Welche Kräfte werden die verschiedenen Parteien der Region schon bald prägen? In einzelnen Interviews stellen wir die Hoffnungsträgerinnen und -träger vor. Heute: Corinna Pasche-Strasser (*1974), Mitte-Politikerin aus Bischofszell.
Zivilstand: Verheiratet, 2 Kinder
Ausbildung/Beruf: Eidg. dipl. Expertin in Rechnungslegung und Controlling / Schulpräsidentin VSG Bischofszell
Partei und Funktion: die Mitte Thurgau Grossrätin
In der Partei seit: über 15 Jahren
Hobbies: Lesen, Yoga
Hatten Sie schon immer eine Nähe zu der Partei, in der sich heute aktiv sind? Oder standen Sie dereinst auf einer anderen Seite?
Bereits als junge Frau war ich vom politischen System der Schweiz fasziniert. Als 18-Jährige in der Gemeinde im Dorf mitzubestimmen, erfüllte mich mit Stolz. Ich wollte mitdiskutieren, mitbestimmen und mitwirken an der Zukunft unserer Gemeinde. Ich erinnere mich noch gut an die hitzigen und engagierten Diskussionen im Klassenzimmer der Dorfschule. Deshalb bin ich einer Partei beigetreten und versuche, wann immer möglich, junge Menschen für ein politisches Engagement zu motivieren. Mitgestalten können wir nur, wenn wir uns einbringen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Die Mitte vertritt die Werte, die mir persönlich wichtig sind. In den Gremien, in denen ich mitarbeitete, habe ich Menschen getroffen, die bereits Mitglied der Die Mitte waren. So fiel mir der Entscheid, mich dieser Partei anzuschliessen leicht.
Wenn ich mich engagiere, ist es mir wichtig, dass dieses Engagement auch Früchte trägt. Die Mitte ist eine Partei, die sich für umsetzbare Lösungen einsetzt. Oft ist das Erarbeiten, einer für alle tragbaren Lösung, herausfordernd und braucht Zeit. Ist dann eine mehrheitsfähige Lösung gefunden, geht es vorwärts und sie kann erreicht werden. Ich denke, dies ist mit ein Grund, weshalb ich mich für Die Mitte entschieden habe.
Gab es einen bestimmten Auslöser, der bei Ihnen das Interesse für die Politik geweckt hat? Was war die Motivation, sich in einer Partei zu engagieren?
Obwohl meine Eltern nicht aktiv in einer Partei waren, wurde bei uns viel über Politik und das Weltgeschehen diskutiert. Im Staatskundeunterricht hatte ich eine Lehrerin, die politisch sehr engagiert war. Mit ihr gingen wir an Gerichtsverhandlungen, besichtigten das Bundeshaus und besuchten eine Kantonsratssitzung. Ihr war wichtig, mit uns die laufenden Abstimmungsvorlagen zu diskutieren, pro und contra abzuwägen. Ich wurde ermutigt, mich für das mir Wichtige einzusetzen.
Wenn Sie Ihre Partei mit einer Schulnote bewerten müssten, wie würde die Benotung ausfallen?
Die Mitte zeichnet sich aus durch eine lösungsorientierte, zukunftsorientierte Politik. Sie steht für Freiheit, Solidarität und Verantwortung. Die Junge Mitte hatte in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Mitgliederzuwachs. Wäre Die Mitte nicht zukunftsorientiert und würde sie nicht die Bedürfnisse der jungen Erwachsenen abholen, würden sich wohl kaum so viele Jugendliche für diese politische Partei entscheiden. Wer an einer guten und umsetzbaren Lösung interessiert ist, geht auf andere zu, versucht zu verstehen, ist ernsthaft an einem machbaren Weg interessiert. Sie baut Brücken zwischen den anderen Parteien des schweizerischen Politsystems und sorgt für mehrheitsfähige Lösungen. Dafür gebe ich unserer Partei ein «sehr gut».
Was benötigt es, damit diese Bewertung dereinst noch besser ausfällt?
Um weiter zu kommen braucht es Entwicklung, auch in einer Partei. Es gibt also immer Verbesserungspotential. Stärken, die weiter ausgebaut werden können. Ich finde es aber auch wichtig, dankbar uns stolz zu sein auf das, was bereits erreicht wurde.
Was sind Ihre persönlich wichtigsten Kernanliegen? Wofür möchten Sie sich einsetzen?
Mir liegt vor allem eine nachhaltige Schweiz am Herzen. Dafür braucht es eine Ausgewogenheit zwischen Umwelt, Wirtschaft und Sozialem. Die Erde ist unsere einzige Lebensplattform. Wir sind verpflichtet, ihr Sorge zu tragen. Für eine nachhaltige Welt reicht dies aber noch nicht aus. Wir dürfen soziale, wie auch wirtschaftliche Aspekte nicht vernachlässigen. Ausserdem ist eine gute Lösung für unser Vorsorgesystem zu finden (z. Bsp. AHV-Reform), die Bildung voranzutreiben und eine stabile Wirtschaft zu erhalten.
Welche politischen Ambitionen haben Sie? In welcher Funktion würden Sie dereinst gerne aktiv sein?
