Hunde, die Jogger jagen, nicht alleine bleiben können oder einfach frech sind: Es gibt wohl kein Problem, mit welchem Hundeprofi Martin Rütter nicht fertig wird. Dennoch tappt auch er manchmal in eine typische Falle, wie er im Interview erzählt.
Martin Rütter, kriegen Sie bereits Schnappatmung, wenn Sie die Sätze «Der macht nichts!», «Der will nur spielen!» oder «Das hat er ja noch nie gemacht!» hören?
Das nicht. Aber ich glaube, dass beispielsweise «Der will nur spielen» eine Aussage ist, mit der wir eigentlich alle etwas anfangen können. Egal, ob Hunde- oder Nicht-Hundemensch. Denn, Hand aufs Herz, wem wurde «Der will nur spielen» nicht schon mal im Park entgegengerufen (lacht)? «Der will nur spielen» ist für mich einfach ein absoluter Klassiker aus dem Hundetraining und gleichzeitig auch immer so eine Art Bankrotterklärung.
Weshalb eine Bankrotterklärung?
Es ist diese Hilflosigkeit, wenn man merkt, man hat keinen Einfluss. Der Hund brettert zum Beispiel einem Jogger hinterher, es folgt der Ruf seines Halters «Der tuuuuuut nix», was übrigens im Endeffekt dann nichts anderes bedeutet als «Der tut nix von dem, was ich gerne hätte». Wenn der Hund dann den Jogger anspringt, schiebt der Halter hinter: «Der will nur spielen.» Und wenn der Hund schliesslich zugebissen hat, heisst es «Das hat er ja noch nie gemacht». Das ist eigentlich immer so die Reihenfolge.
Also sollten wir uns in Acht nehmen.
Wenn jemand «Der tut nix, der will nur spielen» ruft, ist das eher ein Alarmsignal. Weil mich diese Aussage so sehr begleitet, habe ich sie zum Titel meiner mittlerweile fünften Live-Tour gemacht, mit der ich jetzt auch in die Schweiz komme. Am 7. Februar nach Basel und am Donnerstag, 8. Februar, nach St.Gallen.
Und haben Sie sich dennoch schon dabei ertappt, wie Sie genau einen solchen Satz selber gesagt haben – oder immerhin gedacht?
Ehrlicherweise, ja. Ist schon passiert.
Sie sind seit vielen Jahren regelmässig im TV, haben unzählige Shows gemacht. Weshalb haben immer noch so viele Hundehalter nicht begriffen, wie es funktioniert?
Ich glaube, das kann man so nicht sagen. Ich finde viel eher, dass sich immer mehr Menschen dafür interessieren, wie ihr Hund wirklich tickt, wie er kommuniziert. Und das, finde ich, ist eine tolle Entwicklung, die nicht zuletzt auch unterstreicht, welch hohen Stellenwert das Thema Hund mittlerweile in unserer Gesellschaft besitzt. Der Hund ist heute meist ein vollwertiges Mitglied der Familie, und die Menschen kümmern sich sehr intensiv und liebevoll um ihre Vierbeiner. Ich glaube auch, dass es den Hunden noch nie so gut ging wie heute.
Sie haben selber einen Hund. Dürfen wir also annehmen, dass das Tier perfekt erzogen ist? Niemals davonspringt, stets zu Ihnen rennt, wenn Sie rufen und sich nur von der allerbesten Seite zeigt?
Meine Hündin Emma ist sicherlich auf einem guten Niveau erzogen, aber letztlich ein stinknormaler Hund. Es geht ja auch nicht darum, den alleskönnenden Traumhund zu haben. Was heisst überhaupt Traumhund, und wie definiert man das? Das Ziel ist ja nicht, ferngesteuerte Roboter neben sich zu haben, die bei jedem Signal wie totgeschossen umfallen. Schon bei meinem früheren Hund Mina hatten die Leute immer die Vorstellung, dass sich der Hund vom Rütter morgens zum Warm-up den brennenden Reifen in den Garten schiebt und dreifache Saltos einstudiert. Das ist Quatsch.
Wie ist es stattdessen?
Mina durfte Hund sein und führte ein entspanntes Leben nach klaren Regeln. Und genauso halte ich es jetzt mit Emma. Und natürlich kommt es auch bei mir mal vor, dass der Hund ein Schnippchen schlägt. Aber ganz ehrlich, ich würde es gar nicht anders wollen. Denn ich habe eine grosse Schwäche für diese Art schlitzohrigen Hunde. Emma schafft es immer wieder, mich zu beeindrucken, wenn sie im Training ganz plötzlich einen Plan B entwickelt. Da denke ich oft, jetzt habe ich dich, und dann schlägt sie mir nochmal ein Schnippchen.
