Christine Bolt will FDP-Regierungsrätin werden. Im Kandidatenumfeld ist sie die einzige Frau und auch die einzige Person ohne politisches Amt. Im Interview bezieht sie Stellung und erklärt, ob ihre Funktion in der Tagblatt-Chefetage die dortige Berichterstattung beeinflussen könnte.
«Die Ostschweiz» brachte am Donnerstagabend den Ball ins Rollen. Wir berichteten über jene sechs Personen, welche bei der FDP im Rennen um die Nachfolge von Regierungsrat Martin Klöti sind. Neben FDP-Präsident Raphael Frei, FDP-Kantonsrat Jens Jäger, FDP-Fraktionspräsident Beat Tinner, FDP-Kantonsrat Jigme Shitsetsang und FDP-Kantonsrat Martin Stöckling ist auch der Name von Christine Bolt, stellvertretende Leiterin der St. Galler Tagblatt AG, auf der sogenannten Short-List der Findungskommission. Sie ist die einzige Frau – und auch die einzige Person dieser Gruppe, welche kein politisches Amt bekleidet.
«Wahltaktisch gesehen kann ich mir vorstellen, dass ‚Frau-Sein’ ein Vorteil bedeutet»
Christine Bolt, unter den sechs möglichen Kandidaten fällt ihr Name in zweierlei Hinsicht auf. Erstens: Sie sind die einzige Frau im Feld. Ein klarer Vorteil?
Zuerst möchte ich vorausschicken, dass ich weder von der Parteileitung vorgeschlagen, geschweige denn von der Delegiertenversammlung nominiert bin. Ich bin zum jetzigen Zeitpunkt lediglich «mögliche Kandidatin», wie Sie das richtig zum Ausdruck bringen.
Doch zu Ihrer Frage: Wahltaktisch gesehen kann ich mir vorstellen, dass in der heutigen Zusammensetzung der Kantonsregierung und mit Blick auf die aktuellen Themen in der Gesellschaft «Frau-Sein» ein Vorteil bedeutet; für mich ist das aber weder Programm, noch bildet mein Geschlecht meine Kompetenzen ab. Sollte ich nominiert werden, dann freue ich mich, wenn das aufgrund meiner Fähigkeiten, meiner Ausstrahlung und meines bisherigen Leistungsausweises geschieht.
Der zweite Aspekt: Sie verfügen als einzige der genannten Person über kein politisches Amt, müssen sich gegen Kantonsräte und Gemeindepräsidenten behaupten. Ist dies im Gegenzug ein klarer Nachteil?
Im direkten Vergleich mit den anderen fünf ausgewiesenen möglichen Kandidaten ist die politische Erfahrung jene Eigenschaft, bei der ich nicht mithalten kann. Ich bin aber überzeugt, dass ich viele andere sehr wichtige Fähigkeiten für das Amt als Regierungsrätin mitbringe. Zum Beispiel jene, dass ich mich rasch in neue Aufgabengebiete einarbeiten kann und keine Berührungsängste weder zu Menschen noch zu Themen kenne. Ja, ich bin eine Quereinsteigerin. Aber ein politisch unbeschriebenes Blatt muss nicht zwingend ein Nachteil sein. Der Aussenblick schadet auch der classe politique nicht, gerade wenn es um Bürgernähe geht.
Nun könnte man Ihnen vorwerfen, dass Sie quasi aus dem politischen Nichts gleich ein hohes politisches Amt anstreben. Ist das vermessen?
Vermessen wäre es, wenn ich keinerlei Führungserfahrung, politisches Flair und Netzwerk mitbringen würde; das ist aber nicht der Fall. Ich bin seit über 10 Jahren in der FDP und bin in der Politik und in der Wirtschaft gut vernetzt. Während meiner Zeit als Direktorin von Toggenburg Tourismus hatte ich sehr viele Berührungspunkte mit der Politik, auch meine jetzige Tätigkeit beim Tagblatt enthält durchaus politische Aspekte.
Als stellvertretende Leiterin der St.Galler Tagblatt AG haben Sie logischerweise eine Nähe zur dortigen Redaktion. Ist auch das ein Vorteil oder wird man Sie allenfalls sogar «strenger» behandeln, um sich nicht dem Vorwurf der Bevorzugung auszusetzen?
Ja, ich habe eine gewisse Nähe zur Redaktion – aber ich habe dort nichts zu sagen. Die Chefredaktion wird vom publizistischen Leiter besetzt, und dieser wiederum ist direkt dem Verwaltungsrat unterstellt.
Ich bin überzeugt, dass ich genauso hart und fair angefasst werde, wie alle anderen Kandidaten. Alles andere wäre komplett unprofessionell.
Zur Person:
Seit Herbst 2014 ist Christine Bolt (1976) die stellvertretende Leiterin der St. Galler Tagblatt AG und leitet die Bereiche Lesermarkt und Marketing. Damit kehrte sie nach rund 10 Jahren Tätigkeit im Tourismus, davon sechs Jahre als Tourismusdirektorin im Toggenburg, zu ihrer ursprünglichen Wirkungsstätte zurück. Nach der Matura an der Kanti Wattwil studierte sie vier Semester an der HSG und schloss nach einer Bankausbildung die Ausbildungen zum eidg. FA Marketingplaner und eidg. Dipl. Verkaufsleiter ab. Im März 2017 erlangte sie am IAP der ZHAW den Titel «MAS SCO Coaching und Supervision in Organisationen». Christine Bolt ist in Wildhaus aufgewachsen, ist verheiratet und wohnt mit ihrem Mann in Abtwil.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.