Für gewisse Bauherren ist das Bauen in der (Ost-)Schweiz zu kompliziert geworden, sagt Chefökonom der Raiffeisen, Fredy Hasenmaile. Weshalb das lange Zeit verborgen blieb – und welche Folgen daraus entstehen können.
Fredy Hasenmaile, könnten Sie sich persönlich vorstellen, ein Haus bauen zu lassen?
Nein, aktuell fehlt mir die erforderliche Zeit, ein solches Unterfangen in Angriff zu nehmen.
Salopp gefragt: Ist Bauen in der (Ost-)Schweiz zu kompliziert geworden?
Ja, für gewisse Bauherren schon. Die Anforderungen an das Bauen sind Jahr für Jahr erhöht worden. Hier noch eine neue Bestimmung, da noch ein Bericht, der einzureichen ist. Das erinnert an den Frosch in der Pfanne, dessen Wasser langsam erhitzt wird…
Woran hapert es am meisten? Welche spezifischen Regulierungen und Vorschriften haben in den letzten Jahren die Bauvorhaben für private Bauherren besonders erschwert?
Es wäre unfair, hier einzelne Normen, Paragrafen oder Gesetze herauszupicken. Es ist die Summe der Vorschriften, die zu einem ungeniessbaren Gesamtcocktail geworden ist und Private vielfach überfordert. Ich will dennoch ein Beispiel bringen: In der Stadt Zürich sind aktuell Vorhaben für über 3’000 Wohnungen wegen der Lärmgesetzgebung blockiert. Klar sagen wir «Ja», wenn ein Gesetz zur Abstimmung vorliegt, das uns weniger Lärm verspricht. Dass wir damit aber viele Bauvorhaben erschweren oder gar verunmöglichen, stand so nicht im Abstimmungsbüchlein.
Die Gründe sind unter anderem auch, dass die handwerkliche Kompetenz nachlässt. Wie beeinflusst das das mögliche Bauvorhaben?
Bauen ist letztlich Handwerk. Die Abnahme handwerklicher Kompetenz in der Bevölkerung ist daher mit ein Grund, dass sich Privatpersonen im Durchschnitt weniger oft an ein Bauvorhaben heranwagen.
Gibt es Unterschiede in der handwerklichen Grundkompetenz und Bauaktivität zwischen städtischen und ländlichen Regionen?
Ich würde mal vermuten, dass handwerkliche Kompetenzen auf dem Land noch stärker verbreitet sind als in der Stadt, allein schon aufgrund der unterschiedlichen Branchenstrukturen. Das und weil Überbauungen in den städtischen Regionen grösser und komplexer sind, ist der Anteil der Privaten an der Bauaktivität in städtischen Regionen tiefer.
Was sind denn die Folgen, dass sich immer mehr Private aus dem Wohnungsbau zurückziehen?
Wenn sich gewisse Bauherrentypen zurückziehen, wird weniger gebaut. Es sei denn, die Lücke wird durch andere Bauherren aufgefüllt. In der Tiefzinsphase waren Immobilienanlagen für institutionelle Investoren äusserst attraktiv. Die Institutionellen haben daher den graduellen Rückzug der Privaten mehr als überkompensiert. Dadurch blieb lange verborgen, dass das Bauen insgesamt zu wenig attraktiv geworden ist. Das merken wir erst jetzt, wo die institutionellen Bauherren aufgrund der veränderten Zinslandschaft nicht mehr so viele Bauprojekte aufgleisen.
Auf der anderen Seite werden künftig auch die Wohnkosten für alle Mieterhaushalte steigen. Wie könnten politische Massnahmen aussehen, die darauf abzielen, die Angebotsmieten zu stabilisieren oder zu senken?
Ganz einfach: Es müssen mehr Wohnungen gebaut werden. Von allen, also von Privaten, Genossenschaften, institutionellen Investoren und auch der öffentlichen Hand. Entsprechend müssen Hindernisse aus dem Weg geräumt und Anreize zum Bauen erhöht werden.
Welche strukturellen Faktoren tragen zur Wohnungsknappheit bei – und wie können diese langfristig gelöst werden?
Wohnfläche hätte es eigentlich genug. Nur sorgt das geltende Mietrecht über die Zeit für ein grosses Gefälle zwischen Bestandsmiete und Neumiete. Dadurch fehlen Anreize, um nicht mehr benötigte Flächen an den Wohnungsmarkt zurückzuführen. Dieses Paradoxon müsste man besser lösen. Missbräuchliche Einsprachen sind ein weiterer Faktor. Oder das Horten von Bauland, oder die fahrlässig umgesetzte neue Raumplanungsstrategie, die fälschlicherweise davon ausging, die Verdichtung sei ein Selbstläufer. Das zeigt, dass sehr viele Faktoren zum heutigen Malaise beigetragen haben und noch viel Arbeit auf uns wartet.
Wie beeinflussen Plattformen wie Airbnb den traditionellen Mietmarkt?
Auch das ein Faktor, der letztlich das Wohnungsangebot verknappt. Allerdings nur ein kleiner Faktor bzw. ein völliger Nebenschauplatz.
Zum Schluss: Was denken Sie – könnte das Bauen für Private künftig wieder attraktiver werden oder gehen die Zahlen weiter zurück?
Ich sehe keine Trendwende dieser Entwicklung und auch zu wenig Bereitschaft, das Problem der Wohnungsknappheit nicht nur für den Wahlkampf zu nutzen, sondern auch tatsächlich zu lösen.
(Bilder: Depositphotos/pd)
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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