Sie finden wie die Migros, dass der Begriff «Mohrenkopf» ausradiert werden muss? Dann sollten Sie das hier vielleicht besser nicht lesen. Denn in Wahrheit ist alles noch viel, viel schlimmer. Es geht sogar noch um... Indianer!
Wie alt ist der in Ungnade gefallene Mohrenkopf eigentlich? Sehr, sehr alt. Im Universallexikon der Kochkunst, das ab 1878 in Leipzig regelmässig herausgegeben wurde, tauchte die leckere Schöpfung bereits auf. Aber nicht nur das. Neben dem Begriff «Mohrenkopf» kursierte damals auch die Bezeichnung - Achtung, es wird wirklich unappetitlich - «Indianer-Krapfen».
Es ist, als wenn die Erschaffer der Köstlichkeit damals schon alles versucht hätten, um rund 140 Jahre später als möglichst politisch unkorrekt zu gelten. Der «Mohr»: Geht gar nicht. Aber dann noch «Indianer» obendrauf? Inzwischen dürfen Kinder in unseren Breitengraden ja nicht mal mehr als Indianer verkleidet an die Fasnacht.
Zur Beruhigung hier einige unverfängliche Fakten. Ab wann gilt ein Gebäck eigentlich als - sorry, gell! - Mohrenkopf oder als - Verzeihung, wirklich! - Indianer-Krapfen? Man muss Zucker und Eidotter vermengen und zu einem dicken Schaum schlagen. Das gibt dann zusammen mit Weizen- oder Kartoffelmehl eine Art «Eiweiss-Schnee» (was Weisse nun bitte nicht als Affront verstehen sollten). Ganz ursprünglich gabs übrigens noch einen Schuss Marmelade dazu, bevor das Ganze in eine Schokoladen-Glasur getaucht wurde.
Später wurde eine Art offizielles Rezept veröffentlicht, das eine Alternative zum Begriff «Mohrenkopf» festhielt. Und zwar «Othello-Masse». Das ist natürlich nur bedingt besser, weil Othello, Opern-Fans wissen das, schwarz war. Er wird nicht umsonst als «Mohr von Venedig» bezeichnet. Aber dann wird es völlig unkorrekt: Der Überzug aus dunkler Schokolade soll laut Wikipedia «die aufgesetzte Frisur afrikanischer Völker» nachempfinden. Was damit gemeint ist, lasse sich am korsischen Wappen (siehe Bild oben) nachempfinden, heisst es weiter.
Derzeit kursiert in den sozialen Medien der Text eines evangelischen Pfarrers aus Bärstadt, der sagt, der Name sei vom Heiligen Mauritius hergeleitet und damit überhaupt nicht problematisch, im Gegenteil: Das sei sogar eine Art Adelsschlag für das Schaumding. Diese Interpretation ist ungesichert und wird heftig diskutiert. Aber sicher ist: Unsere österreichischen Nachbarn haben uns früher sogar noch getoppt, sie haben Backwaren dieser Art traditionell als «Negerkopf» bezeichnet. Hätte sich das erhalten, hätte die Migros vermutlich schon vor einigen Jahren einen Schlusssstrich gezogen.
Was natürlich ein Geheimnis bleibt: Warum werden an Jahrmärkten auch weisse Schokoschaumkugeln als «Mohrenkopf» bezeichnet?
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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