bürgerinnen und Bürger, denen die Rechnung präsentiert wird. Und auf Kosten unserer direkten Demokratie. Umweltpolitik ohne Rücksicht auf Verluste. Fragwürdiger geht es nicht.

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Autor/in
Kurt Weigelt

Kurt Weigelt, geboren 1955 in St. Gallen, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bern. Seine Dissertation verfasste er zu den Möglichkeiten einer staatlichen Parteienfinanzierung. Einzelhandels-Unternehmer und von 2007 bis 2018 Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell. Für Kurt Weigelt ist die Forderung nach Entstaatlichung die Antwort auf die politischen Herausforderungen der digitalen Gesellschaft.

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