In Thüringen wurden in März zwei Schwerkriminelle zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Es bestehen Verbindungen zu dem Neonazi-Konzert von 2016 in Unterwasser.
Im März wurden in Gera zwei sogenannte Turonen zu 9 bzw. 12 Jahren Haft verurteilt. Die Anklage wirft ihnen Handel mit grossen Mengen Kokain und Crystal Meth sowie mit Waffen vor. Von 70 Kilogramm verkauften Drogen ist die Rede.
Die beiden Delinquenten werden sich später zusätzlich für weitere Tatvorwürfe vor Gericht verantworten müssen. Gegen fünf weitere Männer und drei Frauen aus der Turonen-Szene wurden bereits früher hohe Haftstrafen ausgesprochen. Der Verfassungsschutz Thüringen rechnete rund 30 Personen der Bande zu. Ihre Strukturen gelten mittlerweile als von den Behörden zerschlagen.
Anlehnung an die Germanen
Die kriminelle Bruderschaft der Turonen hat sich aus einer seit rund drei Jahrzehnten bestehenden Neonazi-Szene in Thüringen entwickelt. Ihr Name Turonen leitet sich von einem keltisch-germanischen Stamm ab, der mutmasslich der Namensgeber Thüringens ist. Die kriminelle Gang wird von den Behörden der organisierten Kriminalität zugerechnet.
Ursprünglich füllte die gewalttätige Neonazi-Gruppe, die sich auch Bruderschaft Thüringen, nennt ihre Kasse mit dem Vertrieb von Tonträgern und mit der Veranstaltung von Rechtsrock-Konzerten. In diesem Kontext soll auch der Musikanlass im Toggenburg organisiert worden sein.
Rund 5000 bis 6000 Besuchende reisten dazu am 15. Oktober 2016 an. Beim Event in der Tennishalle in Unterwasser sollen rund 350 000 Euro erwirtschaftet worden sein. An Rechtsrock-Konzerten tragen neben den Eintritt auch Merchandising-Produkte sowie Verpflegung zu einem Teil der Einnahmen bei.
Kriegswaffen beschlagnahmt
Vorgeschobener Veranstalter des Konzertes mit dem Motto «Rocktoberfest» war Matthias M. Dieser wohnte Rüti, im Zürcher Oberland und arbeitete als Koch; zeitweise war er auch in einem einschlägigen Tattoo-Studio in Rapperswil-Jona beschäftigt. Bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmte die Polizei bei ihm eine grössere Menge an Waffen und Munition; darunter waren auch Kriegswaffen.
Mittlerweile wurde gegen M. eine Einreisesperre in die Schweiz verhängt, er soll wieder in Thüringen leben. Der Finanzfluss des Konzertes im Toggenburg erfolgte über das Konto eines Garde 20-Mitglieds, diese Gruppe gilt als untergeordnete Handlanger der Turonen. Der Garde 20-Name leitet sich vom zwanzigsten Buchstaben im Alphabet ab, als T, das für Turonen steht.
Neue Einnahmequelle
Später, nach dem Konzert in Unterwasser, stiegen die Turonen laut dem thüringischen Verfassungsschutz im grossen Stil in den Handel mit Drogen ein. Einkünfte erzielten sie auch durch den Verkauf von Waffen. Zudem betrieben sie auch Bordelle als Einnahmequelle.
Von Experten wird vermutet, dass die Turonen infolge der Corona-Schutzmassnamen ihre Einkünfte durch Rechtsrockkonzerte einbüsste und deshalb auf den Drogenhandel umschwenkte. Die Drogen wurden durch die Rockergang Bandidos geliefert.
Internationale Vernetzung
Die Turonen galten als hierarchisch straff organisiert und international gut vernetzt. Es bestanden etwa Kontakte zu den rechtsradikalen und gewalttätigen Gruppierungen der Hammerskins, Combat 18 und Blood & Honour. Auch zum für mehrere Morde gegen Migranten verantwortlichen NSU bestanden Verbindungen.
(Bilder: Symbolbilder)
Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.
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