Ein Flugblatt sorgt für Aufregung in der Politischen Gemeinde Au. Eine Gruppe von Bürgern hat es auf den Gemeindepräsidenten abgesehen. Angeführt von einen Mann, der eben diesen Gemeindepräsidenten 2014 massgeblich unterstützt hatte. Die Irrungen und Wirrungen sind nicht neu hier.
Geht es um Au, ist es für Ortsfremde schon eine Herausforderung, überhaupt zu wissen, was hinter der Gemeinde steckt. Die Politische Gemeinde Au besteht aus den Ortsteilen Au und Heerbrugg. Doch die Siedlung Heerbrugg liegt zum Teil auch auf Widnauer Boden, zum Teil in Balgach und Berneck. Au ist die korrekte Bezeichnung die Politische Gemeinde, Au-Heerbrugg dient als Begriff für diejenigen, die beide Dorfteile wertschätzen wollen. Das ist im Alltag auch immer wieder ein Politikum: Die Gemeindeverwaltung liegt im Auer Teil, die Heerbrugger fühlen sich nicht selten zu wenig einbezogen und buhlen um mehr Einfluss - haben aber regelmässig Mühe, Leute zu finden, die sich in Ämter wählen lassen wollen.
So viel zur Ausgangslage. Sie erklärt aber nicht ausreichend, warum die Gemeinde Au seit vielen Jahren lokalpolitischen Zündstoff liefert. Einst galt für Au das, was für die meisten ländlichen Gemeinden galt: Das Gemeindeoberhaupt ist eine Art Sonnenkönig, unantastbar. Die Wahl eines gewissen Walter Grob im Jahr 2006 änderte das.
Grob machte sich schnell in zweierlei Hinsicht einen Namen. Zum einen war er ein Macher, der aufs Gas drückte und der Gemeinde seinen Stempel aufdrücken wollte; es gab nicht viel Kritik an seiner konkreten Amtsführung. Aber er nahm auf dieser rasanten Fahrt die Menschen nicht mit an Bord, und er hielt auch nicht viel davon, seine Ideen aktiv zu kommunizieren. 2012 war die Bevölkerung überfordert und nahm dankend das Angebot eines Herausforderers an: Der Finanzfachmann Stefan Suter kippte Grob aus dem Amt und übernahm.
Damals hiess es hinter vorgehaltener Hand, es sei einer Mehrheit nicht um die Wahl von Suter, sondern um die Abwahl von Grob gegangen - oder auch einfach ein Signal an seine Adresse. Ob der Neue auch der Richtige war, blieb Nebensache. Nicht einmal zwei Jahre später warf Stefan Suter das Handtuch, erklärte seinen Rücktritt und wechselte auf eine Kaderposition in der Gemeindeverwaltung, wurde also Untergebener des nächsten Gemeindepräsidenten.
Der wiederum hiess ab 2015 Christian Sepin, bis dahin Gemeinderat und Schulratspräsident in Diepoldsau. Er setzte sich bei der Ersatzwahl gegen zwei Mitbewerber durch, die chancenlos blieben. Sepin war damals recht spät ins Rennen gestiegen, die anderen zwei vorgeschlagenen Kandidaten hatten das Prozedere einer Findungskommission durchlaufen, scheinen aber einigen Leuten nicht genehm gewesen zu sein. Also suchten diese eine Alternative - und brachten sie durch.
Auch die Wiederwahl 2016 war für Sepin keine Hürde. Doch in den Jahren danach muss einiges geschehen sein. Denn ausgerechnet die Leute, die 2014 hektisch nach einem «eigenen» Kandidaten gesucht und diesen in Christian Sepin gefunden hatten, betreiben nun dessen Abwahl. Das geben sie ziemlich offen zu. Dazu lancierten sie dieser Tage - nicht ganz ein Jahr vor den Erneuerungswahlen - eine umfangreiche Wurfsendung in die Haushaltungen, in denen sie die Arbeit von Sepin kritisieren. Auch der Gesamtgemeinderat wird darin angeschossen und als «schwach» beurteilt. Aufgrund des Kollegialitätsprinzips sind solche Anwürfe immer eine schwierige Sache: Niemand weiss, welcher Gemeinderat für welchen Beschluss mitverantwortlich ist und wer sich dagegen gestellt hat - und allenfalls durchaus «stark» war, aber vergeblich. Gegen aussen müssen alle jeden Beschluss mittragen.
Die Opposition läuft im Namen einer «IG Au-Heerbrugg». Ihre Kritik ist vielfältiger Natur. Es geht um den neuen Dorfplatz in Au, um das neue Verwaltungsgebäude, um das Hochwasserschutzprojekt, um diverse Projekte, die in den letzten Jahren angestossen wurden. Geschäfte, die man so oder anders sehen kann, aber gemäss den Urhebern der Broschüre werde in diesen und anderen Fällen nicht offen kommuniziert, sondern verdeckt gearbeitet, vor allem, was die Kosten angeht, Verfahrensregeln würden verletzt. Garniert ist das Ganze mit Vorwürfen wie «Drohungen», welche die Gemeindebehörde an die Bevölkerung gerichtet hätten.
Die Brisanz liegt in den namentlich bekannten Absendern der Botschaft, allen voran beim Immobilienunternehmer Daniel Schilling, der federführend bei der Broschüre war. Schilling war 2014 an der Seite einiger anderer Leute der Königsmacher, er hatte Christian Sepin gefunden und für eine Kandidatur gewonnen - und er will nun offenbar zum Königsmörder werden. Er führt im Papier auch offen aus, dass er es war, der Sepin wollte - und erklärt, warum er die Sache inzwischen anders sieht.
Die umfangreiche «Informationsschrift» ist jedenfalls als erste Ausgabe beschriftet, gut möglich also, dass bis zu den Wahlen im Herbst 2020 weitere folgen und es dann konkreter wird. Dass jemand so viel Geld für Streusendungen ausgibt, nur um Fragen in den Raum zu stellen, ist zu bezweifeln. Alles deutet darauf hin, dass ein Masterplan besteht, um auch diesen Gemeindepräsidenten aus dem Amt zu hieven - und durch jemanden zu ersetzen, der vermutlich bereits gesucht wird.
Oder vereinfacht gesagt: Die Politische Gemeinde Au kommt nicht zur Ruhe. Weiterhin nicht.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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