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«Firmung for Future»

Motivieren statt Angst schüren: Weshalb der St.Galler Autor Stephan Sigg findet, nach Greta Thunberg müssen andere Leute eine Bühne erhalten

Nachhaltigkeit und christlicher Glauben – in seinem neuen Buch fasst der Autor Stephan Sigg gleich zwei heisse Eisen an. Doch genau diese Kombination brauche es, findet der St.Galler.

Manuela Bruhin am 30. Januar 2024

Stephan Sigg, wir führen das Interview gleich am Morgen. Sie sagen, dass die Morgenstunden zwischen halb 6 und halb 10 zu ihren liebsten Schreibstunden gehören. Hätten Sie mich auf einen Morgen «vertröstet», wenn wir einen Abend-Termin vorgeschlagen hätten?

Ich bin früh am Morgen tatsächlich kreativer als am Abend – da ist man noch ganz ungestört und kann sich auf die eigenen Gedanken fokussieren. Zwischen 6 und 8 Uhr fallen mir jeweils auch die entscheidenden Ideen und Plotwendungen ein. Aber Gespräche oder Interviews mag ich zu jeder Tageszeit!

Sie haben zahlreiche Publikationen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene veröffentlicht. Auch Ihr neues Buch ist für Jugendliche gedacht. Kürzlich zeigte die Pisa-Studie auf, dass ein Viertel der Kinder und Jugendliche schlecht liest. Sind Sie davon als Autor besonders betroffen?

Ich leite häufig an Schulen Schreibworkshops oder halte Lesungen. Deshalb beobachte ich schon seit vielen Jahren, dass die Leseschwäche immer mehr zunimmt. Das beschäftigt mich. Denn Lesen können ist eine wichtige Voraussetzung, um überhaupt an der Demokratie teilhaben zu können. Gerade deshalb sollten bei allen in der Politik und in der Bildung spätestens nach den Ergebnissen der neusten Pisa-Studie die Alarmglocken schrillen. Es braucht dringend mehr Massnahmen im Bereich Leseförderung. Als Autor sehe ich diese Realität eher als Chance: Es ist wichtiger denn je, zeitgemässe Bücher zu schreiben, die Kinder und Jugendliche begeistern. Auf jeden Fall sind Jugendbücher nach wie vor gefragt: So wie früher gibt es auch heute immer noch Jugendliche, die gerne und viel lesen. Ich mache mir also keine Sorgen, dass mir die Zielgruppe wegbricht.

Ihr neues Buch «Firmung for Future» erscheint demnächst. Sie werfen darin die Frage auf, in welcher Welt die Kinder und Jugendlichen leben wollen. Wie sollte sie Ihrer Meinung nach aussehen?

Der Klimawandel beschäftigt viele Jugendliche sehr, manchen macht er sogar Angst. Das kann ich nachvollziehen. Aber ich glaube, es bringt wenig, sich gegenseitig ständig zu kritisieren und die Schuld zuzuschieben. Meine Geschichten in «Firmung for future» sollen Jugendliche motivieren, sich konstruktiv für die Welt, von der sie träumen, einzusetzen. Ich sehe Chancen im Miteinander: Sich mit anderen zusammentun, Ideen austauschen, weiterentwickeln und gemeinsam Massnahmen angehen.

Sie verbinden in Ihrem Buch gleich zwei brisante Themen: den Umweltschutz und den christlichen Glauben. Beides sorgt in der heutigen Gesellschaft (auch) für Zündstoff. Wie sehen Sie das?

Und gerade deshalb ist es eine spannende Kombination für ein Buch! Viele tun ja heute die Anliegen des Christentums als zu theoretisch oder von gestern ab. Aber gerade am Beispiel Umweltschutz wird sichtbar, wie aktuell sie sind: Wie gehe ich mit den Ressourcen um? Was müssen wir tun, damit die Ressourcen allen und auch nachfolgenden Generationen zur Verfügung stehen? Es geht um Fragen der Verantwortung, Gerechtigkeit und der Solidarität. Aus meiner Sicht kann da die christliche Perspektive wichtige Impulse liefern.

Auch öffentliche Personen wie Greta Thunberg spalten die Öffentlichkeit.

