Respektloses Verhalten, aggressive Stimmung, Angstklima und sogar Drogen: An der Oberstufe Lindenhof in Wil sollen sich dramatische Szenen abspielen. Die SVP reicht deshalb eine Interpellation ein. Parlamentarier Marco Albrecht erinnert sich im Interview zurück.
Marco Albrecht, Sie haben selber die Oberstufe Lindenhof besucht. Welche Erinnerungen sind Ihnen noch präsent?
Ich besuchte von 2000 bis 2003 wie die meisten Rossrüter Primarschüler die Sekundarschule im Lindenhof Wil. Es war eine krasse Umstellung, die ich miterlebte. Anfangs hatte der «Lindenhof» (LIHO), auch bedingt durch die Berichterstattung nationaler Boulevardmedien, in meinen Augen unverdientermassen einen sehr schlechten Ruf als «Ghetto-Schule».
Weshalb?
Im vorausgehenden Schuljahr 1999/2000 hatte es viele Eskalationen gegeben. Es wurde rigoros durchgegriffen, die Situation entspannte sich schliesslich. Gegen Ende meiner Schulzeit hatte der LIHO einen guten Ruf, später mit der integrierten Sportschule sowieso. Einen solchen aufzubauen ist schwer, ihn zu zerstören jedoch sehr einfach. Daher finde ich es doppelt tragisch, was da angeblich abgeht.
Alles in allem: War Ihre Schulzeit am Lindenhof gut?
Als ich dort zur Schule ging, war der Ton auch mal rauer, aber meistens respektvoll, vor allem auch gegenüber den Lehrpersonen. Lehrerinnen und Schülerinnen anders zu behandeln wäre uns nie in den Sinn gekommen. Es war damals schon ein «Schmelztiegel der Kulturen», was nicht immer einfach, aber auch sehr spannend war. Ich habe die Schulzeit im Lindenhof in positiver, lehrreicher, lustiger und schöner Erinnerung. Auch pflege ich heute noch viele Freundschaften aus dieser Zeit und treffe auch im Stadtparlament auf den einen oder anderen ehemaligen «Lindenhöfler». Ich denke, die Leute machten damals, genau wie heute, einen guten Job.
Die Zeiten ändern sich. Lehrpersonen müssen sich mittlerweile vieles gefallen lassen, auch die SP hat bereits im April eine entsprechende Interpellation zum Thema Unterstützung eingereicht. Sie finden jedoch, dass der Stadtrat die Fragen nur sehr allgemein beantwortet hat. Was hätten Sie sich stattdessen gewünscht?
Der Stadtrat antwortete auf die Fragen der SP, dass er keine Zahlen über Gewalt gegen Lehrpersonen habe, und auch würden entsprechende Kenntnisse fehlen. Diese Aussagen stehen im krassen Gegensatz zu dem, was man hört. Deshalb stelle ich nun meine Fragen.
Die Situation werde falsch eingeschätzt oder gar beschönigt, sagen Sie. Sie hörten von Rückmeldungen der Eltern oder des Umfelds des Lindenhofs, die von Vorfällen berichten. Welche sind das?
Es soll Schüler geben, die sich als Boss aufspielen, und denen die anderen gehorchen müssen. Ich habe von solchen gehört, die sich von Lehrerinnen nichts sagen lassen, weil sie Frauen sind. Es ist ein absolut respektloses Verhalten.
Sind die Personen auf Sie zugekommen, oder wie haben Sie davon erfahren?
Ich habe mehr oder weniger zufällig davon erfahren. Während einer Unterschriftensammlung in der Stadt sind Eltern und Verwandte auf uns zugekommen und haben uns davon erzählt. Ich habe mich daraufhin informell erkundigt. So bin ich zum Schluss gekommen, dass es notwendig ist, vom Stadtrat Antworten darüber zu bekommen. Deshalb meine Interpellation.
Die Vorwürfe, die Sie gehört haben, sind teilweise happig: Es herrsche eine aggressive Stimmung, es gäbe ein Angstklima und auch Drogen seien im Umlauf. Die Schule hat jedoch auf eine Anfrage von «Die Ostschweiz» keine Stellungnahme abgegeben, und auch der Stadtrat verweist auf die Stadtparlamentssitzung. Müsste man da nicht proaktiver reagieren?
Der Stadtrat gibt normalerweise vor der Beantwortung von Fragen aus dem Parlament keine öffentliche Auskunft. Das ist normal.
Dass rund um das Areal des «Lindenhofs» nicht gerade eine einladende Atmosphäre herrscht, ist bekannt. Hätte man nicht bereits früher reagieren müssen?
Da muss ich die Stadt in Schutz nehmen, denn soeben wurde die Fassade des Schulhauses renoviert, und die Umgebung wird gut gepflegt. Das Problem ist allerdings, dass auf dem Parkplatz nachts Autos ihre Runden drehen und Lärm machen. Auch am Wochenende geht oft einiges ab. Das könnten aber auch Leute sein, die nicht im «Lindenhof» zur Schule gehen.
Was erhoffen Sie sich von der Interpellation?
Dass über die tatsächliche Situation im Lindenhofschulhaus Klarheit geschaffen wird. Ausserdem erhoffe ich mir, Daten zu erhalten, sodass die Situation schnell verbessert werden kann.
(Bild: pd)
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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