Am Sonntag wartet eine reich befrachtete Landsgemeinde auf die Innerrhoderinnen und Innerrhoder. Die grosse Zahl an Sachgeschäften ändert aber nichts daran, dass die Wahlen das weitaus grösste Interesse wecken.
Es ist viel passiert in den Wochen vor der Innerrhoder Landsgemeinde. Landammann Daniel Fässler hat seinen Rücktritt aus der Regierung und später seine Kandidatur für den freiwerdenden Ständeratssitz erklärt. Sein Regierungskollege Martin Bürki verstarb völlig unerwartet drei Wochen vor der Landsgemeinde und hinterlässt eine weitere Vakanz.
Wie immer beginnt die Landsgemeinde um 12 Uhr mittags. Es werden zahlreiche Ehrengäste erwartet. «Die Ostschweiz» wird live berichten. Ausserdem wird die Landsgemeinde live in einem Stream übertragen.
Die wichtigsten Themen und Einschätzungen im Überblick - ohne Vollständigkeit:
Die Standeskommission braucht einen neuen Landammann, der zugleich das Volkswirtschaftsdepartement leitet. Mit Roland Dähler, Lorenz Gmünder und Bruno Huber stehen drei Kandidaturen bereit. Wie immer ist es theoretisch auch möglich, dass ein weiterer Name gerufen wird, angesichts der bereits breiten Auswahl ist das aber unwahrscheinlich. Eine Wahlprognose ist kaum möglich. Der 33-jährige Lorenz Gmünder könnte aufgrund seines Alters einen leichten Nachteil haben, andererseits hatten relativ junge Amtsträger in Innerrhoden stets Tradition, und die Jugend ist an der Landsgemeinde meist gut vertreten.
Der Tod von Landesfähnrich Martin Bürki - er war in der Regierung für Justiz, Polizei und Militär zuständig - hat in Appenzell Innerrhoden grosse Betroffenheit und Trauer ausgelöst. Und er hat die Parteien und Verbände vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt: In rund drei Wochen für eine Nachfolge zu sorgen. Mit Jakob Signer wurde ein Kandidat gefunden, der das Vertrauen der bürgerlichen Parteien und des Gewerbeverbandes geniesst. Bisher wurden keine weiteren Namen laut gehandelt.
Für den abtretenden Ständerat Ivo Bischofberger steht Nationalrat Daniel Fässler als Nachfolger bereit. Er ist der einzige, der seine Kandidatur offiziell erklärt hat. Eine nicht namentlich bekannte Gruppe aus der Bürgerschaft sähe gerne den früheren Säckelmeister (Finanzdirektor) Thomas Rechsteiner in diesem Amt. Er hat erklärt, sich nicht aktiv darum zu bewerben, eine Wahl aber anzunehmen. Passiert das nicht, dürfte Rechsteiner im Herbst dann ohnehin offiziell bereitstehen, wenn es um die Nachfolge im Nationalrat geht - denn er will nach Bern.
Bei den Sachvorlagen steht das Datenschutz-, Informations- und Archivgesetz zur Debatte. Darin eingeschlossen ist das Öffentlichkeitsprinzip, wie es bereits in vielen Kantonen gelebt wird. Es heisst vereinfacht gesagt: Informationen sind grundsätzlich öffentlich, wenn das nicht anders definiert ist - und nicht umgekehrt.
- Die Innerrhoder Justiz war in den letzten Jahren immer wieder im Gespräch. Zum Teil aufgrund personeller Konstellationen, zum Teil aufgrund unklarer Kompetenzregelungen. Hier stehen Änderungen an, die für eine eindeutigere Aufgabenzuteilung sorgen sollen.
Das erneuerte Energiegesetz hat am ehesten Potenzial, um für Debatten zu sorgen. Hier geht es unter anderem um die Förderung umweltfreundlicher Energien, wobei das nicht nur durch Anreize, sondern zum Teil auch durch Verpflichtungen von Hausbauern erreicht werden soll. Gut möglich, dass der eine oder andere freiheitsliebende Innerrhoder hier im Detail kritische Anmerkungen hat.
Ein finanziell relativ gewichtiger Posten ist das geplante neue Verwaltungsgebäude im Dorfzentrum von Appenzell. Dort sollen künftig unter anderem die Gerichte, die Kantonsbibliothek und das Landesarchiv untergebracht werden. Für den Bau wird mit Kosten von 19,8 Millionen Franken gerechnet. Es liegt allerdings kein konkretes Projekt vor, dieses wird durch einen Architekturwettbewerb ermittelt. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass keine «Geschmacksdiskussion» an der Landsgemeinde entsteht, andererseits werden nicht alle Stimmbürger zufrieden sein damit, eine hohe Summe für einen noch unbekannten Bau sprechen zu müssen.
Die Initiative «Versorgungsregion Säntis im Gesundheitswesen» der SP dürfte chancenlos sein, darf für sich aber in Anspruch nehmen, Diskussionen ausgelöst zu haben. Bei einer Annahme müsste die Innerrhoder Regierung Gespräche mit den Nachbarkantonen über eine Zusammenarbeit im Gesundheitswesen aufnehmen. Damit trifft die SP zwar einen Nerv, da St.Gallen und Ausserrhoden ihre Probleme mit ihren Spitälern haben und vieles für Kooperationen über Kantonsgrenzen hinaus spricht. Allerdings ist die Bereitschaft zu einer solchen Kooperation keineswegs gesichert, nur weil die Innerrhoder Standeskommission aufgrund einer Initiative eine solche anregt.
Eine vollständige Übersicht bietet das Landsgemeindemandat.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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