Werbespots für zuckerhaltige Lebensmittel könnten bald vom TV- oder Smartphone-Bildschirm verbannt werden, wenn der Bundesrat seine Pläne durchbringt. Somit wären gleich mehrere Ostschweizer Traditionsfirmen davon betroffen.
Ewig lockt die Versuchung, manchmal zum Trost, mal als Belohnung, aber immer fällt es schwer, mit dem Naschen aufzuhören: Dass zuckerhaltige Lebensmittel ungesund sind, wissen wir längst. Eigentlich. Und dennoch fällt es unglaublich schwer, die Finger davon zu lassen. Die meisten Kinder lieben Schokolade, Gummibärchen und Co. Und genau hier möchte der Bundesrat ansetzen, um die Versuchung für sie nicht noch grösser zu machen.
Werbungen einschränken
Werbespots mit lächelnden Pinguinen oder süssen Hasen flimmern täglich über den Bildschirm, um schon die Kleinen auf den Genuss von Schokolade zu bringen. Solche Werbungen möchte die Weltgesundheitsorganisation WHO jedoch einschränken – um Kinder vor stark zucker- und fetthaltigen Lebensmittel zu schützen. Auch der Bundesrat findet Gefallen daran, diese Forderung zu unterstützen, wie die Bilanz jüngst berichtet.
In einem Entwurf im Rahmen der Änderung des Lebensmittelgesetzes, welcher der Zeitung vorliegt, soll der Bundesrat freie Hand bekommen, um das Marketing für als ungesund taxierte Lebensmittel von TV- oder Smartphone-Bildschirmen zu verbannen: «Der Bundesrat kann die Werbung für Lebensmittel für Kinder unter 13 Jahren einschränken, sofern die Lebensmittel spezifische Kriterien namentlich betreffend Fett-, Salz- oder Zuckergehalt auf der Grundlage von international oder national anerkannten Ernährungsempfehlungen nicht erfüllen.»
Maestrani und Kägi Fret
Damit könnten gleich mehrere Ostschweizer Traditionsfirmen ein Problem erhalten: Maestrani beispielsweise produziert in Flawil 150 schokoladige Produkte. Oder Kägi Fret ist für ihre Schokoladenwaffel über die Landesgrenze hinaus ein Begriff. Was also würde passieren, wenn sie plötzlich nicht mehr für ihre Produkte werben dürften? Entsprechende Anfragen von «Die Ostschweiz» wollte jedoch niemand beantworten.
Kein Wunder, denn auch ein lokales Unternehmen würde ein Verbot hart treffen, sagt Marketing-Experte Thomas Hutter aus Aadorf. «Das Unternehmen verfügt zwar über eine regionale Markenbekanntheit und eine gewisse Loyalität. Wenn aber grössere Wettbewerber aus dem Ausland beispielsweise im ausländischen TV und via Internet werben, könnte dies zu einem Wettbewerbsnachteil führen», sagt er im Gespräch.
Gesündere Alternative?
Das betroffene Unternehmen könnte Marktanteile an die Konkurrenz verlieren und die Markenbekanntheit und Loyalität nehme schliesslich ab. «Zusätzlich könnte das Unternehmen gezwungen sein, verstärkt in die Entwicklung von zuckerfreien oder gesünderen Alternativen zu investieren, um den Umsatz aufrechtzuerhalten. Dies würde jedoch möglicherweise zusätzliche Kosten und Ressourcen erfordern», so Hutter weiter. Ohne die Möglichkeit, die Produkte zu bewerben, könnten Kunden weniger davon kaufen, da sie möglicherweise weniger über die Verfügbarkeit und Attraktivität dieser Produkte informiert sind.
Auch wenn wir wissen, dass zuckerhaltige Lebensmittel ungesund sind – dennoch lassen wir uns von der Werbung beeinflussen. «Dies geschieht durch emotionale Ansprache, Gewohnheit, sozialen Druck und effektive Marketingtechniken. Trotzdem können Bildung und bewusste Entscheidungen helfen, die Beeinflussung von Werbung zu minimieren», sagt Hutter.
Soziale Medien spielen grosse Rolle
Werbespots haben eine rasante Entwicklung hinter sich. Und nicht immer ist auf den ersten Blick ersichtlich, was überhaupt eine Werbung ist. Während die Spots am TV noch leicht zu überspringen sind, tauchen sie am Tablet oder Smartphone umso häufiger auf. Unternehmen setzen verstärkt auf digitale Plattformen wie soziale Medien, Suchmaschinenmarketing und Displaywerbung, um ihre Zielgruppen zu erreichen.
Dank fortschrittlicher Datenanalyse können Unternehmen ihre Zielgruppen besser verstehen und ansprechen. «Moderne Werbung ist stark personalisiert. Unternehmen nutzen Daten, um individuell zugeschnittene Botschaften und Angebote zu erstellen, die die Bedürfnisse und Vorlieben der Verbraucher ansprechen», so Hutter.
Gerade Jugendliche sind in den Sozialen Medien damit konfrontiert – nicht zuletzt durch die Influencer. Generell wäre laut Hutter mehr Transparenz wichtig. Denn gerade in diesem Bereich gäbe es einige schwarze Schafe und noch mehr Marketingverantwortliche mit wenig Wissen. Dennoch sei Influencer Marketing im richtigen Kontext und mit einer passenden Strategie ein gutes Instrument und bleibe wichtig, ist Hutter überzeugt. Jedoch seien auch hier Veränderungen zu erwarten. «Mikro-Influencer, also solche mit kleinen, aber spezifischen Themen und Followern, könnten an Bedeutung gewinnen, da Authentizität geschätzt ist.»
Zur Person
Thomas Hutter ist Inhaber und Geschäftsführer der Hutter Consult AG. Bekannt als der «Facebook-Guru» der ersten Stunde und als einer der renommiertesten Facebook-Marketingexperten im deutschsprachigen Raum berät er grosse und mittelständische Unternehmen, Organisationen und Agenturen.
(Bild: PD)
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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