Woran scheitern denn die meisten Hundehalterinnen und Hundehalter im Alltag?
An den drei Kardinalfehlern: Erstens, die extreme Vermenschlichung, denn sie schürt Erwartungen, die der Hund niemals erfüllen kann. Ein Hund kann nicht denken und handeln wie ein Mensch. Zweitens: Mangelnde Konsequenz – und damit meine ich nicht Strenge oder Härte. Ein Hund benötigt klare Regeln, nur so kann er Vertrauen zu seinem Menschen aufbauen und sich auch in schwierigen Situationen auf ihn verlassen. Und ein weiteres Problem ist die mangelnde Beschäftigung. Hunde brauchen körperliche und geistige Auslastung.
Wie gehen Sie damit um, wenn Sie auf Menschen treffen, die unterschiedliche Ansichten zur Hundeerziehung und Hundehaltung haben? Haben Sie eine Strategie, um Ihre Ratschläge effektiv zu vermitteln?
Absolut. Ich starte immer mit Inhalten und sage: «Okay, was will ich vermitteln?» Dann kram‘ ich im Kopf: Welche Geschichte habe ich dazu erlebt? Es war bei mir schon immer so, dass ich meine Botschaften nicht staubtrocken vermittelt habe. Ich finde das sehr wichtig, denn Hundetraining und die damit verbundene Wissensvermittlung darf und soll auch Spass machen. Ich glaube, neben diesem Schuss Humor ist sicherlich die Art wichtig, wie man erklärt, damit Leute zuhören. Ich versuche stets, Bilder im Kopf entstehen zu lassen. So, dass es einleuchtet.
Können Sie uns von einem besonderen Moment in Ihrer Karriere erzählen, in dem Sie das Gefühl hatten, dass Ihre Arbeit einen wirklich positiven Einfluss auf das Leben eines Hundes oder seiner Besitzer hatte?
Ich habe das Glück, das immer wieder zu erleben. Das ist ja das Schöne an meinem Beruf. Deswegen möchte ich da jetzt nicht DEN Moment herausheben. Es macht mich immer noch sehr glücklich, wenn es mir gelingt, eine zuvor problembehaftete Beziehung von Mensch und Hund wieder in die richtige Bahn zu lenken, so dass ein harmonisches, für beide Seiten glückliches Zusammenleben entsteht.
Und im umgekehrten Fall: Sind Sie auch einmal an einem Hund «gescheitert»?
Klar. Natürlich gibt’s diese «hoffnungslosen Fälle», das zeigen wir auch in meinen Sendungen. Es ist aber in der Regel nicht so, dass der Hund nicht mehr lernfähig oder reparabel, sondern die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Hund derart belastet ist, dass es keinen Sinn mehr ergibt. Statistisch gesehen sprechen wir hier von einem Hund pro Jahr.
Wenn Sie ein Hund wären: Welche Rasse wäre das?
Ganz eindeutig eine Mischung aus Border Collie und Jack-Russell-Terrier. Der Collie steht für Kreativität und Arbeitsfreude, gleichzeitig muss bei ihm aber auch immer Abwechslung reingebracht werden. Der Terrier verbeisst sich ja gerne schon mal in Ideen. Das ist so das Gemisch bei mir.
Und wir Schweizerinnen und Schweizer – oder vielleicht St.Galler – welche Hunderasse würden wir am ehesten verkörpern?
Da denke ich doch direkt an Ihre Hauptstadt und den gleichnamigen Kanton. Für mich ist das der Berner Sennenhund. Er gilt als gutmütig und gelassen sowie als aktiv und arbeitswillig.
Hinweis: Martin Rütter ist mit seiner Show «Der will nur spielen!» am kommenden Donnerstag, 8. Februar 2024 um 20.00 Uhr in der Olma-Halle 9.1. Tickets gibt es hier.
«Die Ostschweiz» verlost 2 x 2 Tickets für die Vorstellung in St.Gallen. Schreiben Sie uns hierfür eine E-Mail mit dem Betreff «Rütter» an info@dieostschweiz.ch. Bitte vergessen Sie nicht, Ihren vollständigen Namen und Ihre Postadresse aufzuführen. Die Gewinnerinnen und Gewinner werden von uns persönlich benachrichtigt. Weitere Infos hier.__
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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