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Ist es so einfach?

«Quitschgelb» und «lustiger Name»: Wie die Fett-Weg-Spritze in der Ostschweiz verharmlost wird. Die Folgen könnten alles andere als lustig sein

Eine Spritze, die das hartnäckige Fett am Bauch oder den Oberschenkeln auflöst: Für «Lemon Bottle» wird und wurde in der Ostschweiz kräftig die Werbetrommel gerührt. Swissmedic warnt jedoch – das Medikament ist nämlich nicht zugelassen.

Manuela Bruhin am 29. März 2024

Eine Flüssigkeit, so «quitschgelb» wie eine Zitrone – deshalb auch der «lustige» Name «Lemon Bottle». Die Fett-Weg-Spritze aus Korea sorgt auch in der Ostschweiz für Furore. Verschiedene Schönheitseinrichtungen und ästhetische Mediziner setz(t)en auf den Trend. Und priesen ihn mit lobenden und verharmlosenden Worten an.

Teurer Spass

Die Inhaltsstoffe seien «natürlich». Eine gezielte Fettreduktion sei damit auf «natürliche Weise» möglich. «Lemon Bottle» «natürliche, schmerzfreie Lösung mit sichtbaren Ergebnissen». So wurde die Behandlung mit «Lemon Bottle» verharmlost. Stets im Vordergrund und omnipräsent war das Wort «natürlich» zu lesen.

Alles andere als «natürlich» war hingegen der Preis. Pro Infusion wurden üblicherweise 200 Franken verlangt. Eine wöchentliche Behandlung, in der Regel zwischen sechs und acht Wochen, würden benötigt, hiess es auf diversen Internetseiten. Alles andere als ein günstiger Spass also.

Auch deshalb, weil die Wirkung höchst umstritten ist. In einem Newsletter eines Ostschweizer ästhetischen Mediziners ist zu lesen, dass «trotz vielversprechender Werbung die Wirksamkeit individuell variiert und nicht garantiert werden kann.» Es gäbe keine Rückerstattung, sollte die Behandlung nicht den gewünschten Effekt erzielen.

Verbotene Anwendung

Einige Spritze sollen also genügen, um dem hartnäckigen Fett an den Kragen zu gehen. Was zu schön tönt, um wahr zu sein – genau das ist, oh Wunder, offensichtlich die Realität. Denn: Swissmedic warnt inzwischen vor dem illegalen Arzneimittel «Lemon Bottle». Wegen der fehlenden Zulassung darf das Präparat in der Schweiz nicht angewendet werden. «Es ist zu hoffen, dass niemand einen Schaden davongetragen hat», sagt Lukas Jaggi, Mediensprecher von Swissmedic.

Fälschungen im Umlauf

Bisher habe Swissmedic keine Kenntnis von Nebenwirkungsmeldungen in Zusammenhang mit «Lemon Bottle» Lipolyse-Lösung erhalten. Aus gutem Grund wurden verschiedene Muster des Produkts geprüft – die unterschiedlichen Inhaltsstoffe entsprachen nicht den Angaben. «So wurde in einer Probe nur Koffein gefunden, während in einer anderen Probe die auf der Verpackung propagierten Inhaltsstoffe nicht nachgewiesen werden konnten.» In diesen Fällen handle es sich somit um Fälschungen. Deshalb kann Swissmedic über mögliche Gesundheitsgefahren nicht spekulieren.

Keine Antwort

Auf Nachfrage von «Die Ostschweiz» wollte seitens der medizinischen und ästhetischen Einrichtungen, welche die Behandlungen mit «Lemon Bottle» angeboten haben, niemand Stellung beziehen. Viele Werbungen und Anzeigen, die bis vor wenigen Tagen die Spritze im Internet anpriesen, führen inzwischen ins Leere. Kein Wunder, bestätigt die Antwort bei Swissmedic. «Werbung für nicht zugelassene Arzneimittel ist verboten», so Jaggi weiter.

Nicht zugelassen

Allgemein gilt: Mit der Zuordnung eines Produkts zu einer bestimmten Produktkategorie kommt die entsprechende schweizerische Gesetzgebung zur Anwendung. Im Klartext: Sind die gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf einen konkreten Verwendungszweck nicht erfüllt, ist ein Produkt in der Schweiz nicht verkehrsfähig und darf folglich nicht in den Handel gebracht werden. Jaggi: «Zur rechtlich definierten ärztlichen Sorgfaltsplicht gehört, dass Ärztinnen und Ärzte die Verkehrsfähigkeit der von ihnen verwendeten Produkte überprüfen. Das heisst, sie müssen sich gegebenenfalls informieren.» Lemon Bottle Lipolyse-Lösung sei aktuell in keinem anderen Land als Arzneimittel zugelassen.

Swissmedic warnt ausdrücklich vor «Lemon Bottle». Eine medizinische Wirkung sei wissenschaftlich nicht belegt, die Qualität der Inhaltsstoffe nicht geprüft und die Anwendung könne demzufolge ein Gesundheitsrisiko sein. Nach wie vor sind aber immer noch einzelne Werbungen und Anzeigen, welche Behandlungen mit «Lemon Bottle» in der Ostschweiz anbieten, aufgeschaltet.

(Bilder: Depositphotos)

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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