Ich bringe mich gerne ein, arbeite gerne mit, um etwas bewirken zu können. Dies kann ich in verschiedensten Funktionen. Werden politische Ämter frei, in denen meine Kompetenzen gefragt sind, freue ich mich, wenn sich eine Möglichkeit ergibt, ein solches Amt auszuführen.
Kommt es vor – ob im politischen Umfeld oder auch privat –, dass Sie eine extreme Position einnehmen, weil Sie Freude an der Debatte haben?
Ich unterhalte mich gerne mit verschiedensten Menschen über die verschiedensten Themen.
Stellungen beziehen wir aus Werten, die für uns wichtig sind. Die Kunst ist es bei unterschiedlichen Standpunkten herauszufinden, was die Werte hinter der Position ist und wo es eine Schnittmenge gibt. Ist diese Schnittmenge erkannt, lassen sich für beide Parteien vertretbare Lösungen suchen. Das Finden vertretbarer Lösungen beider Seiten bringt uns weiter. Das Verharren auf einer starren Position hemmt uns in der Lösungsfindung.
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie merken, dass Sie falsch liegen?
Ich versuche immer, eine umfassende Perspektive auf eine Situation zu entwickeln, nicht nur einen Blickwinkel zu beleuchten. Dies ermöglicht mir die Zusammenhänge besser zu erfassen, andere Ansichten besser zu verstehen. Oft werden einfach die verschiedenen Aspekte eines Themas verschieden stark oder gar nicht gewichtet.
Möchten Sie eine neue Bekanntschaft in erster Linie von Ihren Qualitäten oder von Ihrer politischen Stossrichtung überzeugen?
Treffe ich neue Menschen, so hoffe ich, dass ich in erster Linie als Frau mit Stärken und Schwächen wahrgenommen werde. Ich will als Mensch überzeugen und nicht mit einer politischen Agenda.
Gibt es in der jüngsten Vergangenheit der Schweiz einen politischen Meilenstein, der Ihnen so gar nicht in den Kram passt?
Die Abstimmung über das CO2-Gesetzt hat mich traurig gestimmt, weil es uns nicht gelungen ist, den in diesem Gesetz ausgearbeitete Konsens dem Volk verständlich darzulegen. Beide Pole (rechts und links) verharrten auf ihren Standpunkten, schlossen meiner Meinung nach eine «unheilige» Allianz und erreichten die Ablehnung. Jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen und dies bei einem für uns überlebenswichtige Thema. Schade!
Welche drei Punkte stehen aktuell ganz oben auf Ihrer politischen Pendenzenliste?
1. Bildungspolitik
Wir haben in der Schweiz das grosse Privileg, dass die Ressource Bildung, die uns zu unserem Wohlstand verholfen hat, fast unerschöpflich ist. Und trotzdem müssen wir zu ihr Sorge tragen, sie ausbauen und weiterentwickeln. Diese wichtigste Ressource ist unser Bildungssystem.
Die Schulen finden zurzeit nicht mehr genügend ausgebildetes Fachpersonal.
Wie ist diese Entwicklung zu stoppen, ihr entgegenzuwirken?
Müssen die Rahmenbedingen geändert werden, dass der Lehrer*innenberuf wieder attraktiver wird?
Unser Bildungssystem ist eine Erfolgsgeschichte und ein Garant für tiefe Arbeitslosigkeit, hohe Arbeitszufriedenheit und Wohlstand.
2. Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Rahmenbedingungen sollten so ausgestaltet sein, dass sie ein persönliches Gleichgewicht zulassen. Es muss möglich sein, Kinder gross zu ziehen und gleichzeitig einem Beruf nachzukommen. Im Bereich von familienfreundlichen Arbeitsbedingungen, wie auch im Bereich von gut qualifizierten, bezahlbaren Krippenplätze gibt es noch Entwicklungsbedarf. Die familienergänzende Kinderbetreuung ist volkswirtschaftlich und gesellschaftlich von zentraler Bedeutung.
3. Energiepolitik
Wir sollten unsere Stromversorgung mit einheimischen, erneuerbaren Energien sicherstellen.
Die Schweiz ist im Bereich der Energie abhängig von Dritten. Hier gilt es, uns unabhängiger aufzustellen, die Energieabhängigkeit der Schweiz weiter zu verringern, um die Stromversorgung zu sichern. Hierfür braucht es erneuerbare Energien wie Windkraft und Geothermie. Investieren wir in unsere Unabhängigkeit, in unsere Sicherheit, in dem wir im Bereich der Energie autonomer werden.
Und welche drei Punkte stehen auf der privaten Liste?
1. Work-life-balance
Genügend Zeit mit meinen Töchtern und meinem Mann zu verbringen.
2. Lesen
Ein ganzes Wochenende nichts anders tun, als in die Welt eines guten Buches einzutauchen.
3. Dankbarkeit
Immer wieder werde ich mit Negativem konfrontiert. Bei vielen Menschen ist das Glas halb leer, dabei sind wir so unglaublich privilegiert. Ich wünsche mir, dass wir uns hier in der Schweiz wieder bewusst werden, welch unglaubliche Lebensqualität wir alle hier geniessen dürfen, welch unzählige Möglichkeiten uns allen offenstehen und dass fast alle unsere Probleme lösbar sind.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.