Die Einkaufstouristen sollen künftig stärker zur Kasse gebeten werden. Ausländische Waren sollen demnach bereits ab 150 Franken verzollt werden. Der Gewerbeverein Kreuzlingen begrüsst die Pläne – andere halten davon weniger.
Die Schlangen vor den Kassen schier unendlich lang, freie Parkplätze ein rares Gut, die Strassen gnadenlos verstopft: Wer an einem Samstag in Konstanz einkaufen möchte, braucht Geduld und gute Nerven. Kein neues Phänomen zwar, dass die Schweizerinnen und Schweizer von den tieferen Preisen ennet der Grenze profitieren möchten, aber eines, das durch die Coronapandemie in die Knie gezwungen wurde. Covid-19 scheint besiegt – aber kann man das Gleiche auch vom Einkaufstourismus behaupten?
Nicht ganz, wenn man beim Präsidenten des Kreuzlinger Gewerbevereins, Andreas Haueter, nachfragt. «Zwangsläufig wurde den Einkaufstouristen während der Coronazeit das Leben erschwert», sagt er im Gespräch. Der Gewerbeverein habe sich auf die Fahne geschrieben, dies auszunutzen und die Kundinnen und Kunden von ihren Vorteilen überzeugen zu können.
Geklappt habe dies aber nur teilweise. «Einige Kundinnen und Kunden sind zwar geblieben – aber schätzungsweise ist der Einkaufstourismus nun wieder in etwa so, wie er vor Corona war.»
Wichtiges Weihnachtsgeschäft
Die Schwankungen innerhalb der Branche seien grundsätzlich gegeben. «Jetzt kommt es aufs Weihnachtsgeschäft an», sagt Haueter weiter. «Die Stimmung bei den Detaillisten ist gut, wir freuen uns auf die kommenden Wochen.»
Ebenfalls erfreut habe man die Pläne von Bundesrätin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter aufgenommen. Diese beabsichtigt, dass ausländische Waren bereits ab einem Warenwert von 150 statt wie bisher 300 Franken verzollt werden müssen. «Es ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung», so Haueter.
Sauberer Kompromiss?
Auch wenn die Pläne dem Gewerbeverein zu wenig weit gehen. «Die Zollfreigrenze müsste ganz klar bei null Franken liegen.» Dass in Kreuzlingen eine Mehrwertsteuer erhoben wird, und das bereits ab dem ersten Franken, in Konstanz einige Meter weiter jedoch die Grenze bei 150 oder gar 300 Franken liege – das sei nicht fair. «Aber immerhin wären 150 Franken ein Kompromiss.»
Politisch sei ein langer Atem von Vorteil, um etwas zu erreichen. «Es dauert jeweils sehr lange, bis etwas umgesetzt werden kann – da bildet auch die Mehrwertsteuer keine Ausnahme», so Haueter weiter.
Mehr Bürokratie?
Anders sieht es der Konsumentenschutz. Die Senkung der Wertfreigrenze sei blosse Symptombekämpfung. «Die Menschen kaufen im Ausland ein, weil es so grosse Preisdifferenzen gibt – und nicht, weil sie teilweise keine Einfuhrsteuer bezahlen müssen. Eine Senkung der Wertfreigrenze führt lediglich zu mehr Bürokratie für Zollpersonal und Bevölkerung», sagt André Bähler, Leiter Politik und Wirtschaft des Konsumentenschutz.
Fakt ist jedoch, dass die Preise auch in Deutschland angezogen haben. Die Preisdifferenz zwischen den Schweizer und den ausländischen Produkten ist also nicht mehr ganz so gross, wie sie einmal war. «Wir versuchen, die Menschen dafür zu sensibilisieren. Jede und jeder muss jedoch für sich entscheiden, ob er oder sie sein Geld, welches hier verdient wird, auch hier in der Schweiz ausgeben möchte», so Haueter.
Ob die Pläne des Bundesrats am Ende mehr Umsatz in die Kreuzlinger Kassen spülen, sei schwer abzuschätzen, sagt Haueter weiter. «Es spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Wir wollen eine Gleichberechtigung erreichen, damit wir den Kundinnen und Kunden zeigen können, wie gut unser Sortiment ist – und es sich lohnt, hier einzukaufen.»
(Bild: PD)
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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