logo

Gerangel in Steckborn

Rechtens oder nicht? Allerhand Trara wegen 40-Franken-Parkbusse

Ein Mann möchte verstehen, warum er eine Parkbusse erhalten hat und stösst auf Unmut und Sturheit. Er gibt aber nicht klein bei und bezahlt einfach das Bussgeld, sondern er lässt den Fall von der Thurgauer Staatsanwaltschaft beurteilen.

Michel Bossart am 26. Mai 2020

Am 1. Mai fuhr Rolf Rüegsegger* mit seinem Auto nach Steckborn. Nach vielen Tagen des coronabedingten Zuhausebleibens wollte er diesen Feiertag nutzen, um wieder einmal windsurfen zu gehen. Er fuhr nach Steckborn und parkierte sein Auto auf dem Areal der Bernina Schweiz AG. Die Firma stellt über 100 Gratisparkplätze zur Verfügung und ärgert sich über Falschparkierer wie Rüegsegger. Denn dieser hat sein Auto nicht auf dem gekiesten Parkplatz abgestellt, sondern ins angrenzende Wiesenbord. Rüegsegger erzählt: «Es waren an diesem Tage viele Windsurfer in Steckborn. Um anderen im flachen Bereich des Areals Platz zum Parken zu lassen, hatte ich mein Fahrzeug an den Rand gestellt – entsprechend dem Vermerk auf der Tafel "ganzes Areal" nach bestem Wissen und Gewissen.» Er habe nicht die Absicht gehabt, etwas falsch zu machen und schätze es sehr, dass Bernina ihre Parkplätze zur Verfügung stellt, fügt er an.

Das Problem: Rüegsegger kassierte eine Parkbusse von 40 Franken wegen «Parkieren innerhalb des signalisierten Parkverbots». Dies gemäss Artikel 250 der Ordnungsbussenverordnung (OBV), wie auch klar auf dem Bussenzettel vermerkt ist. Doch das signalisierte Parkverbot ist an Wochenenden und Feiertagen aufgehoben.

Rüegsegger reklamiert beim Ordnungsdienst der Stadt Steckborn und bittet darum, die Busse zurückzuziehen, weil dafür keine rechtliche Grundlage vorhanden sei – oder ihm diese zu erklären. Stattdessen erhält er ein der Redaktion vorliegendes gehässigtes E-Mail eines Bernina-Mitarbeiters, in das er neben dem Stadtpräsidenten auch den Präsidenten des Surfclubs und weitere Personen kopiert, und in dem er seinen Unmut über wildparkierende Autofahrer kundtut.

«Das ist doch eine Indiskretion sondergleichen», regt sich Rüegsegger auf. «Wie kommt ein Gemeindemitarbeiter dazu, meinen Antrag einfach weiterzuleiten?» Da nun mal schon alle informiert waren, wendet sich Rüegsegger wieder an den Bussenaussteller beim Ordnungsdienst der Stadt. Dieser beharrt auf seinem Standpunkt, dass es sich um ein Privatareal handle und darum die Busse nach Artikel 250 gerechtfertigt ist. Auch der Stadtpräsident schaltet sich ein, verweist jedoch an den Stadtschreiber. Mit diesem telefoniert Rüegsegger, und auch mit der Polizei und mit jemandem von der Thurgauer Staatsanwaltschaft.

Parkverbot

Rolf Rüegsegger hat nicht im "signalisierten Parkverbot" parkiert, da man am Wochenende und an Feiertagen auf dem ganzen Aral parkieren darf.

«Ich zahle aus Prinzip keine Busse, die nicht gerechtfertigt ist», sagt Rüegsegger trotzig. Er lasse sich ja gerne belehren – aber in diesem Fall scheinen alle auf stur zu schalten und niemand könne ihm erklären, warum er sein Auto «innerhalb des signalisierten Parkverbots» abgestellt haben soll, obschon man an Feiertagen und am Wochenende auf dem «ganzen Areal» parkieren darf.

In der Tat hätte es sich der Steckborner Ordnungsdienst viel einfacher machen können. Artikel 252 OBV sieht nämlich eine Busse bei «Parkieren ausserhalb von Parkfeldern oder einem deutlich gekennzeichneten Belag» vor. Da hätte auch niemand das Gesicht verloren, wenn man zugeben müsste, dass man sich im Artikel geirrt habe, die Busse aber trotzdem gerechtfertigt sei. Rüegsegger hätte das auch akzeptiert, wie er versichert. «Aber der Herr vom Ordnungsdienst beharrt ja drauf, dass es wegen Artikel 250 ist. Und ich beharre drauf, dass das nicht stimmt.»

Konsequenz: Nach langem Mailverkehr und unzähligen Telefongesprächen ist Rüegsegger empfohlen worden, die Busse nicht zu bezahlen, was er auch tun wird. Nach 30 Tagen schaltet sich erst die Kantonspolizei und dann die Staatsanwaltschaft ein, und der Fall wird neu beurteilt. Im schlimmsten Fall – wenn er nicht Recht kriegt – muss Rüegsegger zusätzlich 100 Franken Gebühren bezahlen. Ein Risiko, das er eingehen will.

Die Anfrage dieser Zeitung vom 11. Mai an den Ordnungsdienst von Steckborn, warum man Rüegsegger nicht wegen Artikel 252 büsse, blieb bislang unbeantwortet.

* Richtiger Name der Redaktion bekannt.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Michel Bossart

Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.