Es war wichtig, dass Greta Thunberg und andere vor einigen Jahren so laut und provokativ aufgetreten sind. Sonst wäre das Klima-Thema nicht in den Fokus geraten. Aber inzwischen sind wir an einem anderen Punkt. Es wäre wichtig, dass jetzt mehr Menschen eine Bühne bekommen, die das «Wie» zeigen und die konstruktiven Ansätze liefern. In meinem Buch liefere ich ein paar fiktive Beispiele zur Inspiration – da sind zum Beispiel ein Mädchen, das mit Samenbomben ihre Stadt grüner macht oder zwei andere Jugendliche verhindern mit einer unkonventionellen Party die Vernichtung von einem ganzen Feld mit reifen Erdbeeren.

Wie gehen Sie persönlich mit dem Thema Nachhaltigkeit um? Wie leben Sie?

Ich setze mich seit vielen Jahren damit auseinander. Ich achte zum Beispiel darauf, möglichst verpackungsfrei einzukaufen, bei der Ernährung setze ich auf regionale und saisonale Produkte, ich habe kein Auto. Selbstverständlich ist auch bei mir viel Luft nach oben! Doch alles richtig zu machen, das würde wohl die zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten sprengen.

Welche Hauptbotschaft oder Kernideen möchten Sie den jungen Lesern mit Ihren zwölf motivierenden Kurzgeschichten vermitteln?

Wegkommen vom Jammern, Schimpfen und Diskutieren. Es bringt viel mehr, auszuprobieren, zu experimentieren und sich mit anderen zu vernetzen. Wie die Zukunft wird, hängt von uns allen ab. Was wir brauchen, sind auch mehr positive Bilder von Welt von morgen: Wir sollen mehr Mut haben, positive Zukunftsbildern zu entwickeln und miteinander zu teilen.

Welche Hoffnungen haben Sie, dass Ihr Buch junge Menschen dazu inspirieren wird, sich für Umweltschutz und gesellschaftlichen Wandel zu engagieren?

Es wäre schön, wenn meine Geschichten ihnen bewusst machen, wie viel Macht wir haben: Wir alle bestimmen mit unserem täglichen Konsumverhalten, wie die Welt morgen ist. Ich glaube, viel zu viele verharren zu sehr in der Ohnmachtshaltung. Logisch: Ich als einzelner kann das Problem nicht lösen. Aber genauso wenig löst sich das Problem, wenn ich die Verantwortung immer auf die Konzerne schiebe.

Gibt es bestimmte Geschichten oder Charaktere in Ihrem Buch, die Ihnen besonders am Herzen liegen oder die eine besondere Botschaft vermitteln?

Spontan denke ich an Emilia und Vicky aus der Geschichte «Die Popcornmaschine»: Emilia wünscht sich für ihre Geburtstagsparty eine Popcornmaschine, ihre Mutter ist dagegen. Da hat Vicky die Idee, einfach mal bei der Nachbarin zu klingeln. Vielleicht hat sie ja so eine Maschine? Mit dieser Frage lösen die beiden Mädchen in ihrem Wohnhaus eine positive Kettenreaktion aus. Oft braucht es gar nicht viel, um eine Veränderung in Gang zu setzen. Man beginnt es mit dem Mut, jemanden zu fragen oder um etwas zu bitten …

Wie können Eltern, Lehrer und Erzieher das Buch nutzen, um Jugendliche in Umweltfragen zu sensibilisieren und zu ermutigen?

Ich habe die Geschichten bewusst kompakt gehalten, damit man sie schnell lesen kann. Anschliessend bleibt genug Zeit, um miteinander zu diskutieren. Die Geschichten eignen sich damit auch gut für den Einsatz im Unterricht. Im Buch sind aber auch einige konkrete Aufgaben, Checklisten oder witzige Fragebogen zu finden. Mit denen können sich alle gleich selber testen und dabei herausfinden, wo man steht und wie man sich entwickeln kann. Die Geschichten sind aber auch eine Chance für Erwachsene, sich neu auf Jugendliche einzulassen und ihre Gedanken und Gefühle besser zu verstehen. Es wäre schön, wenn das Buch auch eine Brücke zwischen Jugendlichen und Erwachsenen baut.

_(Bild: Stephan Sigg) _

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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