Die Malerin und Bildhauerin Sabeth Holland aus St.Gallen gehört zu den bekanntesten Künstlerinnen der Schweiz. Aktuell werden Werke von ihr in Hong Kong ausgestellt. Ein Gespräch über Schicksalsschläge, Farben und die Lust nach Verwirklichung.
In unserer Rubrik «Short Break» beantworten unsere Interviewpartnerinnen und -partner schriftlich persönliche Fragen, auf welche wir in einem anschliessenden Podcast-Gespräch Bezug nehmen.
Nachfolgend das Audio-Gespräch sowie Sabeth Hollands Antworten auf unsere Fragen.
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Jahrgang: 1959
Berufsbezeichnung: Künstlerin, Malerin und Bildhauerin
Wohnort: St. Gallen
Zivilstand/Kinder: verwitwet, 3 Töchter, 2 Enkelsöhne und ein weiteres Enkelkind unterwegs …
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In drei kurzen Sätzen: An welchem Punkte in Ihrem Leben stehen Sie heute?
Da gibt es einen sicheren Ort tief in mir drin, von wo aus ich voller Urvertrauen und Zuversicht an einer positiven Zukunftsperspektive arbeite. So frei und sicher, wie jetzt, fühlte ich mich selten. Das gibt viel Kraft für das Richtige.
Was würden Sie als bisher absolutes Highlight in Ihrem Leben bezeichnen?
Meine Liebsten. Und dazu gehört auch meine Kunst. Sie ist die Visualisierung von einer inneren Fülle, die es ohne meine Familie nicht gäbe.
Beruflich? Da gibt es eine lange Kette von Glücksmomenten, viele sind namenlos, unfassbar, weil so grossartig komplex. Aktuell, die Teilnahme an Sculpting Dreams, eine Gruppenausstellung der Galerie Koo in Hongkong und eben erst die Teilnahme an der Art Central Hongkong, die Teil der Art Basel Hongkong 2023 war, und das auf Einladung meiner Galerie (Galerie Koo Hongkong), die zusammen mit den grössten Galerien der Welt gelistet wurde. Vorher die Wettbewerbsgewinne für «Kunst am Bau»-Projekte. Und einst im Jahr 1991, meine erste Ausstellung in der Galerie vor der Klostermauer hier in St.Gallen.
Was war ein Tiefpunkt, eine grosse Niederlage?
Die langen ersten Jahre meines Schaffens, wo man mich gerne übersah, nicht für voll nahm, weil ich in kein Bild passte. Mutter, Englischlehrerin und Malerin/Autodidaktin in einer Person und kein bisschen chaotisch, viel zu gut organisiert, machte mich für viele, sagen wir, unsichtbar. Und privat: der furchtbar traurige Abschied von meinem Mann im tragischen Jahr 2013.
Was sind Ihre Visionen, was möchten Sie unbedingt noch erreichen?
Ich bin wirklich ehrgeizig und dennoch ist es mir wichtig, dass ich nichts erzwinge, dass die Dinge einfach ihren Lauf nehmen, so wie es sein muss. Das Leben hat mich gelehrt, dass grosse Veränderungen von aussen kommen. Und dass der Samen, den man gestreut hat, aufgeht. Mit 64 müssten jetzt ganze Hecken um mich herum am Wuchern sein. Und ich glaube, nicht nur ich kann sie schon sehr gut sehen. Gerne würde ich bis zum Schluss in meinem Atelier Grund und Raum zum Schaffen haben, und ich möchte eine Nani sein, die besondere und gleichzeitig schlichte Momente für die bald drei Enkelkinder gestalten kann. Ja, überall möchte noch ganz viel geben. Einfach so, weil ich es gut kann. Und eher utopisch: Eine Ausstellung in einem Museum, umfassend, raumgreifend, anders.
Welche gesellschaftliche Entwicklung macht Ihnen am meisten Sorgen?
Der Rückgang der Artenvielfalt und die Zunahme der unüberlegten Vorwürfe. Artenvielfalt meine ich in allen Bereichen des Lebens. Als Künstlerin würde ich wohl besser Farben- und Formenvielfalt sagen. Und das mit den Vorwürfen ist mir wichtig, weil es heute zur Tagesordnung gehört. Manchmal braucht es wenig, um bei einem Menschen tiefe Wunden aufzureissen. Der Schaden, der daraus entsteht, geht an den Verursachern meist unbeachtet vorbei. Das Leiden für die Betroffenen kann sehr bedrohlich sein. Ich versuche eine gebende Kultur mit Offenheit und einer Art Verstehen Wollen. Selten gibt es nur eine «richtige» Sicht auf die Dinge.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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